Laryngorhinootologie 2023; 102(01): 51-54
DOI: 10.1055/a-1973-0015
Gutachten und Recht

Aus der Gutachtenpraxis: Tinnitusverstärkung nach einem akuten Schalltrauma?

From the Expert’s Office: Tinnitus amplification after acute acoustic trauma?
Rudolf Reiter
,
Tilman Brusis

Einleitung

Gehörschäden können bekanntermaßen mit einem Tinnitus (Ohrgeräusch) vergesellschaftet sein. Man spricht dann von einem Begleit-Tinnitus. Einen Tinnitus kann man zwar audiometrisch nicht messen, aber mittels einer Tinnitusanalyse wahrscheinlich machen. Von Bedeutung ist aber, dass die Lautstärke eines Tinnitus nicht objektivierbar ist. Wenn die Lautstärke beim subjektiven Tinnitusmatching bei einem Hörverlust von 40 dB z. B. 20 dB über der Schwelle, also bei 60 dB, angegeben wird, besteht Uneinigkeit darüber, ob der Tinnitus 20 dB oder 60 dB laut ist. Welche Interpretation ist hier zutreffend? Besondere Nachweisschwierigkeiten bestehen dann, wenn eine Verschlechterung des Tinnitus aufgrund eines versicherten Ereignisses angeben wird, womit in der Regel eine Zunahme der empfundenen Lautstärke gemeint ist und nicht eine Problematik aus einer Komorbidität. Denn eine behauptete Lautstärkeerhöhung ist grundsätzlich audiometrisch nicht messbar und damit nicht objektivierbar. Hier helfen auch die Verdeckungskurven nach Feldmann nicht weiter und auch nicht der Tinnitus-Fragebogen (TF) nach [1]. Denn beim TF handelt es sich um ein Selbstbeurteilungsinstrument, welches keinen Platz in der Begutachtung hat. Vielmehr ist es Aufgabe des Arztes, den Tinnitusgrad zu bestimmen [2]. Im folgenden Fallbericht wird über einen Kläger berichtet, der eine Zunahme seines seit Jahren bestehenden Tinnitus nach einem Arbeitsunfall angegeben hatte.



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Article published online:
29 December 2022

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  • Literatur

  • 1 Goebel G, Hiller W. Verhaltensmedizinische Diagnostik bei chronischem Tinnitus mit Hilfe des Tinnitus-Fragebogens (TF). Diagnostica 1994; 40: 155
  • 2 Feldmann H, Brusis T. Das Gutachten des Hals-Nasen-Ohrenarztes. 8. vollständige Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2019
  • 3 Lehnhardt E, Laszig R. Praxis der Audiometrie. 8. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2009
  • 4 Feldmann H. Tinnitus. 2. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 1998
  • 5 AWMF-Leitlinie (S3) „Chronischer Tinnitus“. AWMF-Register-Nr. 017/064. Aktueller Stand: 09/2021
  • 6 Nelting M. Hyperakusis. Stuttgart: Thieme; 2003
  • 7 Paulsen R. Spitzenschalldruckpegel bei Arbeitsunfällen mit Knallereignissen. Lärmbekämpfung Bd. 6. 2012: 230-237
  • 8 Mrowinski D, Scholz G, Steffens Th. Audiometrie. 5. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2017
  • 9 Brusis T, Michel O. Die Bewertung von Tinnitus in der gesetzlichen Unfallversicherung. Laryngo-Rhino-Otol 2009; 88: 449-458
  • 10 Brusis T. Aus der Gutachtenpraxis: Beurteilung und MdE-Einschätzung des lärmbedingten Tinnitus. Laryngo-Rhino-Otol 2014; 93: 787-791
  • 11 Michel O. in Hesse G.: Begutachtung von Tinnitus. 2. Aufl.. Stuttgart: Thieme; 2017
  • 12 Streppel M, Brusis T. Aggravation und Simulation in der Begutachtung. HNO 2010; 58: 126-131
  • 13 Michel O. Ohrgeräusche zutreffend begutachten: Möglichkeit, Plausibilität und Wahrscheinlichkeit. Laryngo-Rhino-Otol 2021; 100: 698-700