Suchttherapie 2008; 9(2): 63-69
DOI: 10.1055/s-2008-1076728
Schwerpunktthema

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zur Effektivität der medizinischen Rehabilitation bei Alkoholabhängigkeit

Effectiveness of Medical Rehabilitation for Alcohol Dependent PatientsR. Buschmann-Steinhage 1 , P. Zollmann 1
  • 1Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich 0420 Reha-Wissenschaften, Berlin
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
28. Mai 2008 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung, Methode, Stichprobe: Effektivi-tät der Suchtrehabilitation von Alkoholabhängen kann sich sowohl auf Abstinenz vom Suchtmittel als auch auf die berufliche (Wieder-)Eingliederung beziehen. Beide Ziele stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern können sich gegenseitig fördern. Gegenstand dieser Untersuchung ist die Frage, wie sich die Beschäftigungssituation im Verlauf von zwei Jahren nach rehabilitativer Intervention darstellt und welche Einflussfaktoren die Prognose für die (Wieder-) Eingliederung (Return to Work) erhöhen. Die Auswertungen werden im Wesentlichen für pflichtversicherte Rehabilitanden durchgeführt, die im Jahr 2004 eine stationäre Suchtrehabilitation wegen Alkoholabhängigkeit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beendet haben. Dies waren 17 378 Männer und 4 063 Frauen mit einem Altersdurchschnitt von 43,3 Jahren. Die Daten stellen einen Auszug aus der Reha-Statistik-Datenbasis des Jahres 2007 dar, die als Beobachtungszeitraum die acht davor liegenden Jahre 1999-2006 umfasst. Die Analysen wurden mittels SPSS 14.0 durchgeführt; die Einflussfaktoren auf den Return to Work wurden in einer binären logistischen Regression ermittelt.

Ergebnisse: Zwar scheiden nur 12% der Rehabilitanden in den 24 Monaten nach einer Suchtrehabilitation wegen Alkoholabhängigkeit dauerhaft aus dem Erwerbsleben aus (für alle Rehabilitanden des Jahres 2004 beträgt dieser Anteil 17%). Die konkrete Beschäftigungssituation in diesem Zeitraum ist für die Alkoholabhängigen allerdings erheblich problematischer als für den Durchschnitt aller Rehabilitanden: Während nur 18% der alkoholabhängigen Rehabilitanden in allen 24 Monaten versicherungspflichtig beschäftigt sind, liegt dieser Anteil bei allen Rehabilitanden doppelt so hoch. Als besonders bedeutsame Einflussfaktoren auf die berufliche Wiedereingliederung erwiesen sich: die Erwerbssituation bei Antragstellung, das Entgelt pro versicherungspflichtig beschäftigtem Tag im Kalenderjahr der Antragstellung sowie das Alter (allerdings nur für zum Zeitpunkt der Antragstellung Arbeitslose).

Schlussfolgerungen: Die medizinische Rehabilitation Alkoholabhängiger erfüllt ihren gesetzlichen Auftrag, eine Berentung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu verhindern oder zumindest hinauszuschieben. Für einen erheblichen Teil dieser Versicherten wird die (Wieder-)Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung jedoch nicht erreicht. Dies gilt insbesondere für vor der Rehabilitation arbeitslose Alkoholkranke. Die medizinische Rehabilitation verbessert also erfolgreich die persönlichen Voraussetzungen für eine Re-Integration in das Erwerbsleben, ist aber nur begrenzt in der Lage, ungünstigen Kontextfaktoren, wie z. B. hoher Arbeitslosigkeit, entgegen zu wirken.

Abstract

Question, method, sample: Treatment effectiveness of alcohol dependent people can be evaluated with respect to abstinence as well as return to work. Both aims are not contradictory, but rather complement each other. This study examines the employment status two years following medical rehabilitation and determines variables, which may improve the prognosis for a return to work. Subjects of the analysis are basically mandatorily insured patients, who in 2004 were treated as in-patients for alcohol dependency and whose rehabilitation was financed by the German Pension Fund (17 378 men, 4 026 women, mean age 43.3 years). The data are part of the Reha-Statistik-Datenbasis (rehabilitation-statistics-database) from 2007 with an observation period of eight prior years from 1999 to 2006. The analyses were carried out using SPSS 14.0; the influencing factors for a return to work were determined using binary logistic regression.

Results: Only 12% of patients following rehabilitation for alcohol dependency retire from work permanently (for all patients in 2004 this percentage is 17%). Their specific employment situation during this time, however, is considerably more difficult than for all patients on average: while only 18% of patients with alcohol dependency were employed for the entire 24 months, the percentage for all patients is twice as high. Variables that significantly influenced return to work were: employment status when applying for a medical rehabilitation, daily wages received in the year of application for rehabilitation as well as age (however only for patients who were unemployed when applying).

Conclusions: Medical rehabilitation of alcohol dependent patients fulfils its legal mandate to prevent or at least postpone retirement due to reduced earning capacity. A significant proportion of the patients in question, however, do not achieve occupational re-integration. This is especially the case for alcohol dependent people who were unemployed prior to rehabilitation. In conclusion, medical rehabilitation improves the personal prerequisites for occupational re-integration, but can counteract adverse context factors (e.g. high degree of unemployment) only to a limited amount.

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1 Es wurde auch eine ordinale logistische Regression (nicht beschäftigt vs. mindestens 1 Monat beschäftigt vs. alle 24 Monate beschäftigt) sowie eine lineare Regression mit der Anzahl der Monatsbeiträgen wegen versicherungspflichtiger Beschäftigung (zwischen 0 und 24) gerechnet. Da aber bei der ordinalen logistischen Regression die Schwelle zwischen den beiden Beschäftigungsmerkmalen nicht signifikant war und die Werte der abhängigen Variablen in der linearen Regression eine zweigipflige Häufigkeitsverteilung bei 0 und 24 Monatsbeiträgen zeigen, wurde die binäre logistische Regression favorisiert. Als Einflussfaktoren erwiesen sich aber bei allen unterschiedlichen Methoden die gleichen Merkmale.

Korrespondenzadresse

Dr. R. Buschmann-Steinhage

Deutsche Rentenversicherung Bund

Bereich 0420/R 4003

10704 Berlin

eMail: rolf.buschmann-steinhage@drv-bund.de

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