Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 730
DOI: 10.1055/s-0039-1694562
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Gibt es Versorgungsunterschiede zwischen gesetzlich und privat Versicherten? Ein Scoping Review nationaler Forschungsergebnisse

J Klein
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie (IMS), Hamburg
,
O von dem Knesebeck
1   Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Medizinische Soziologie (IMS), Hamburg
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Trotz anhaltender kontroverser Diskussionen zu „Zweiklassenmedizin“ bzw. Versorgungsungleichheiten nach Versichertenstatus, gibt es keine aktuelle systematische Übersicht über den Forschungsstand in Deutschland zu dieser komplexen Thematik.

Methode:

In der Überblicksarbeit wurden sukzessive verschiedene Datenbanken (PubMed, Livivo, Publikationsserver des Robert-Koch Instituts und der Gesundheitsberichterstattung der Bundes, des Gesundheitsmonitors sowie Verlagsdatenbanken) systematisch nach relevanten Publikationen im Zeitraum 2009 bis 2019 durchsucht. Die Studienergebnisse wurden gemäß eines Analyseschemas nach unterschiedlichen Aspekten (Zugang, Inanspruchnahme, Qualität) sowie Bereichen der Versorgung (u.a. ambulante und stationäre Diagnostik und Therapie, Präventionsmaßnahmen) differenziert und auf Ungleichheiten zwischen privat und gesetzlich Versicherten überprüft.

Ergebnisse:

Die systematische Recherche ergab insgesamt 71 relevante Publikationen. Die Befunde zeigen, dass in Deutschland Versorgungsungleichheiten nach Versichertenstatus bestehen, jedoch diese stark in Abhängigkeit von Versorgungsbereich und -aspekt variieren. Insbesondere hinsichtlich des Zugangsindikators Wartezeit, der Inanspruchnahme von Fachärzten und Alternativmedizin sowie Indikatoren zur Prozessqualität (u.a. Arzt-Patienten Interaktion, Verabreichung bestimmter Medikamente) sind Benachteiligungen zuungunsten gesetzlich Versicherter zu verzeichnen. Dagegen treten z.B. bei Vorsorge und Früherkennung, Impfungen sowie Indikatoren der Ergebnisqualität kaum Ungleichheiten bzw. inkonsistente Muster zutage.

Diskussion:

Auch wenn Ungleichheiten in der Patientenversorgung zwischen gesetzlich und privat Versicherten in Deutschland existieren, ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Zu klären ist zudem die Gesundheitsrelevanz, d.h. ob durch Ungleichheiten in der Versorgung gesundheitliche Unterschiede zwischen gesetzlich und privat Versicherten zu erklären sind und inwiefern Unterschiede in der Inanspruchnahme Ausdruck ungleicher Präferenzen oder Möglichkeiten sind. Überdies ist zu bedenken, dass Versorgungsungleichheiten auch bei Stichproben mit ausschließlich GKV-Versicherten schon mehrfach identifiziert wurden.