Klin Monbl Augenheilkd 2011; 228(8): 665
DOI: 10.1055/s-0031-1281645
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

IOL-Implantation unter dem Aspekt von Presbyopiekorrektur und refraktivem Ergebnis

IOL Implantation with Regard to Correction of Presbyopia and Refractive OutcomeT. Kohnen1
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Publication Date:
11 August 2011 (online)

Das diesjährige Themenheft „Katarakt & Linse” spannt einen Bogen zwischen Diagnostik und Therapie von Refraktionsfehlern (Aphakie, Myopie, Presbyopie) und dem grauen Star. Nachdem noch vor wenigen Dekaden schon das Einsetzen einer Kunstlinse nach Kataraktextraktion als die absolute Neuheit angesehen werden konnte, hat sich im Laufe der letzten Jahre die Entwicklung in der Therapie von Linsenveränderungen rasant fortentwickelt [1]. So ist besonders auffällig, dass Forschungsarbeiten zum Linsenersatz sich heute sehr häufig mit dem Thema der Presbyopie auseinandersetzen [2] [3]. Die Fähigkeit des Auges in verschiedenen Entfernungen scharf zu sehen, beruht auf der durch die Linse vermittelten Fähigkeit zur Brechkraftänderung (Akkommodation) sowie weiteren optischen Eigenschaften wie Wellenfrontfehler und Pupillenweite, die zur Schärfentiefe und Defokus-Toleranz des Auges beitragen (Pseudoakkommodation). In neuester Zeit sind vermehrt chirurgische Techniken zur Behandlung der Presbyopie entwickelt worden. In diesem Themenheft werden in einer Übersichtsarbeit von Klaproth et al. die Grundlagen der klinischen Evaluation und aktuelle Ergebnisse von sogenannten akkommodativen Intraokularlinsen (IOL) erläutert. Mögliche Verfahren zur Prüfung von Nahsehschärfe, Lesefähigkeit und akkommodativen Prozessen sowie Möglichkeiten, diese Tests so durchzuführen, dass zwischen akkommodativen und pseudoakkommodativen Effekten unterschieden werden kann, ist ein Hauptanliegen dieser Übersichtsarbeit. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wird auf die aktuelle Literatur zu den visuellen Ergebnissen nach Implantation potenziell akkommodierender IOL eingegangen.

Strebt man mit der Kunstlinsenimplantation neben der Fernkorrektur (Defokus und Astigmatismus) auch eine Korrektur der Alterssichtigkeit an, ist die postoperative Erhebung der Lesefähigkeit einer der wichtigsten Parameter, um die Wertigkeit dieser Linsen zu prüfen. In der Arbeit der Salzburger Arbeitsgruppe um Dexl zum Einsatz des Salzburger Reading Desk für die Presbyopie und Akkommodationsforschung wird dieses Gerät explizit vorgestellt. Da die Fähigkeit des Lesens viel mehr umfasst, als lediglich einzelne Optotypen unterscheiden zu können, stellen Parameter wie die Lesegeschwindigkeit oder die kleinste Druckgröße, bei der noch flüssiges Lesen möglich ist, wichtige Ergänzungen der reinen Nahvisusevaluation dar.

Der Einsatz von Kunstlinsen beschränkt sich selbstverständlich heute nicht nur auf den Ersatz der menschlichen Linse, sondern er wird im refraktiv-chirurgischen Bereich auch zur Korrektur von hohen Refraktionsfehlern mit sogenannten „phaken” IOL eingesetzt. Über die Vor- und Nachteile der phaken IOLs gegenüber hornhautchirurgischen Maßnahmen ist man sich heute in vielen Fällen klar [4] [5] [6]. Die Berechnung der entsprechenden Kunstlinse basiert nicht wie die Berechnung einer Hinterkammerlinse nach Linsenextraktion auf Achsenlänge und Hornhautbrechkraft, sondern stützt sich im Wesentlichen auf die Refraktion. In den vorgelegten Arbeiten von Eppig et al. wird für die Berechnung phaker IOL, analog zu torischen IOLs, eine Matrixmethode angewendet (LPhakicIOL). Mit diesem frei verfügbaren Softwarewerkzeug kann laut der Autoren eine eigene Berechnung für phake IOL schnell und nachvollziehbar durchgeführt werden.

Ebenso wie nach refraktiven hornhautchirurgischen Maßnahmen ist auch die Vorhersagbarkeit von Kunstlinsenberechnungen bei Kataraktextraktionen nach Hornhauttransplantationen eine echte Herausforderung. In dem Artikel von Dietrich et al. wird dargelegt, dass das refraktive Ergebnis der Kataraktoperation nach penetrierender Keratoplastik bei minimaler Abweichung des Mittelwerts von der Zielrefraktion eine größere Streubreite zeigt. Sind zum Zeitpunkt der Biometrie alle Hornhautfäden entfernt, so wird die Treffsicherheit der Kunstlinsenberechnung verbessert.

Die Anwendung von IOL wird, wie die vorgelegten Arbeiten zeigen, komplexer. Forschungsarbeiten auf diesen Gebieten erhöhen unser Wissen und führen zu besseren Ergebnissen für unsere Patienten. Ich wünsche Ihnen bei der Lektüre der Arbeiten zum Themenheft „Katarakt & Linse” in den Klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde viele neue Erkenntnisse und viel Freude und Vergnügen.

Literatur

  • 1 Kohnen T, Baumeister M, Kook D et al. Cataract surgery with implantation of an artificial lens.  Dtsch Arztebl Int. 2009;  106 695-702
  • 2 Baumeister M, Kohnen T. Akkommodation und Presbyopie: Teil 1: Physiologie der Akkommodation und Entwicklung der Presbyopie.  Ophthalmologe. 2008;  105 597-608 ; quiz 609 – 610
  • 3 Baumeister M, Kohnen T. Akkommodation und Presbyopie: Teil 2: Operative Verfahren zur Presbyopiekorrektur.  Ophthalmologe. 2008;  105 1059-1073 ; quiz 1074
  • 4 Kohnen T. Refraktive Chirurgie. 1 ed Heidelberg: Springer Verlag; 2011
  • 5 Guell J L, Morral M, Kook D et al. Phakic intraocular lenses part 1: historical overview, current models, selection criteria, and surgical techniques.  J Cataract Refract Surg. 2010;  36 1976-1993
  • 6 Kohnen T, Kook D, Morral M et al. Phakic intraocular lenses: part 2: results and complications.  J Cataract Refract Surg. 2010;  36 2168-2194

Prof. Dr. Thomas Kohnen, FEBO

Klinik für Augenheilkunde, Goethe-Universität

Theodor-Stern-Kai 7

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Phone: ++ 49/69/63 01 39 45

Email: kohnen@em.uni-frankfurt.de

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