Lag der Anteil der über 60-Jährigen 1995 in Deutschland noch bei 21 %, wird er aufgrund
der steigenden Lebenserwartung bis 2040 vermutlich auf etwa 36 % ansteigen. Damit
wird auch die Zahl der Demenzkranken weiter zunehmen. Bereits heute leben mehr als
eine Million an Demenz erkrankte Menschen in Deutschland. Bis 2040 wird sogar eine
Verdoppelung bis Verdreifachung der Anzahl erwartet. Als häufigste Demenzform gilt
die Alzheimer-Demenz (etwa 60 %), gefolgt von der vaskulären Demenz (VaD) mit etwa
15 bis 20 % und der Demenz mit Lewy-Körperchen (10 %).
Bei genauer Betrachtung ist allerdings festzustellen, dass fast alle dementen Patienten
über 60 Jahre sowohl neurodegenerative als auch vaskuläre Hirnveränderungen aufweisen.
Auch bei Alzheimer-Demenz können vaskuläre Läsionen vorliegen. Alzheimer-Patienten
mit Läsionen schneiden dabei in kognitiven Tests deutlich schlechter ab und weisen
eine schlechtere Prognose auf als Patienten ohne Läsionen [13].
Ursachen
Ursachen
Als Risikofaktoren, die auch das Risiko für vaskuläre Erkrankungen erhöhen, konnten
u.a. bereits identifiziert werden (nach [2]):
-
Alter
-
Thrombogene Faktoren
-
Atherosklerose
-
ApoE4
-
Schlaganfall
-
Hohes Serum-Homocystein
-
Diabetes mellitus
-
Hypertension
-
Rauchen
-
Hypotension
-
Alkoholismus
-
Hoher Fibrinogenspiegel
-
Hohes LDL-Cholesterin
-
Kopfverletzungen/Bewusstseinsstörungen
-
Herzerkrankungen
-
Menopause
-
Migräne
-
Niedriger Bildungsstand
-
Hohe Serumviskosität
-
Transiente ischämische Attacken
-
Depression
-
Pathologische Veränderungen der Mikrogefäße
-
Zu fettreiche Ernährung
-
Erhöhung des C-reaktiven Proteins.
Im Mittelpunkt der Erkrankung scheinen die Amyloid-Ablagerungen und artherosklerotische
Veränderungen zu stehen, die bereits von Alois Alzheimer in seiner Beschreibung einer
„eigenartigen Erkrankung der Hirnrinde” erwähnt wurden. Beta- und Gammasekretasen
spalten das Amyloid-Präkursorprotein (APP) in kleinere Fragmente, z.B. das zelltoxische
Abeta1-42, die zum Teil abgelagert werden oder über den Liquorraum eliminiert werden.
Während bei Gesunden gebildetes Amyloid-beta teilweise von Makrophagen beseitigt wird,
ist dieser Prozess bei Demenzpatienten beeinträchtigt [6]. Amyloid-beta verringert außerdem die glutamaterge Neurotransmission und synaptische
Plastizität. Seit kurzem wird deutlich, dass die zellulären Mikrogefäße dabei eine
entscheidende Rolle spielen. Die zerebrale Hypoperfusion, die bei Alzheimer-Patienten
beobachtet wird [18], und u.a. einen Sauerstoff- und Glukosemangel bewirkt, führt zu Schäden in den Mikrogefäßen
[5], die dann offensichtlich zelltoxische Verbindungen freisetzen [11].
Diagnostik
Diagnostik
Störungen des Gedächtnisses, Denkvermögens und der emotionalen Kontrolle müssen nach
ICD-10 mehr als sechs Monate anhalten und so ausgeprägt sein, dass die Aktivitäten
des täglichen Lebens erheblich beeinträchtigt sind. Falls möglich, sollte der Patient
selbst zu seiner Anamnese Auskunft geben, bei deutlicheren Störungen des Gedächtnisses
ist die Befragung der Angehörigen unverzichtbar. Neben der internistischen, neurologischen
und laborchemischen Untersuchung [Tab. 1] sollten stets neuropsychologische Tests durchgeführt werden. Mittlerweile haben
sich z.B. der DemTect® Demenz-Detections-Test (10 min, auch im frühen Stadium geeignet),
Mini-Mental-Status-Test (MMST, 10 min, bei leichter Störung wenig geeignet), Syndrom-Kurz-Test
(SKT, 10 min, auch im frühen Stadium geeignet) und das Structured Interview for the
Diagnosis of dementia of the Alzheimer type, Multiinfarct dementia and dementias of
other aetiology (SIDAM) etabliert. Zum Ausschluss von Gehirntumoren, Infarkten und
anderen fokalen Hirnveränderungen sollten eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie
(MRT) aufgenommen werden.
Therapie
Therapie
Grundlage der Therapie ist ein multimodales Behandlungskonzept. Insbesondere der Hausarzt
ist gefordert. Körperliche Krankheiten, wie Diabetes mellitus oder Bluthochdruck,
können demenzielle Symptome verstärken und sogar hervorrufen. Neben der Behandlung
von Krankheitsursachen ist eine pharmakologische Therapie der demenziellen und eventuell
auch von begleitenden Verhaltensaufälligkeiten erforderlich. Auch die nichtmedikamentöse
Therapie, z.B. Milieutherapie, Psychoedukation, verbessert die Lebensqualität der
Betroffenen und ihrer Angehörigen, allerdings besteht noch wenig wissenschaftliche
Evidenz.
Zur medikamentösen Behandlung werden heute Cholinesterasehemmer (Galantamin, Rivastigmin,
Donepezil) und der NMDA-Rezeptorantagonist Memantine eingesetzt. Die Wirksamkeit der
Cholinesterasehemmer wurde im letzten Jahr kontrovers diskutiert, dies ist auf methodische
Eigenarten der AD2000-Studie mit Donepezil [1] zurückzuführen, in der zuletzt nur noch vier Patienten eingeschlossen waren! Die
Ergebnisse stehen in Konflikt mit allen bisher durchgeführten Studien mit Donepezil
[7]. Hinzu kommt, dass der individuelle Krankheitsverlauf bei Demenz unglaublich variabel
ist, sodass aus dem individuellen Verlauf keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit des
eingesetzten Medikaments möglich sind.
Zur Behandlung der Verhaltensänderungen [Tab. 2], die als häufigster Grund für eine Heimeinweisung angegeben werden, werden zunehmend
atypische Neuroleptika (Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Amisulprid, Aripiprazol,
Ziprasidon) eingesetzt, wobei allerdings nur Risperidon (Risperdal® 1 mg) für die
Therapie von Verhaltensauffälligkeiten bei Demenzerkrankungen zugelassen ist. Die
Wirksamkeit wird allgemein als gut eingeschätzt, wobei die einzelnen atypischen Neuroleptika
offenbar ähnlich abschneiden, wie in der „Clinical Antipsychotic Trials in Intervention
Effectiveness-Alzheimer's Disease Study (CATIE-AD)”-Studie beobachtet wurde, die vom
National Insitute for Mental Health gefördert wurde [20].
Atypische Neuroleptika können jedoch bei Demenzpatienten das Risiko für kardiovaskuläre
Ereignisse erhöhen (siehe auch Beitrag von Fritze in diesem Heft), in den USA hat
daher die amerikanische Zulassungsbehörde FDA im Mai 2005 vorerst nur für die atypischen
Neuroleptika entsprechende Warnhinweise („boxed warning”) verfügt. Eine retrospektive
Analyse der Daten von fast 33 000 Patienten hat jetzt auch ergeben, dass das Schlaganfallrisiko
unter atypischen Neuroleptika vergleichbar ist (etwa 1,5 %) mit dem von konventionellen
Neuroleptika wie Haloperidol, Fluphenazin oder Chlorpromazin [10]. Neuroleptika, aber auch Sedativa, können die bei Demenz-Erkrankungen vorliegende
zerebrale Hypoperfusion weiter verschlechtern und so zu Mikroläsionen und toxischen
Prozessen führen, die die Demenz weiter voran treiben [15]. Der Einsatz von Neuroleptika bei Demenzpatienten sollte daher vorsichtig abgewogen
werden. Besserungen der Verhaltensauffälligkeiten wurden auch unter den Cholinesterasehemmern
und Memantine nachgewiesen (z.B. [8])
Neue Therapieansätze
Neue Therapieansätze
Neue Therapieansätze bei der AD beruhen vorwiegend auf der Amyloid-Hypothese. So konnte
bereits gezeigt werden, dass Statine [3] eine Reihe von pleiotropen, gefäßprotektiven Wirkungen aufweisen, wie Schutz vor
oxidativem Stress, erhöhte Bioverfügbarkeit von Stickoxid (NO), Schutz vor Entzündungen
und auch die Verbesserung des zerebralen Blutflusses. Statine scheinen dabei auch
die Bildung von Amyloidablagerungen zu verhindern, wobei der genaue Mechanismus noch
unklar ist. Auch die Einnahme von nicht-steroidalen Antirheumatika, Vitamin E, Deprenyl
und einige Antirheumatika verringern offenbar das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung,
vermutlich über entzündungshemmende Mechanismen, die an der Amyloidbildung beteiligt
sind [14]. Beispielsweise wird Ibuprofen zurzeit in Phase-III-Studien untersucht. Allerdings
hat bisher noch keine prospektive, randomisierte Studie eine Wirksamkeit von nichtsteroidalen
Antirheumatika (NSARs) bei Demenz nachweisen können. Retrospektiv scheinen aber NSARs
Demenzerkrankungen hinauszuzögern [19].
Auf die Amyloidablagerungen konzentrieren sich auch die Forschungen mit Beta- und
Gamma-Sekretase-Inhibitoren. Eine Hemmung der Sekretasen führt zu einer verminderten
Bildung des toxischen Abeta1-42-Fragments. Bisher sind jedoch die entsprechenden Kandidaten
noch im präklinischen Stadium. Weiter ist bereits NC-531, ein Glycosaminoglycan, das
die Bildung von Amyloidablagerungen und die Bildung von Fibrillen verhindern soll
und zurzeit in Phase-III-Studien untersucht wird [9].
Im Tiermodell ist auch eine aktive Immunisierung gegen das Abbauprodukt des Amyloid-Präkursorproteins,
Abeta1-42, möglich. Klinische Studien mussten allerdings aufgrund von Menigoenzephalitiden
abgebrochen werden. Zurzeit wird an einer Impfung mit anderen Derivaten des Amyloid-Präkursorproteins
gearbeitet [15].
Vielversprechend sind auch neurotrophe Faktoren. NeoTrofin (Phase II/III) und Cerebrolysin
(Phase II/III) sollen die Wirkung des Nerve Growth Factor (NGF) nachahmen. In Studien
konnte bereits eine signifikante Verbesserung von Gedächtnis und Konzentration unter
Cerebrolysin bestätigt werden (z.B. [17]).
Tab. 1 Obligate und fakultative Lapordiagnostik sowie apparative Untersuchungen bei Demenzverdacht
(nach [6])
obligat (diagnostisches Minimalprogramm) |
fakultativ (erweiterte Diagnostik bei entsprechendem Verdacht) |
Laboruntersuchungen
|
Blutbild, Differenzialblutbild |
Urinstatus, Lues-, HIV-, Borrelienserologie |
Glukose |
HbA1C, Blutzuckertagesprofil |
Cholesterin |
Lipidelektropherese |
Na, K, Ca |
Cl, Mg, Cu |
Gamma-GT |
GOT, GPT, alkalische Phosphatase, Bilirubin, Coeruloplasmin |
Kreatinin |
Harnstoff, Harnsäure |
TSH |
T3, T4, Antikörper, Parathormon |
Vitamin B12, Folsäure |
Homocystein, Thiamin |
Blutsenkung |
C-reaktives Protein, ANA; ANCA, AMA, Liquordiagnostik, HIV-Test, Untersuchung auf
toxische Substanzen (Blei, Kupfer, Quecksilber, Benzol, Toluol, u. a.), Drogenscreening
(z.B. Benzodiazepine) |
Apparative Verfahren
|
EKG |
Langzeit EKG, 24-h-RR, Echokardiografie, Dopplersonografie, EEG, evozierte Otentiale,
Polysomnografie |
MR oder CT |
SPECT, PET |
Tab. 2 Verhaltensauffälligkeiten bei Demenz
Symptom
|
Alzheimer Krankheit
|
Vaskuläre Demenz
|
Diffuse Lewy-Body-Demenz
|
Frontotemporale Demenz
|
Psychomotorische Agitiertheit |
+++ |
+++ |
+++ |
+ |
Aggressives Verhalten |
++ |
++ |
++ |
+ |
Wahnvorstellungen |
++ |
++ |
+++ |
+ |
Halluzinationen |
+ |
+ |
+++ |
- |
Depression |
++ |
+++ |
++ |
+ |
Angst |
++ |
+++ |
+ |
+ |
Apathie/Verlangsamung |
++ |
+++ |
++ |
++++ |
Schlafrhythmusveränderungen |
++ |
++ |
++ |
+++ |
Appetitveränderungen |
+ |
+ |
+ |
+++ |
Sexuelle Enthemmung |
+ |
+ |
+ |
+++ |