Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 731
DOI: 10.1055/s-0039-1694564
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verantwortlich forschen: Herausforderungen bei der Erhebung und Kommunikation von Daten im Bereich Migration und Gesundheit

K Kajikhina
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
N Sarma
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
,
C Santos-Hövener
1   Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Aus unserer Position als Forschende im Bereich Migration und Gesundheit ergibt sich eine ethische und gesellschaftliche Verantwortung, denn Forschungsergebnisse und verwendete Kategorien können zur Konstruktion von vermeintlicher „Fremdheit“ und „Andersartigkeit“ (othering) von Menschen mit Migrationsgeschichte beitragen. Im gesamten Forschungsprozess von der Konzeption und Datenerhebung bis hin zur Kommunikation der Forschungsergebnisse kann Diskriminierung und Stigmatisierung stattfinden. Eine Reflexion der angewandten Methoden, Forschungsziele und Kommunikationsgrundsätze ist daher für die Erfüllung des Nicht-Schädigungsprinzips in der Forschung notwendig.

Methoden:

Im Rahmen des IMIRA-Projekts (Improving Health Monitoring in Migrant Populations) führten wir eine Bestandsaufnahme bekannter Literatur und Empfehlungen zu ethischen Grundsätzen und Verwendung von migrationsbezogenen Konzepten durch. Mit dem Ziel einer kritischen Reflexion fand des Weiteren ein interdisziplinärer Austausch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschungseinrichtungen statt.

Ergebnisse:

Eine antidiskriminierende Forschung beinhaltet die kritische Hinterfragung verwendeter Kategorien und Konzepte, Reflexion der eigenen Position sowie Partizipation entsprechender Personengruppen. Eine differenzierte Erfassung von relevanten Dimensionen ermöglicht eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen sozialen Kategorien über den „Migrationshintergrund“ hinaus wie Herkunft, Geschlecht, Einkommen, Aufenthaltsstatus, Diskriminierung. Die öffentliche Kommunikation von Forschungsergebnissen sollte stets im Hinblick auf die verwendete Terminologie und den inhaltlichen und gesellschaftlichen Kontext überprüft werden.

Diskussion:

Um Chancengleichheit und Teilhabe sicherzustellen, muss Ungleichheit in der Gesundheit und Gesundheitsversorgung sichtbar gemacht werden. Dazu gehört auch die Generierung von Daten zu und statistische Sichtbarmachung von Menschen mit Migrationsgeschichte. Insbesondere im Hinblick auf rechtspopulistische Kampagnen ist es wichtig, verstärkt die Folgen unserer Forschung für beforschte Populationen und den gesamtgesellschaftlichen Diskurs in den Blick zu nehmen und Marginalisierung, Stigmatisierung und Fehlinterpretationen zu vermeiden.