Zeitschrift für Komplementärmedizin 2010; 2(6): 1
DOI: 10.1055/s-0030-1250571
zkm | Editorial

© Hippokrates Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Naturheilkunde und Dermatologie

Rainer Stange
Further Information

Publication History

Publication Date:
25 November 2010 (online)

Nur selten sind sich Arzt und Patient in der Beurteilung eines Behandlungserfolgs so einig wie in der Dermatologie: Veränderungen zum Guten wie zum Schlechten sind nicht zu übersehen und kaum diskutabel, selbst der nur subjektiv wahrnehmbare Juckreiz meist an seinen Spuren erkennbar. Labor, bildgebende Verfahren, Histopathologie spielen nach erfolgter Diagnose für die Behandlung keine Rolle mehr. Sind Hautkrankheiten deshalb auch für naturheilkundliche Ansätze ein dankbares Arbeitsgebiet?

Mit Sicherheit, denn die meisten Patienten mit chronischen Dermatosen sind nach einer gewissen Zeit die therapeutische Monotonie der konventionellen Dermatologie leid und wenden sich frustriert anderen medizinischen Experten zu – wenngleich nicht unbedingt eine optimale Ausgangssituation, stellt dies in jedem Fall eine anzunehmende Herausforderung dar! Insbesondere zur weitverbreiteten „Kortisonmüdigkeit“ bei ekzematösen Hauterkrankungen, die jeder Arzt kennt.

In einer nicht mehr ganz neuen Übersicht kommen Ernst et al. zu dem Schluss, dass 35–69 % aller Patienten mit Hautkrankheiten „CAM“ nutzen, in erster Linie Phytotherapeutika und Nahrungsergänzungsmittel [1]. Dies entspricht den Anteilen, die für chronische Erkrankungen regelmäßig und weltweit in auffälliger Übereinstimmung recherchiert werden. Eine aktuelle und detaillierte Beschreibung hiesiger dermatologischer Patienten hierzu steht leider aus. Dennoch dürften als häufig in Anspruch genommene Verfahren mikrobiologische Therapie, Ernährung und Fasten, umstimmende Verfahren, insb. Eigenblut, Homöopathie und Phytotherapie gelten. Zu letzterer hat sich nahezu zeitgleich zur vorliegenden Zeitschrift deren führendes deutschsprachiges Organ in einem Schwerpunkt geäußert und u. a. verblüffende neue Indikationen für altbekannte Heilpflanzen aufgezeigt [2]. Dass darüber hinaus exotische Pflanzen noch ungeahnte Potenziale besitzen, zeigt exemplarisch das ausführliche Arzneipflanzenporträt zu Aloe vera in dieser Ausgabe.

Der naturheilkundliche Ansatz bei Hautkrankheiten war mehr noch als in anderen Gebieten von jeher der vielstrapazierte „ganzheitliche“, forderte er doch in jedem Fall die Berücksichtigung des Magen-Darm-Trakts, der Psyche sowie möglicher Beherdungen. Diesem versuchen wir mit mehreren Beiträgen gerecht zu werden.

Hierzulande wurden solche Konzepte vielfach belächelt, einige finden mittlerweile jedoch in der internationalen medizinischen Forschung Akzeptanz, entsprechende klinische Studien werden durchgeführt. Gemäß einer gründlichen, gerade erschienenen Übersichtsarbeit konnte bsw. in 6 von 9 randomisierten, placebokontrollierten Studien eine Prophylaxe mit mikrobiologischen Präparaten in der Schwangerschaft die frühkindliche Disposition zu Neurodermitis reduzieren; für die entsprechende pädiatrische Therapie fällt dagegen das Urteil uneinheitlich aus [3].

Wie reagiert die Dermatologie auf diese Entwicklungen? Offiziell bislang praktisch gar nicht! Im Unterschied zu manch anderer Fachrichtung gibt es innerhalb der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und auf ihren Tagungen noch keine entsprechende Sektion. Dermatologen tragen selten eine Zusatzbezeichnung aus den Bereichen Naturheilverfahren oder Komplementärmedizin, wenngleich nach einer Umfrage der Anteil der Fachärzte mit Interesse hierfür und einem eigenen Therapieangebot dem der Hausärzte nur wenig nachsteht. Outen sie sich nur weniger? Höchste Zeit für eine intensivere Kontaktaufnahme, aber ohne ekzematöse Folgen!

Rainer Stange, Berlin

  • 1 Ernst E, Pittler M H, Stevinson C. Complementary/alternative medicine in dermatology: evidence-assessed efficacy of two diseases and two treatments.  Am J Clin Dermatol. 2002;  3 341-348
  • 2 Zeitschrift für Phytotherapie. 2010;  Ausgabe 4
  • 3 Fölster-Holst R. Probiotics in the treatment and prevention of atopic dermatitis.  Ann Nutr Metab. 2010;  57 (Suppl. 1) 16-19
    >