psychoneuro 2007; 33(11): 483
DOI: 10.1055/s-2007-1010984
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Therapieoption Tolperison - Spastik - ein unterschätztes Phänomen

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Publication Date:
20 December 2007 (online)

 
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Bei der Behandlung der Spastik nimmt Physiotherapie eine wichtige Rolle ein. Das Risiko für Muskel-, Sehnen- und Gelenkkontrakturen kann verringert und noch verbliebene motorische Funktionen trainiert werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Muskeltonus nicht zu hoch sind. Dazu werden häufig muskelrelaxierende Medikamenten eingesetzt, um zu ermöglichen, dass bestimmte Bewegungsmuster überhaupt ausgeführt werden können, wie Prof. Michael Schwarz, Dortmund, auf einer Pressekonferenz vorstellte.

Bisher gelten die zentral wirksamen Muskelrelaxantien Baclofen und Tinazidin in der Pharmakotherapie der Spastik als Mittel der ersten Wahl. Außerdem werden periphar wirksame Muskelrelaxantien wie Dantrolen und Botulinumtoxin Typ A eingesetzt. Seit Oktober dieses Jahres steht auch Tolperison (Viveo®) zur Behandlung der Spastizität infolge von neurologischen Erkrankungen zur Verfügung. Zu diesen Erkrankungen gehören vor allem Multiple Sklerose und Schlaganfall.

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Dualer Wirkmechanismus von Tolperison

Tolperison unterscheidet sich von den anderen Muskelrelaxatien, da es sowohl auf der zentralen Ebene (zentral-spinal und zentral-retikulär) als auch peripher wirkt. Spastik und Spasmen werden reduktiv reduziert ohne dass Tolperison sedierend wirkt, erklärte Prof. Reiner Benecke, Rostock. Tolperison ist ein b-Aminoketon und weist eine hohe Affinität zum Nervengewebe auf. Auf der zentral-spinalen Ebene reduziert Tolperison dosisabhängig die gesteigerte mono- und polysynaptische Reflexaktivität auf ein physiologisches Niveau. Auf der zentral-retikulären Ebene reguliert Tolperison die pathologisch entgleisten Impulse der Formatio reticularis. Auf der peripheren Ebene blockiert dosisabhängig und reversibel den Natriumeinstrom in die Nervenzelle und auch etwas geringer die Kaliumkanäle. "Dadurch wird die Zellmembran stabilisiert und überschießende Impulse reduziert. Tolperison wirkt quasi als Frequenzfilter", beschrieb Benecke den Wirkmechanismus. Es wirkt über seine membranstabilisierende Aktivität vergleichbar wie das strukturähnliche Lidocain. Die Effekte von Tolperison wurden sowohl für die peripheren Nerven als auch im zentralen Nervensystem nachgewiesen.

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Abb.1 Beweglichkeit vor und nach der Behandlung

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Studienergebnisse und Erfahrungen mit Tolperison

Tolperison wird seit vielen Jahren therapeutisch eingesetzt, sein gutes Wirksamkeits- und Sicherheitsprofil konnten in aktuellen Studien bestätigt werden, wie Dr. Stefan Ries, Erbach, ausführte. Auch im direkten Vergleich zu Baclofen liefert Tolperison gute Ergebnisse. Bei spastischen, hemiparetischen Patienten zeigte sich anhand der Rivermead-Skala (Messung motorischer Defizite) ein signifikanter Vorteil für Tolperison gegenüber Baclofen. Auch die Zahl der Patienten, die aufgrund von unerwünschten Ereignissen die Studie abbrachen, war unter Tolperison signifikant geringer als unter Baclofen [1]. Nach apoplektischen Insult nahm die Beweglichkeit der Patienten in der Tolperisongruppe ebenfalls unter Tolperison in stärkerem Ausmaß zu als unter Baclofen [2].

Die Verträglichkeit von Tolperison wird als gut bezeichnet, arzneimittelbedingte Sedierung wird nicht beobachtet, ebenso wenig ergaben sich Hinweise auf Interaktionen mit anderen Medikamenten oder mit Alkohol. Daher eignet sich Tolperison auch gut für die Langzeitbehandlung.

KW

Quelle: Pressekonferenz "Spastik-Therapie ohne Sedierung - Wieder aktiver im Leben" am 28. September 2007 in Hamburg, veranstaltet von Orion Pharma GmbH

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Literatur

  • 01 Reifschneider G . Ries S . Die Wirkung von Tolperison bei spastischen hemiparetischen Patienten.  Nervenheilkunde. 2007;  10 935-938
  • 02 Stamenova P . et al . A randomized, double blind, placebo-controlled study of the efficacy and safety of tolperisone in spasticity following cerebral stroke, Zh Nevrol Psikhiatr. Im S. S.  Korsakova. 2006;  106 (1) 34-42
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Literatur

  • 01 Reifschneider G . Ries S . Die Wirkung von Tolperison bei spastischen hemiparetischen Patienten.  Nervenheilkunde. 2007;  10 935-938
  • 02 Stamenova P . et al . A randomized, double blind, placebo-controlled study of the efficacy and safety of tolperisone in spasticity following cerebral stroke, Zh Nevrol Psikhiatr. Im S. S.  Korsakova. 2006;  106 (1) 34-42
 
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Abb.1 Beweglichkeit vor und nach der Behandlung