Klin Monbl Augenheilkd 1984; 184(6): 574-577
DOI: 10.1055/s-2008-1054558
Miscellanea

© 1984 F. Enke Verlag Stuttgart

Das Annette von Droste-Hülshoff-Syndrom*

The Annette von Droste-Hülshoff SyndromeG. Meyer-Schwickerath
  • Univ.-Augenklinik Essen (Direktoren: Prof. Dr. Dr. h. c. Meyer-Schwickerath, Prof. Dr. Waubke, Prof. Dr. Wessing)
* Auszugsweise vorgetragen auf der 140. Versammlung des Vereins Rheinisch-Westfälischer Augenärzte in Essen 1981.
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Publication Date:
11 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Die Pathographen der großen Dichterin Annette von Droste-Hülshoff haben sich darum gestritten, ob ihr Krankheitsbild eine chronische Tuberkulose war oder auf einen Morbus Basedow zurückzuführen ist. Inzwischen hat uns die Kenntnis der Oculopathia praematurorum in die Lage versetzt, ihre körperlichen Erscheinungen zwanglos zu erklären. Annette von Droste-Hülshoff war eine Frühgeburt im 7. oder 8. Monat, hatte mit Sicherheit eine hochgradige Myopie und einen dadurch bedingten Exophthalmus. Außerdem zeigt sich ein Pseudostrabismus divergenz, wie aus mehreren Portraitbildern hervorgeht, der wahrscheinlich durch eine Dislokation der Makula nach temporal (dragged disc oder dragged retina) hervorgerufen wird. Die zunehmenden Beobachtungen von Hoch- und Höchstbegabungen bei praematuroren Kindern, die heute durch die Fortschritte auf den Neugeborenenstationen das Berufsalter erreichen, läßt daran denken, dass das gigantische Wissen und die dichterische Genialität ebenfalls Ausdruck der Frühgeburt ist. Die Frühgeburt ist durch biographische und versteckte autobiographische Zeugnisse eindeutig belegt.

Summary

In the past, physicians interested in the great poetess Annette von Droste-Hülshoff argued as to whether she suffered from chronic tuberculosis or Graves' disease. We can now explain her physical appearance without any difficulty, thanks to our knowledge of the oculopathy of prematurity. Annette von Droste-Hülshoff was a premature infant delivered in the seventh or eighth month, and there is no doubt that she suffered from severe myopia and myopic exophthalmos. Moreover, she had a divergent pseudosquint, as can be seen in some portraits of her; this was very probably caused by a dragged disc or dragged retina (i.e., displacement of the macula). The increasing number of outstanding talents seen among premature infants, who now grow up thanks to the incubator, reminds us that Annette von Droste-Hülshoffs vast knowledge and her poetic genius were an expression of her prematurity, which is documented in biographies and by cryptic autobiographical evidence.

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