Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 750
DOI: 10.1055/s-0039-1694621
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kulturelle Vielfalt in der Geburtshilfe – Ergebnisse einer qualitativen Fallstudie zum Wandel körperbezogener Regeln und Routinen im Krankenhaus

V Krobisch
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
,
PT Sonntag
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
,
D Zakharova
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
,
L Schenk
1   Charité – Universitätsmedizin Berlin, corporate member of Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, and Berlin Institute of Health, Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft, Berlin
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Zuwanderung geht mit kultureller Vielfalt in der Gesellschaft einher. In Krankenhäusern interagieren Patient*innen und Mitarbeitende mit unterschiedlichen Körpernormen und -praktiken. Anhand von Ergebnissen einer qualitativen Fallstudie in der Geburtshilfe wird untersucht, wie solche Unterschiede im Klinikalltag zutage treten und den dortigen Alltag und Routinen verändern.

Methode:

In der Geburtshilfe eines großstädtischen Universitätskrankenhauses wurden teilnehmende Beobachtungen durchgeführt und 12 klinikinterne und -externe Mitarbeitende in Form von leitfadengestützten Interviews befragt, die durch ein non-probabilistisches Sampling-Verfahren ausgewählt wurden. Die protokollierten Beobachtungen und das transkribierte Interviewmaterial wurden mittels dokumentarischer Methode analysiert.

Ergebnisse:

Migrationsbedingte kulturelle Vielfalt wird von den Mitarbeitenden in der Geburtsklinik als der „Normalfall“ wahrgenommen. Im Klinikalltag dokumentieren sich fortgeschrittene Veränderungsprozesse, aber auch wiederkehrende Konflikte bei der Anwendung körperbezogener Regeln und Routinen. Auf informaler Ebene werden etwa religiös bedingte Kleidungspraktiken der Patientinnen selbstverständlich berücksichtigt oder Wünschen nach gleichgeschlechtlicher Versorgung im Rahmen personeller Möglichkeiten entsprochen. Hingegen unterliegt die formal festgelegte Begrenzung der Besucherzahl in den Patientenzimmern immer wieder Aushandlungs- und Durchsetzungsprozessen, die selbst routinehaften Charakter entwickeln.

Diskussion:

Über die mitunter bereits dokumentierten kulturell und religiös bedingten Körperthemen in der Geburtshilfe und stationären Versorgung (vgl. Kast 2017; Frattner et al. 2015; Hunt 2009) hinaus, geben unsere Ergebnisse Einblicke in damit verknüpfte, bislang noch unterbelichtete organisationale Veränderungsprozesse in Krankenhäusern.

Literatur:

Frattner M., Földy D., Fertl E. (2015): Mit Burka im Krankenhaus. psychopraxis.neuropraxis, 18: 7 – 10.

Hunt M. (2009): Process and Criteria for Evaluating Adaptations of Norms and Standards in Health Care Institutions. HEC Forum, 21(4): 327 – 339.

Kast M. (2017): Migrationsspezifische Hebammenarbeit. Die Hebamme, 30: 132 – 138.