Eur J Pediatr Surg 2011; 21(04): 278-282
DOI: 10.1055/s-0031-1284410
Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft fìr Kinderchirurgie
George Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie

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Publication Date:
12 August 2011 (online)

Mitteilungen des Präsidenten

Sehr geehrte Kolleginnen,

sehr geehrte Kollegen,

ich möchte Ihnen über einige relevanten berufspolitischen Sachverhalte unserer Fachgesellschaft berichten. Ausgangspunkt für diesen Bericht ist das Konsultationstreffen der Leitenden KinderchirurgInnen Deutschlands, gemeinsam mit den Vertretern des Berufsverbandes der niedergelassenen Kinderchirurgen und Kinderchirurginnen. Das Treffen fand in Bonn statt und es haben ca. 50 KinderchirurgInnen an diesem Treffen teilgenommen. Die Organisation wurde von Herrn Prof. Boemers, Köln, in Zusammenarbeit mit dem Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie, vorgenommen und in diesem Sinne möchte der Vorstand Herrn Prof. Boemers für die außerordentlich gute Organisation des Treffens danken.

Die inhaltlichen Schwerpunkte waren das Durchgangsarzt-Verfahren in der Kinderchirurgie, die Subspezialisierung und Zertifizierungen der Kinderchirurgie, der Stellenwert der ambulanten Kinderchirurgie innerhalb unserer Bundesrepublik mit einem Fokus auf Datenerhebung und Kooperationsmodellen mit den Zentren, die Zentralisierung der Kinderchirurgie unter Berücksichtigung des GBA-Beschlusses Neonatologie, der Krankenhausmarkt im Wandel der Zeit und schließlich auch historische Aspekte unserer Fachgesellschaft.

Das Durchgangsarzt-Verfahren wurde gemeinsam mit Herrn Markus Oberscheven als Vertreter der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung diskutiert. Grundsätzlich wurde festgehalten, dass das DA-Verfahren für den Bereich Kinderchirurgie im Jahr 2012 restrukturiert wird. Aktuell gilt noch der Zulassungskatalog vom 01.01.2005. Schwer-punkte der Diskussion waren Altersgrenzen im Kindesalter, Mindestmengenregelung für das DA-Verfahren, die Fortbildungspflicht für D-Ärzte und das Verletzungsartenverfahren auf der Grundlage eines von der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie entwickelten Operationskataloges. Im Weiteren wurde festgestellt, dass für die Behandlung von Schwerverletzten ein neuer Kriterienkatalog, der vor allem auf strukturellen Grundlagen beruht, erarbeitet werden muss. In einer intensiven Diskussion wurden die verschiedenen Standpunkte erörtert und letztlich haben sich unsere Fachgesellschaft und die Vertreter der Tagung für einen dezidierten Operationskatalog im Sinne der Qualitätssicherung bei der Behandlung von Kindern ausgesprochen. Dieser Operationskatalog sollte in Zukunft Gültigkeit sowohl für die Unfallchirurgen als auch für die Kinderchirurgen haben. Aus unserer Sicht wurde in dieser Sitzung die Position unserer Fachgesellschaft zum Problem des DA-Verfahrens klar dargelegt und wir sind optimistisch, dass bei der Überarbeitung des DA-Verfahrens im Kindesalter diese Dinge Berücksichtigung finden. In der Diskussion blieb offen, ob es in Zukunft einen spezifischen D-Arzt für das Kind gibt oder nicht.

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung war die Subspezialisierung und Zertifizierung in der Kinderchirurgie. Durch Herrn Prof. Schmittenbecher, Karlsruhe, wurde sehr ausführlich der Stand der Musterweiterbildungsordnung mit den verschiedenen Möglichkeiten der Subspezialisierung in der Kinderchirurgie erläutert. Herr Prof. Stehr, München, ist im Detail nochmals auf die Subspezialisierung und Zertifizierung der Kinderurologie in Deutschland und Europa eingegangen. Letztlich wurden erste Module für die Musterweiterbildungsordnung vorgestellt und diskutiert. Dabei hat sich das Modul Kindertraumatologie im Wesentlichen dem vorgeschlagenen Operationskatalog für das DA-Verfahren angeglichen. Ein erster Entwurf in der kinderurologisch spezifischen Weiterbildung zeigt, dass hier eine sehr enge Anlehnung an die Richtlinien der ESPU vorgenommen wurde. Das Signal vonseiten der Teilnehmer war relativ eindeutig und sprach sich für die Weiterentwicklung der Subspezialisierung der Kinderchirurgie in einem modularen System aus. Inwiefern diese Sachverhalte von der Bundesärztekammer Berücksichtigung finden, bleibt offen. In jedem Fall steht jedoch eine Restrukturierung der Weiterbildung innerhalb der nächsten 5–8 Jahre an und unsere Fachgesellschaft sollte hier eine klares Weiterbildungskonzept vorlegen können.

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie ist die einzige Fachgesellschaft innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, die derzeit keine Zertifizierung auf der Basis einer Qualitätssicherung vornimmt. Aus Sicht der Vorstandes der Fachgesellschaft, aber aus der Sicht vieler Chefärzte, ist es dringend notwendig, die Behandlungsqualität von Kindern zu erfassen, um hier über eine Zertifizierung auch die einzelnen Zentren in wirklicher Weise in Kompetenz-, Referenz- und Exzellenzzentren zu unterteilen. In diesem Zusammenhang wurde von Herrn Prof. Jost als Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie, ein sehr innovativer Vortrag gehalten und er hat für unsere Fachgesellschaft zahlreiche Anregungen gegeben. Es herrschte Konsens darüber, dass für den Bereich der Neugeborenen- und Fehlbildungschirurgie eine solche Qualitätssicherungsstudie und Zertifizierung in Angriff genommen werden sollte. Federführend soll hierbei Herr Prof. Boemers aus dem Kinderkrankenhaus der Kliniken Stadt Köln verantwortlich sein. Herr Prof. Boemers wird eine Arbeitsgruppe etablieren und innerhalb eines Jahres ein klares Konzept für eine solche Qualitätssicherungsstudie mit anschließender Zertifizierung vorlegen.

In der politischen Außendarstellung unseres Fachgebietes ist es schwierig gegenüber den Gesundheitspolitikern, Krankenkassen und anderen Organisationen beziehungsweise Verbänden mit Zahlen und konkreten Angaben zur Strukturqualität unseres Fachgebietes zu argumentieren. In der Vergangenheit wurden immer wieder oberflächliche Erhebungen von Diagnosegruppen durchgeführt, um ein Abbild der Kinderchirurgie in unserem Land zu erhalten. Leider war hierbei die Qualität der Daten oft nicht ausreichend und auch quantitativ gab es deutliche Verfälschungen unter Berücksichtigung von den bekannten Inzidenzraten, gerade im Bereich der Fehlbildungschirurgie. Diese Daten werden aber dringend benötigt, damit hier für unser Fachgebiet entsprechende Interessen durchgesetzt werden können. In der Diskussion wurde deutlich, dass die üblichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser das Leistungsspektrum der einzelnen Kinderchirurgien nicht ausreichend reflektieren. Das gleiche gilt für die sogenannte „Weiße Liste“. Hier sind oft erhebliche Fehlerangaben vorhanden und gleichzeitig fällt die Datenerhebung schwer, da bei angeborenen Fehlbildungen die Klinik oder Abteilung für Kinderchirurgie oft nicht die entlassende Abteilung ist und damit diese Patienten nicht adäquat für das Fachgebiet erfasst werden. Herr Chefarzt Dr. Göbel, Halle, wurde damit beauftragt ein System der anonymen Datenerhebung zu erarbeiten und ich verweise auf seinen gesonderten Bericht in dieser Ausgabe der Mitteilungen. Im Gegenzug wurde durch Herrn Dr. Deindl, Nürnberg, deutlich gemacht, dass die Datenerhebung in der Kinderchirurgie im ambulanten Bereich exzellent funktioniert und pro Jahr in unserem Land ca. 75 000 Kinder durch niedergelassene Kinderchirurgen operiert werden.

Die Zentralisierung der Kinderchirurgie auf der Grundlage des GBA-Beschlusses wurde von Herrn Prof. Dr. Ludwig Gortner, Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum Homburg/Saar, erläutert. Sehr ausführlich wurden die Nachteile der aktuellen GBA-Beschlüsse diskutiert und auch von unserer Seite kritisiert, dass es zu viele kleine Abteilungen für Kinderchirurgien gibt, die letztlich nur für die Erfüllung der GBA-Kriterien, Level I, geschaffen wurden. Unmissverständlich wurde klar, dass eine Überarbeitung des GBA-Beschlusses ansteht, wobei derzeit nicht gesagt werden kann, wie dieser GBA-Beschluss nach dem Gerichtsbeschluss in Brandenburg verändert wird. Vonseiten der Kinderchirurgie wurde vor allem darauf hingewiesen, dass die Wegezeiten für Kooperationspartner erhöht werden müssen und hier letztlich auch die kooperierenden Kinderchirurgien hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit bei entsprechenden Kooperationsverträgen überprüft werden sollten.

Herr Prof. Höppner, München, hat einen sehr beeindruckenden Vortrag zu den historischen Aspekten der Deutschen Kinderchirurgie gehalten. Er legte nochmals dar, wie sich das Fachgebiet Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelt hat und die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie gegründet wurde. Im Besonderen wurde auf die Persönlichkeiten von Richard Drachter und Ilse Krause eingegangen, damit eine allgemeine Kenntnis über die historischen Aspekte beider Persönlichkeiten und der mit ihnen verbundenen Preise besteht. Gleichzeitig erörterte Herr Höppner auch die Entwicklung der deutschen Kinderchirurgie in der ehemaligen DDR und letztlich die Fusion beider Fachgesellschaften.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass diese Tagung nicht nur exzellent organisiert war, sondern auch durch eine innovative Diskussion unter dem Aspekt der Restrukturierung der Kinderchirurgie geprägt war. Es haben zahlreiche Kollegen Aufgaben in diesem Bereich übernommen und liefern damit bereits Diskussionsstoff für die kommende Tagung im Jahr 2012.

Als Präsident der Fachgesellschaft möchte ich allen Beteiligten und insbesondere dem Organisator, Herrn Prof. Boemers, danken und meine Zuversicht für die Lösung der bevorstehenden Aufgaben ausdrücken.

Ich möchte Sie noch ganz herzlich zur 107. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin sowie zur 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie in Bielefeld einladen. Herr Prof. Tröbs hat hier ein sehr interessantes klinisches und wissenschaftliches Programm organisiert. Außerdem werden im Rahmen dieser Jahrestagung der Ilse-Krause-Nachwuchs-Preis, der John-Herbie-Johnston-Preis und die Rehbein-Ehrenmedaille der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie verliehen. Wir führen ebenfalls unsere Mitgliederversammlung der DGKCH durch und erwarten hier eine rege Teilnahme Ihrerseits und eine offene Diskussion.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. med. Jörg Fuchs

Präsident der DGKCH

 
  • References

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