Klin Monbl Augenheilkd 2020; 237(09): 1107-1116
DOI: 10.1055/a-1186-2029
Klinische Studie

Differenzialdiagnose der erworbenen Esotropie im Alter

Article in several languages: English | deutsch
Bettina Roggenkämper
Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Köln
,
Antje Neugebauer
Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Köln
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Julia Fricke
Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Köln
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Andrea M. Hedergott
Zentrum für Augenheilkunde, Universität zu Köln, Medizinische Fakultät, Köln
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Zusammenfassung

Ziel der Studie Diese Studie soll einen Überblick über die im Alter auftretenden Formen der Esotropie geben und deren Differenzierbarkeit im klinischen Alltag erleichtern.

Methoden Die Daten aller Patienten, die sich von März 2014 bis Oktober 2015 aufgrund einer im Alter von über 50 Jahren neu aufgetretenen Esotropie mit Diplopie in der Ambulanz unseres universitären Schwerpunkts für Strabologie und Neuroophthalmologie vorstellten, wurden retrospektiv ausgewertet. Ausschlusskriterien waren eine bekannte, vor dem 50. Lebensjahr bestehende Schielerkrankung und/oder Vertikalabweichungen in Primärposition. Analysiert wurden anamnestische Charakteristika, Begleitbefunde und orthoptische Parameter.

Ergebnisse 85 Patienten konnten in die Studie eingeschlossen werden, davon 42 weiblich, 43 männlich. Folgende Diagnosen wurden gestellt: Abduzensparese (n = 34, davon 3 beidseits), Esotropie bei Myopia magna (n = 12), Esotropien mit neurologischer Begleitsymptomatik (n = 6), andere Genese (n = 5). In 4 Fällen war die Diagnose zum Ende der Studie noch unklar. Bei 24 Patienten bestand keine der o. g. Diagnosen, es wurde die Diagnose Esotropie im Senium im Sinne eines Sagging-Eye-Syndroms (ETSAG) gestellt. Die Abduzensparesen zeigten typischerweise einen plötzlichen Doppelbildbeginn, verlangsamte Abduktionssakkaden und asymmetrische Abduktionsfähigkeit. Bei einseitigen Abduzensparesen vergrößerte sich die Esotropie kontinuierlich vom Blick zur nicht betroffenen Seite über Primärposition bis zum Blick zur betroffenen Seite. Patienten mit ETSAG und myopieassoziierter Esotropie gaben hingegen einen schleichenden Doppelbildbeginn an, zeigten normale Abduktionssakkaden und eine symmetrisch leicht verminderte Abduktionsfähigkeit. Der Schielwinkel nahm häufig zu beiden Seiten hin geringfügig zu. Eine Esotropie mit neurologischer Begleitsymptomatik war selten und zeigte sich bei unterschiedlichen Grunderkrankungen.

Schlussfolgerung Die Art des Doppelbildbeginns, die Qualität der Sakkaden, das Inkomitanzverhalten sowie die Abduktionsfähigkeit sind wegweisende Parameter für die ätiologische Zuordnung einer im Alter aufgetretenen Esotropie. Die Charakteristika der einzelnen Diagnosen werden beschrieben und differenzialdiagnostische Gesichtspunkte diskutiert.



Publication History

Received: 09 February 2020

Accepted: 30 April 2020

Article published online:
20 August 2020

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