Gesundheitswesen 2019; 81(08/09): 756
DOI: 10.1055/s-0039-1694641
Kongresstag 3: 18.09.2019
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Quo vadis Daten? Eine kritische Evaluation von quantitativen Erhebungsinstrumenten zu geschlechtlicher und sexueller Diversität

K Jacke
1   Humboldt Universität zu Berlin, Berlin
,
M Houben
2   Fachhochschule Dortmund, Dortmund
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Publication History

Publication Date:
23 August 2019 (online)

 

Einleitung:

Geschlechtliche und sexuelle Diversität werden in quantitativen Studien der (Gesundheits-)Forschung bislang selten ausreichend berücksichtigt. Noch immer operationalisieren viele Fragebögen Geschlecht im binären Schema von männlich/weiblich. Für die gesundheitlichen Lagen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, inter* und trans* Personen besteht ein grundlegendes Datendefizit und die Gefahr der Stereotypisierung. Die Einführung der Dritten Option im Personenstandsrecht weist hier aber für die Zukunft in eine neue Richtung. Der Impulsvortrag evaluiert eine Auswahl bestehender quantitativer Messinstrumente, die geschlechtliche und sexuelle Vielfalt zu integrieren versuchen. Zudem sollen die Potentiale neuer Ansätze für die Gesundheits- und Diskriminierungsforschung diskutiert werden.

Methoden:

Präsentiert werden die Zwischenergebnisse aus der Arbeit der AG „Methoden und Methodologien“ im „Netzwerk* geschlechtliche und sexuelle Diversität in Gesundheitsforschung und -versorgung“. Dafür wurden exemplarisch Messinstrumente der Gesundheits- und Diskriminierungsforschung vor dem Hintergrund theoretischer Erkenntnisse aus der intersektionalen Geschlechterforschung evaluiert.

Ergebnisse:

Die Erhebung von geschlechtlicher und sexueller Diversität als Fremdeinschätzung ist problematisch und ungenau, da sie dem Erleben der Befragten widersprechen kann. Die in der Geschlechterforschung erarbeiteten Theorien und Erkenntnisse zu geschlechtlicher und sexueller Diversität werden in der quantitativen (Gesundheits-)Forschung bislang unzureichend berücksichtigt. Die untersuchten Messinstrumente reproduzieren Geschlechterbinarität, Stereotype und Pathologien.

Diskussion:

Messinstrumente, die die Lebensrealitäten der Befragten in Bezug auf geschlechtliche und sexuelle Diversität erfassen, bedürfen einer angemessenen theoretischen Fundierung und der Berücksichtigung von Community-Wissensbeständen. Die Repräsentation der eigenen Lebensweise im Fragebogen scheint bedeutend für die Akzeptanz in den Zielgruppen zu sein. Offen bleibt, wie Studien so gestaltet werden können, dass sie auch die zur Auswertung benötigten Fallzahlen für kleine und oft marginalisierte Gruppen einschließen.