Klin Monbl Augenheilkd 2021; 238(10): 1084-1091
DOI: 10.1055/a-1617-3193
Übersicht

Dissoziative Sehstörungen bei Kindern und Jugendlichen

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Romuald Brunner
1   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Universität Regensburg, Deutschland
,
2   Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Regensburg, Deutschland
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Stephanie Kandsperger
1   Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, Universität Regensburg, Deutschland
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Zusammenfassung

Psychogene Störungen der Sehfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen sind eine nicht selten anzutreffende Störung, mit der am Beginn der Störung vorrangig Augenärzte konfrontiert sind, da das Erscheinungsbild, wie bei anderen Störungen aus dem dissoziativen Krankheitsspektrum, ein neurologisches oder anderweitiges somatisches Krankheitsbild nahelegt. Charakteristisch erscheint der Verlust der Sehschärfe, Verschwommensehen oder eine Gesichtsfeldeinschränkung – oft beschrieben als ein Tunnelsehen. Kennzeichnend sind ein häufig plötzlicher Beginn, nicht selten im zeitlichen Zusammenhang von belastenden Lebensereignissen eines weiten Spektrums (Schulversagen, familiäre Konflikte, Unfälle). Während bei einem Großteil der betroffenen Kinder die Symptomatik zügig rückläufig ist, zeigt ein substanzieller Anteil der Kinder eine anhaltende Symptomatik oder einen fluktuierenden Verlauf. Die diagnostischen Prozesse und das Behandlungsvorgehen sind durch das Fehlen von Wirksamkeitsüberprüfungen spezifischer Therapieverfahren von großer Unsicherheit geprägt. Differenzialdiagnostische Abgrenzungen einer dissoziativen Sehstörung von organmedizinischen Erkrankungen setzen eine besondere fachliche Expertise voraus. Die Unsicherheit von Ärzten der Augenheilkunde, aber auch der unterschiedlichen involvierten Fachdisziplinen im Umgang mit diesem Krankheitsbild trägt nicht selten zur Verzögerung einer fachspezifischen Behandlungsaufnahme bei oder auch zur Aufnahme nicht adäquater Therapieversuche, die auch die Gefahr einer iatrogenen Schädigung in sich bergen. Dieser Artikel beschreibt vorrangig die psychiatrische störungsspezifische Diagnostik sowie die somatische Differenzialdiagnostik und skizziert die therapeutischen Prinzipien der dissoziativen Sehstörung.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 01. August 2021

Angenommen: 26. August 2021

Artikel online veröffentlicht:
18. Oktober 2021

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