retten! 2022; 11(04): 278-286
DOI: 10.1055/a-1847-1711
Fachwissen

Präklinische Versorgung von Brandverletzungen und Verbrühungen

Jia Wei Tee
1   BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen
,
Marcel Koppehel
,
Johannes Horter
,
Miriam Renkert-Baudis
› Author Affiliations

Eine explodierte Gaskartusche auf dem Festival, die zersprungene Glaskanne mit kochendem Teewasser, die Spiritus-Stichflamme beim Grillen, die heiße Herdplatte oder der tragische Wohnungsbrand. Einsatzlagen mit brandverletzten Patient*innen können so unterschiedlich wie vielfältig sein. Dass sich Verbrennungen ausschließlich auf die Haut beschränken, ist in der präklinischen Versorgung ein noch immer häufig verbreiteter Fixierungsfehler. Je nach Grad und Ausmaß der Exposition können lebensbedrohliche Organbeteiligungen auftreten, die es von den Notfallsanitäter*innen und Notärzt*innen möglichst frühzeitig zu erkennen gilt.

Kernaussagen
  • Es gelten die grundsätzlichen Prinzipien der Notfallmedizin (X-ABCDE-Schema).

  • Die Therapie am Unfallort sollte sich auf die Herstellung der Transportfähigkeit konzentrieren. Nach adäquater Stabilisierung steht der zügige Transport des/der Patient*in in die Zielklinik im Vordergrund.

  • Infusionstherapie:

    • Ab 10% VKOF (ab 5% bei Kindern) sollte eine gezielte, bedarfsorientierte Flüssigkeitssubstitution erfolgen.

    • Der sogenannte Verbrennungsschock ist bei Verbrennungen >15% VKOF bei Erwachsenen und >7–10% VKOF bei Kindern zu erwarten.

    • Für die initiale Flüssigkeitssubstitution sollten primär balancierte kristalloide, laktatfreie Infusionslösungen (z.B. Jonosteril, Sterofundin) eingesetzt werden.

    • Bei Schwerbrandverletzten mit erhöhtem Hypothermierisiko sollten die Infusionslösungen idealerweise vorgewärmt sein.

  • Wundversorgung am Unfallort:

    • Adäquate Analgesie, keine extensive Kühlung der Verbrennungsareale.

    • Abdecken der Wunde mit sterilen Verbänden und/oder passiven Wärmefolien (Rettungsdecken gold-/silberfarben beschichtet).

    • Hypothermie vermeiden.

  • Analgosedierung:

    • Analgesie sollte primär aufgrund der besseren Steuerbarkeit intravenös erfolgen.

    • Als alternative Applikationsform bei pädiatrischen Patient*innen stellt die intranasale Gabe von Medikamenten eine gute Alternative dar.

  • Verbrennungen bei Kindern:

    • Bei Kindern besteht aufgrund der besonderen Körperproportion ein deutlich erhöhtes Hypothermierisiko. Daraus folgt, dass die Indikation zum Kühlen von Verbrennungsarealen kritisch gestellt werden muss.

    • Bei Brandverletzungen im Kindesalter muss an eine mögliche Kindesmisshandlung gedacht werden.

  • Verlegung in Brandverletztenzentren:

    • Die Indikation zur Verlegung in ein Brandverletztenzentrum soll generell großzügig gestellt werden, da auch die Patient*innen mit leichteren Brandverletzungen von der spezialisierten Therapie profitieren können.

    • Gegebenenfalls frühzeitige Einbindung luftgebundener Rettungsmittel.



Publication History

Received: 15 February 2021

Accepted after revision: 07 April 2021

Article published online:
02 September 2022

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