Gesundheitswesen 2017; 79(08/09): 605-612
DOI: 10.1055/s-0041-110673
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kooperation im Gesundheitswesen: Formative Evaluation des Modellprojekts Regionale Gesundheitskonferenzen in Bayern

Cooperation in Public Health: Formative Evaluation of the Model Project „Regional Health Conferences“ in Bavaria
A. Hollederer
1   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Nürnberg
,
K. Stühler
1   Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), Nürnberg
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Publication Date:
15 February 2016 (online)

Zusammenfassung

Ziel der Studie: Gesundheitskonferenzen bieten eine Möglichkeit zur besseren Kooperation und Steuerung im kommunalen Gesundheitsmanagement. Die explorative Evaluationsstudie hatte zum Ziel, die Strukturen, Prozesse und Ergebnisse von „Regionalen Gesundheitskonferenzen (RGK)“ in 3 Modellregionen zu bewerten, Hinweise auf Entwicklungspotenziale zu geben und die Übertragbarkeit auf andere Regionen zu prüfen.

Methodik: Am Ende der 18-monatigen Modellprojektphase (08/2013 bis 12/2014) wurde eine Vollerhebung bei 80 Teilnehmern der RGK in den 3 Regionen mittels eines teilstandardisierten Fragebogens durchgeführt. Die Rücklaufquote betrug 90%. Die Befunde wurden durch Dokumentenanalyse und separate Geschäftsstellenbefragung ergänzt.

Ergebnisse: Die RGK haben sich in den 3 Modellregionen zügig mit Geschäftsstelle und insgesamt 13 Arbeitsgruppen zur Gesundheitsversorgung etabliert. In der Perspektive fast aller Teilnehmer der RGK waren die Mitgliederzahl angemessen und alle wichtigen Akteure vertreten. Die Mehrheit beteiligte sich nach Einschätzung des Großteils der Befragten überwiegend aktiv und in der Regel hatte jeder Teilnehmer die gleichen Chancen, Themen einzubringen. Obwohl für knapp die Hälfte der Befragten Konflikte deutlich wurden, blieb die Atmosphäre für drei Viertel sehr konstruktiv. Die Wichtigkeit von Vorsitzenden und Geschäftsstellenleitern wurden ebenso wie der Einfluss der Moderatoren von nahezu allen Interviewten bestätigt. Fast alle stimmten zu, dass sich die RGK für die Optimierung der Gesundheitsversorgung und der Kooperation eignen. Aus Teilnehmersicht wurden überwiegend die wichtigsten Versorgungprobleme identifiziert. 94% der Befragten äußerten sich zustimmend, dass die bisherige Arbeit als erfolgreich eingeschätzt werden kann. Mit dem Verlauf der RGK waren 91% insgesamt zufrieden oder eher zufrieden. Während die Zufriedenheitsgrade zwischen den Modellregionen kaum divergierten, unterschieden sie sich aber deutlich zwischen den Akteursgruppen. 98% der Interviewten würden in Zukunft wieder teilnehmen.

Schlussfolgerung: Die RGK stellen nach den Rückmeldungen insgesamt eine gute Plattform für Koordination, Austausch und Zusammenarbeit der Akteure dar und haben sich als Kooperationsinstrument bewährt. Der Ansatz wird in Bayern im Rahmen des neuen Konzepts zu Gesundheitsregionenplus qualitativ und in der regionalen Reichweite ausgebaut.

Abstract

Aim of the study: Health conferences offer opportunities for better cooperation and coordination in local health management. The aim of the explorative evaluation study was to assess structures, processes and results of “Regional Health Conferences (RGK)” in 3 model regions, to inform about potential for development and to test their transferability to other regions.

Method: After the model project had been up and running for 18 months (08/2013 to 12/2014), a survey of 80 participants of the RGK in 3 regions was conducted, based on a semi-standardized questionnaire. The response rate was 90%. The results were complemented by document analysis and an additional survey of the managers of the RGK.

Results: The 3 RGK were established with their agencies and 13 working groups on health care. Almost all participants felt that the number of members was appropriate and that the main stakeholders were represented. According to a large part of the respondents, the majority actively took part in the RGK and usually everyone had the equal opportunity to propose a topic. Although almost half of the respondents reported conflicts, the atmosphere was constructive for 3-quarters of them. Nearly all the interviewees confirmed the importance of a chairman and a manager of the agency, as well as the positive influence of the moderator. Almost everyone agreed that RGK are suited to improve health care and cooperation. From the participants’ point of view, the main problems were identified; 94% of the respondents agreed that the previous work could be regarded as successful and 91% were satisfied or rather satisfied with the processes of the RGK. The level of satisfaction was similar among the three model regions, but it varied among the member groups; 98% of the interviewees would also take part in the future.

Conclusion: According to this survey, RGK are an appropriate platform for coordination, exchange und cooperation of stakeholders and a good instrument for cooperation. In Bavaria, the approach will be further improved as well as extended to other regions based on a new concept called “Health Regionsplus”.

 
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