Sprache · Stimme · Gehör 2000; 24(1): 25-33
DOI: 10.1055/s-2000-11068
Schwerpunktthema
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Sängeratmung

Eine Betrachtung aus pädagogischer SichtBreathing While Singing - A Paedagogic ReviewG.  Faulstich
  • Hochschule für Musik und Theater Hannover
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Zusammenfassung

Für das Singen, insbesondere aber für die Ausübung des Kunstgesanges, wurde eine richtige Atmung schon immer als unabdingbare Voraussetzung angesehen. Diese optimal zu vermitteln, bedarf es jedoch der praktischen Unterweisung. Die kinästhetischen und auditiven Empfindungen der Sänger sind ebenso wie ihre Assoziations- und Bilderwelt so individuell angelegt und ausgeprägt, dass nur im persönlichen Kontakt zwischen Schüler und Lehrer die Gefahr von Missverständnissen gebannt ist.

Die Bedeutung des Atmens aber für das menschliche Leben muss über den eher mechanischen Aspekt einer Atem-„Technik” zum Zwecke der Tonbildung hinaus viel umfassender gesehen werden: Gutes Atmen ist Voraussetzung für körperliche und seelische Gesunderhaltung wie auch Träger der zum Musizieren erforderlichen emotionalen, sprachlichen und klanglichen Seiten der Musik.

Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass alle Einzelaspekte einer optimalen Atmung immer wieder erkannt wurden und auch Gegenstand des Unterrichts waren, dass es aber offenbar fast unmöglich ist, das Netzwerk aus physiologischen Abläufen, emotionalen und musikalischen Komponenten im Zusammenspiel mit der jeweiligen Sängerpersönlichkeit in eine allgemeingültige Unterrichtsanleitung umzumünzen. In Anbetracht der Tatsache, dass dieses Netzwerk weit eher von variablen Faktoren als von Konstanten bestimmt wird, liegt es nahe, in der Formulierung von Eckpunkten eine Abgrenzung zwischen „besser” und „schlechter” bzw. zwischen „richtig” und „falsch” vorzunehmen. In diesem klaren Handlungsrahmen bleibt dann noch genügend Spielraum für individuelle Vorgehensweisen.

Correct breathing has always been considered an absolute prerequisite of singing, especially of artistic singing. Effective practical procedures are absolutely necessary for teaching breathing technique successfully. The kinasthetic and auditive sensations experienced by singers are as unique to himself/herself as his/her associations and images. A methodology based both on objective principles and on personal contact between the teacher and the student will avoid potential misunderstandings.

Breathing is more than the mechanical aspect of techniques used for the purpose of creating tone: good breathing is the prerequisite for preserving physical and emotional health; it is also the carrier of the emotional, tonal and linguistic aspects of making music.

The study of the history of vocal paedagogy shows that all aspects of good breathing have repeatedly been understood and incorporated into vocal teaching, but also that it seems almost impossible to find plausible instructions for this network of physiological processes, emotional and musical components incorporated in the singer’s personality. Since there are more variable factors than there are constants determining this network, it is more helpful to differentiate between „better” or „worse” and „right” or „wrong” in formulating the cornerstones of breathing technique. Even if we can create a clear framework, there will still be enough room for individual methodology.

The main body of the article has three sections:

A didactic analysis explains the psychological and musical framework in which the singer applies his breathing technique.

A look at the history of vocal teaching presents some methods of solving the breathing problem.

Finally, an individual approach to a modern methodology of teaching breath management is described.

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1 Die folgenden Ausführungen über die „Kunst des Bogenschießens” beruhen auf: Eugen Herrigel, Zen in der Kunst des Bogenschießens

Prof. Gerhard Faulstich

Hochschule für Musik und Theater

Emmichplatz 1

30175 Hannover

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