neuroreha 2020; 12(04): 151-152
DOI: 10.1055/a-1267-7467
Gelesen und kommentiert

Gelesen und kommentiert

Radfahren mit elektrischer Stimulation in der Frühphase nach Schlaganfall verbessert nicht die motorische Erholung

Ambrosini E, Parati M, Ferriero G et al. Does cycling induced by functional electrical stimulation enhance motor recovery in the subacute phase after stroke? A systematic review and meta-analysis. Clin Rehabil 2020; doi:10.1177/0269215520938423

Zusammenfassung der Studie

Ziele

Ziel der Studie war es, die Effekte von Bett-Fahrradergometern in der Frühphase nach Schlaganfall zu evaluieren.


#

Methodik

Design Systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse.

Ein- und Ausschlusskriterien Eingeschlossen wurden Studien, die Patienten in den ersten 6 Monaten nach Schlaganfall umfassten und als Intervention Bett-Fahrradergometer mit jeglicher elektrischer Stimulation untersuchten.

Interventionen Bett-Fahrradergometer mit elektrischer Stimulation als alleinige Therapie oder als zusätzliche Therapie.

Messungen Gemessen wurde die Gehgeschwindigkeit, die Muskelfunktion und der Muskeltonus der unteren Extremität, Steh- und Sitzfunktion, Mobilität und basale Aktivitäten des täglichen Lebens.


#

Ergebnisse

Insgesamt wurden 7 randomisierte und kontrollierte Studien mit insgesamt 273 Patienten nach Schlaganfall eingeschlossen. Im Ergebnis zeigten sich nur kleine, aber nicht klinisch relevante Verbesserungen durch das Bett-Fahrradergometer mit elektrischer Stimulation.

Beispiel Gehgeschwindigkeit: Hier schloss man 6 Studien ein, und der Effekt des Fahrradergometertrainings war signifikant, 0,08 m/s im Vergleich zu konventionellen Therapien (ein klinisch relevanter Unterschied liegt allerdings bei ca. 0,17 m/s). Keine signifikanten Gruppenunterschiede fand man für Muskelkraft, Muskeltonus, Balance im Stehen und Aktivitäten des täglichen Lebens.


#

Schlussfolgerung

Die Autoren schlussfolgern, dass ein Bett-Fahrradergometer mit elektrischer Stimulation in den ersten 6 Monaten nach Schlaganfall nicht empfohlen werden kann. Dennoch merken sie an, dass weitere Studien nötig seien, um optimale Trainingsparameter und Langzeiteffekte zu evaluieren.


#
#

Kommentar

Die systematische Übersichtsarbeit fasst sehr gut die aktuelle Literatur zu diesem oft nachgefragten Thema zusammen. Überraschend ist die äußerst geringe Anzahl an Arbeiten, die sich bislang damit beschäftigen. Darüber hinaus zeigen die Autoren auf, dass der hohe Zusatzaufwand eines Bett-Fahrradergometer und elektrischer Stimulation oftmals nicht gerechtfertigt ist. Das entspricht auch klinischen Erfahrungen, denn mit dieser Therapie sind hohe Rüstzeiten durch das korrekte Anlegen des Fahrradergometers und der Elektroden verbunden. Darüber hinaus hat das Bett-Fahrradergometer neben den Vorteilen (Bewegung im Bett) auch noch weitere Nachteile, nämlich, dass Patienten in dieser Zeit nicht aus dem Bett mobilisiert werden. Die Mobilisierung aus dem Bett scheint jedoch derzeit der Goldstandard zu sein, wenn es darum geht, Patienten nach einem Schlaganfall in den ersten 6 Monaten wieder zum Gehen zu mobilisieren. Darüber hinaus sind nicht alle Patienten für ein Bett-Fahrradergometertraining mit elektrischer Stimulation geeignet.

Fazit Eine gute, klare, aber ernüchternde Zusammenfassung der aktuellen Literatur zum Fahrradergometertraining in den ersten 6 Monaten nach Schlaganfall, die allenfalls geringe Effekte auf patientenseitig bedeutsame Parameter aufzeigt.

Autor

Prof. Dr. rer. medic. habil. Jan Mehrholz

Professor für Therapiewissenschaften

Studiengangsleiter Neurorehabilitation, MSc

SRH Hochschule für Gesundheit

University of Applied Health Sciences

Campus Gera

Neue Straße 28–30

07548 Gera

Deutschland


#

Publication History

Article published online:
08 December 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany