Klin Monbl Augenheilkd 2017; 234(03): 270-271
DOI: 10.1055/s-0042-124526
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial Ophthalmogenetik: Einblicke in aktuelle Methoden der Diagnostik, Phänotypisierung und Therapie

Editorial Ophthalmic Genetics: Insights Into Actual Methods of Diagnostics, Phenotyping and Therapy
B. Lorenz
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Publication Date:
29 March 2017 (online)

Der Stabswechsel in der Herausgeberschaft des Bereiches Genetik wurde zum Anlass genommen, in den kommenden 5 Jahren die zentralen Themen im Bereich genetischer Augenerkrankungen so aufzuarbeiten, dass daraus ein aktuelles und gut lesbares Buch entsteht. Ein solches fehlt derzeit im deutschen Sprachraum. Vergleichsweise kleine Monografien sind bereits vor langer Zeit erschienen [1], [2], [3]. Im Englischsprachigen gibt es das exzellente Standardwerk von E. Traboulsi et al, USA, inzwischen in der 2. Auflage (2012) [4]. Weitere Auflagen werden sicher folgen, um die notwendige Aktualität sicherzustellen. Von G. Black, England, gibt es ein sehr informatives kleineres Werk, allerdings bereits 2002 erschienen [5], und von B. Wissinger und S. Kohl, ebenfalls bereits 2003 erschienen [6]. Deutlich ältere Werke spielen für die moderne Ophthalmogenetik praktisch keine Rolle mehr.

Anliegen des jetzt geplanten Werkes ist es, die aktuellen Entwicklungen neben inzwischen eher bereits etablierten Erkenntnissen darzustellen.

Das diesjährige Schwerpunktheft spannt in insgesamt 9 Beiträgen den Bogen von modernen Verfahren der Diagnostik über hochdifferenzierte Methoden der Phänotypisierung, die derzeit nur teilweise im klinischen Alltag eingesetzt werden können, bis hin zu Therapieentwicklungen, die bisher erst teilweise Eingang in klinische Studien gefunden haben. Dieses Konzept der Darstellung von Grundlagenforschung und ihrer Translation in den klinischen Alltag wird auch in den kommenden Jahren beibehalten werden, um auch für den ophthalmogenetisch weniger versierten Leser den Bereich Ophthalmogenetik möglichst interessant darzustellen. Dies erscheint auch schon deshalb wichtig, als wir alle in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zunehmend mit genetischen Aspekten und Erkenntnissen einer Vielfalt von Augenerkrankungen konfrontiert sein werden.

Preising und Bolz weisen in ihrem Beitrag zum Stellenwert der Segregationsanalyse in der Augenheilkunde auf die möglichen und notwendigen Untersuchungen in der betroffenen Familie hin, die nach Feststellung der genetischen Ursachen auf den Ophthalmologen zukommen können.

Bolz zeigt in seinem Beitrag zum Next-Generation-Sequencing (NGS) zunächst auf, welche großen Fortschritte damit erzielt werden konnten und erzielt werden, weist aber gleichzeitig auf die sich ergebenden weitreichenden Implikationen für die Betreuung und Beratung der betroffenen Patienten und ihren Familien hin.

Papadopoulou und Koautoren zeigen das phänotypische Spektrum von Mutationen im CRB1-Gen, die zu einer schweren autosomal-rezessiv vererbten frühkindlichen Netzhautdystrophie führen. Als besonders informativ zeigte sich die differenzierte Schichtanalyse der makulären SD-OCT-Aufnahmen mittels Spectralis und Bioptigen im A-Bild im Hinblick auf die zu erwartende Sehfunktion.

Hoffmann und Koautoren diskutieren das Potenzial der fMRT bei der Phänotypisierung diverser erblicher Netzhauterkrankungen. So kann die kortikale Organisation und Reorganisation bei verschiedenen Formen erblicher Netzhaut- und Makulaerkrankungen in vivo untersucht werden. Von besonderer Bedeutung ist die kortikale Vergrößerung der makulären Region, die eine objektive Gesichtsfeldprüfung anhand fMRT möglich macht, was insbesondere im Hinblick auf Therapiestudien von großer Bedeutung sein wird.

Reiniger und Mitarbeiter stellen Methode und Möglichkeiten der Adaptiven Optiken bei Diagnostik und Verlaufskontrolle von Netzhauterkrankungen dar. Da Morphologie und sogar Funktion auf Einzelzellebene untersucht werden können, liegt hier ein extrem großes Forschungspotenzial. Limitationen ergeben sich unter anderem aus der Notwendigkeit einer stabilen Fixation, was insbesondere bei mit der Grunderkrankung assoziiertem Nystagmus problematisch ist.

Mühlfriedel und Koautoren betonen die Bedeutung von Therapieentwicklungen bei den verschiedenen Formen der erblichen Netzhautdegenerationen, für die inzwischen mehr als 250 Gene identifiziert worden sind und die aufgrund einer Gesamthäufigkeit von 1 : 2500 und des Auftretens im Kindes- und Jugendalter trotz der relativen Seltenheit eine bedeutende Patientengruppe darstellen. Die derzeit praktizierte Genadditionstherapie bei einigen Formen verzeichnet zwar gewisse Erfolge, zeigt aber auch, dass weiterer Forschungsbedarf zur Ergebnisoptimierung besteht.

Aufgrund der beim Menschen begrenzten Erfolge der Genadditionstherapie wird seit einigen Jahren an Methoden der direkten Genkorrektur gearbeitet. Yanik und Koautoren gehen in ihrem Beitrag auf die hochaktuelle CRISPR Cas Methode ein, mit der das defekte Gen an seinem Ort direkt repariert werden soll. Mit dem genome editing können darüber hinaus wichtige neue Genmodelle kreiert werden.

Die Methode der Optogenetik wird von Swiersy und Mitarbeitern vorgestellt. Dabei werden genetisch modifizierte lichtaktive Proteine genutzt, um Zellen durch Licht nichtinvasiv zu manipulieren. Die Autoren werten die Methode im Hinblick auf einen möglichen klinischen Einsatz kritisch.

Borsch und Mitarbeiter stellen die Möglichkeiten, Herausforderungen und Grenzen von Zellersatztherapie bei erblichen Netzhautdegenerationen dar. Technologien zur Differenzierung retinaler Organoide aus pluripotenten Stammzellen erlauben inzwischen die Produktion ausreichender Mengen an Photorezeptoren für Transplantationsexperimente. Spannend ist auch die unerwartete Beobachtung eines Zell-Zell-Austauschs von Biomaterialien, was ein neuer Behandlungsansatz von funktionsgestörten Photorezeptoren sein könnte.

Birgit Lorenz

 
  • Literatur

  • 1 Hammerstein W. Genetische Beratung in der Augenheilkunde. Stuttgart: Enke; 1980
  • 2 Hammerstein W, Lisch W. Hrsg. Ophthalmologische Genetik. Diagnostik – Prävention – Rehabilitation. Stuttgart: Enke; 1985
  • 3 Ophthalmogenetik und Teratologie Hornhautchirurgie. In: Krüger KE, Trost M. Hrsg. Augenheilkunde in Forschung und Praxis. Halle, Saale: Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg; 1972
  • 4 Traboulsi EI. Genetic Diseases of the Eye. 2. Auflage.. New York: Oxford University Press; 2012
  • 5 Black G. Genetics for Ophthalmologists: The Molecular Genetic Basis of Ophthalmic Disorders. London: Remedica; 2002
  • 6 Wissinger B, Kohl S, Langenbeck U. eds. Developments in Ophthalmology. Vol. 37: Genetics in Ophthalmology. Basel: Karger; 2003