Zentralbl Chir 2008; 133(1): 68-75
DOI: 10.1055/s-2008-1004661
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Verletzungsschwere und -lokalisationen polytraumatisierter Kinder im Vergleich zu Erwachsenen und deren Bedeutung für das Schockraummanagement

Eine retrospektive 3-Jahres-StudieInjury Severity and Localisations Seen in Polytraumatised Children Compared to Adults and the Relevance for Emergency Room ManagementA Retrospective 3-Year StudyJ. Zwingmann1 , H. Schmal1 , N. P. Südkamp1 , P. C. Strohm1
  • 1Department für Orthopädie und Traumatologie, Universitätsklinik Freiburg
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Publication Date:
18 February 2008 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung: Die Behandlung polytraumatisierter Kinder im Schockraum ist keine häufige Tätigkeit. Umso wichtiger für eine rasche und zielgerichtete Diagnostik und Therapie ist deshalb die Kenntnis der häufigen Verletzungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten in dieser Altersklasse. Ziel unserer Arbeit war somit die Erfassung von Verletzungshäufigkeiten, -lokalisationen und -schwere der 0-16-Jährigen im Vergleich mit erwachsenen Patienten.

Patienten und Methodik: Im Zeitraum 7 / 01 bis 5 / 04 wurden retrospektiv die Verletzungsschwere und -lokalisationen von 23 polytraumatisierten Kindern (Alter: 2-16 Jahren) mit denen von 324 Erwachsenen (Alter: 17-88 Jahre) verglichen. Die Letalität lag bei den heranwachsenden Kindern und Jugendlichen (ISS: 31) mit 17 % deutlich höher als mit 10 % in der Erwachsenengruppe (ISS: 33) bei ähnlicher Verletzungsschwere. Die Unfallursache, die Schwere der Verletzungen sowie die jeweils betroffenen Körperregionen wurden analysiert. Der Schweregrad von Verletzungen in verschiedenen Körperregionen wurde durch den Abbreviated Injury Severity Score (AIS) klassifiziert. Die Ergebnisse wurden anhand der aktuellen Literatur diskutiert.

Ergebnisse: Höhergradige Kopfverletzungen (AIS > 2) erlitten mit 65 % mehr als jedes zweite Kind, wohingegen nur 37 % der Erwachsenen betroffen waren. Die verschiedenen intrakraniellen Blutungen wurden erfasst und verglichen. Erhebliche Verletzungen des Thorax (AIS > 2) waren bei 61 % der Kindern und bei 54 % der Erwachsenen eine Unfallfolge. Bei den intraabdominellen Verletzungen konnte mit einer Inzidenz von 30 % bei Kindern und 31 % bei Erwachsenen kein Unterschied festgestellt werden. Hierbei lagen die Anteile an Leber- und Milzverletzungen in beiden Gruppen jeweils zwischen 13 und 16 %. Bei Kindern kam es mit 4 % im Gegensatz zur Erwachsenengruppe von 40 % signifikant seltener zu Verletzungen der Wirbelsäule. Die Häufigkeit von Beckenverletzungen war mit 22 % bei Kindern und 28 % bei den Erwachsenen ähnlich. Deutlich geringer stellte sich mit 13 % der oberen und mit 17 % der unteren Extremität die Inzidenz der Extremitätenverletzungen bei Kindern da. Im Gegensatz hierzu konnten in der Erwachsenengruppe Verletzungshäufigkeiten von 43 % der oberen und von 33 % der unteren Extremitäten als Traumfolge evaluiert werden.

Schlussfolgerung: Aufgrund der eigenen Ergebnisse in Zusammenschau mit den Daten aus der Literatur empfehlen die Autoren das generelle Schockraummanagement und hier besonders die CT-Diagnostik auch auf Kinder mit Verdacht auf ein Polytrauma zu übertragen. Hauptgründe hierfür sind das hohe Risiko von intrakraniellen Traumafolgen bei Kindern, sowie eine wesentlich höhere Sensitivität der CT gerade bei den häufig auftretenden kindlichen Abdominal- und Beckenverletzungen.

Abstract

Purpose: The treatment of paediatric polytrauma patients in the emergency room is not common. The knowledge of specific injuries in consideration of the age-specific characteristics is of particular importance for precise diagnostics and therapy. The goal of this study is the aquisition of the frequency, the localisation and the severity of paediatric polytrauma (age: 0-16 years) in comparison with adults.

Patients and Methods: In the period 7 / 01 to 5 / 04 the localisation and injury severity of 23 paediatric polytrauma patients (age: 2-16 years) were compared retrospectivly with those of 324 adults (age: 17-88 years). In the paediatric group (ISS: 31) the lethality was 17 % and so much higher than that in the grown-up population (ISS: 33) with 10 % at comparable injury severity. The cause of accident and the injury severity of the affected body region were analysed. The severity of the diffferent body regions were classified by the Abbreviated Injury Severity Score (AIS). The results were discussed with regard to the current literature.

Results: With 65 %, more than every second child suffered from severe head injuries (AIS > 2), whereas only 37 % of the adults were affected in this way. The different types of intracranial bleedings were analysed and compared. Heavy injuries of the thorax (AIS > 2) were the result of an accident in 61 % of the children and in 54 % of the adults. The incidence of children with injuries to the abdomen was 30 % compared to 31 % in the grown-up collective. Lesions of the spleen and liver had a frequency of 13 to 16 %. Injuries of the spine could be only found in 4 % of the children compared to 40 % of the adult group. The frequencies of pelvic injuries were similar at 22 % for children and 28 % for adults. With 13 % for the upper extremities and 17 % for the lower extremities, children were much less injured in these body regions. In the group of adults 43 % had injuries to the upper extremities and 33 % injuries to the lower extremities.

Conclusions: Taking the results into account with consdieration of the literature data, the authors recommend that the emergency room management for adults and, especially, the radiolgical diagnostic chain with CT scans should also be applied to polytraumatised children. The main reasons for this are the extremely high incidence of intracranial injuries and the high sensitivity of CT scans also for abdominal trauma and pelvic injuries.

Literatur

Dr. med. J. Zwingmann

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