Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2721-0306
Kommentar zu „Kurzdarmsyndrom & Darmversagen: Teduglutid im praktischen Einsatz“
Authors
Diese Arbeit stellt mit 3350 erwachsenen Patienten aus 49 Zentren und 19 Ländern die bislang größte Real-World-Analyse zu Teduglutid bei Kurzdarmsyndrom mit Darmversagen (SBS-IF) dar. Die Ergebnisse liefern eine praxisnahe Bestätigung der Wirksamkeit von Teduglutid hinsichtlich des klinischen Outcomes und jenseits randomisierter kontrollierter Studiendesigns. Ferner unterstreichen sie die Bedeutung erfahrener Behandlungszentren sowie die Vorteile einer Zentralisierung der Versorgung bei dieser seltenen und komplexen Erkrankung.
In der Analyse zeigte sich, dass Patientinnen und Patienten in der Teduglutid-Gruppe häufiger eine jejunokolische Anastomose aufwiesen, seltener ein Stoma und weniger Komorbiditäten hatten, jünger waren und insgesamt länger vor Therapiebeginn heimparenteral ernährt wurden – Hinweise auf eine stabilisierte klinische Situation und eine gezielte Patientenselektion. Die Studie zeigt somit eindrücklich, dass der Einsatz von Teduglutid im klinischen Alltag deutlich selektiver erfolgt als in randomisierten kontrollierten Studien. Neben diesen medizinischen Kriterien könnten auch Aspekte zu möglichen Kostenerstattungsproblemen und die Erreichbarkeit der Patienten für eine engmaschige Überwachung die Therapieentscheidung beeinflussen.
Besonders bemerkenswert: In Zentren mit hoher Fallzahl (≥10 mit Teduglutid behandelte Fälle) war der Anteil an Patienten, die von der häuslichen parenteralen Ernährung (HPN) entwöhnt werden konnten, sowohl in der Kontrollgruppe als auch in der Teduglutidgruppe höher. Zudem zeigte sich in diesen Zentren in der Kontrollgruppe eine niedrigere Mortalität. Die Effektstärke im Vergleich zur Kontrollgruppe war jedoch moderat, was die zentrale Rolle spezialisierter Betreuung zusätzlich betont. Aus unserer langjährigen klinischen Erfahrung in der Betreuung von Kurzdarm-Patientinnen und -Patienten können wir die Kernaussage dieser Arbeit bestätigen: Die Betreuung in spezialisierten Referenzzentren, in denen multidisziplinäre medizinische und ernährungswissenschaftliche Expertise, strukturierte Verlaufskontrollen und effektives Komplikationsmanagement zusammenfließen, ist entscheidend für den Therapieerfolg.
In der Praxis scheint für viele Behandelnde weniger die in Studien häufig genutzte relative Reduktion des parenteralen Supports um≥20% ausschlaggebend zu sein, sondern vielmehr eine hohe Wahrscheinlichkeit zur vollständige HPN-Entwöhnung. Diese Fokussierung birgt jedoch das Risiko, dass Patientinnen und Patienten mit komplexerer anatomischer und pathophysiologischer Ausgangslage, einem höheren Bedarf an parenteralem Support und dadurch bedingter Notwendigkeit für ein engmaschiges Monitoring der klinischen Situation im Behandlungsverlauf, keinen Zugang zu einer potenziell wirksamen Therapie erhalten. Für diese Gruppe sollte das Therapieziel ebenso darin bestehen, durch Teduglutid und strukturierte Betreuung zumindest einzelne HPN-freie Tage oder eine Reduktion der Infusionsvolumens zu erreichen, um Lebensqualität und Prognose zu verbessern.
Die Ergebnisse verdeutlichen den Bedarf an langfristigen Beobachtungsdaten zur Teduglutid-Anwendung, um Indikationsstellung, gesundheitsökonomische Rahmenbedingungen und patientenspezifische Auswahlkriterien künftig noch gezielter beurteilen und definieren zu können. Zudem sollten zukünftige Studien nicht nur „Responder“-Profile identifizieren, sondern auch Konzepte zur optimalen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit ungünstigeren Ausgangsbedingungen entwickeln. Ergänzend könnten telemedizinische Strukturen und standardisierte Verlaufsprotokolle dazu beitragen, die Expertise spezialisierter Referenzzentren auch in peripheren Regionen verfügbar zu machen.
Publication History
Article published online:
05 December 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
