Gesundheitswesen 2025; 87(S 01): S85-S86
DOI: 10.1055/s-0045-1802065
Abstracts │ BVÖGD, BZÖG, DGÖG, LGL
03.04.2025
Sitzung 4
11:00 – 12:30

Kommunale Surveillance von vektorübertragbaren Krankheiten – warum sie in Berlin notwendig ist und was braucht man dafür

Authors

  • L Murajda

    1   Bundesverband der Hygieneinspektoren e.V.
  • Alica Schnitzler

    1   Bundesverband der Hygieneinspektoren e.V.
 

Hintergrund: Als sich die sporadischen Funde der Asiatischen Tigermücke (Aedes albopictus) in Berlin häuften, ist es klar geworden, dass man sich damit auseinandersetzen muss. Zuerst war nicht klar wer und in welchem Umfang zuständig wäre. Es fehlte ein Monitoring im humanen sowie auch im veterinären Bereich, die Ärzt: innen und die Bevölkerung glaubten nicht, dass man in Berlin Krankheiten wie Dengue, Chikungunya oder Zika in Berlin kriegen könnte. Es gab lediglich die sporadischen Informationen aus den Citizen Science-Aktivitäten. Eine Surveillance im Sinne von One Health – eine Zusammenarbeit der Gesundheitsämter, der Veterinärämter, der Labore und der Wissenschaft auf der kommunalen Ebene sehen wir als den einzig effektiven Weg. Wie baut man jedoch so eine Surveillance auf?

Umsetzung: Das Gesundheitsamt Berlin Mitte hat im Mai 2023 in Eigeninitiative und in Absprache mit dem Straßen- und Grünflächenamt sowie mit dem Umwelt- und Naturschutzamt des Bezirkes begonnen Mückenfallen aufzustellen. Seit August 2023 in Absprache mit den anderen Gesundheitsämtern auch für alle Bezirke Berlins. Ziel war es trotz geringer personeller und finanzieller Ressourcen eine Anlaufstelle für Bürger: innen und eine Monitoring-Kapazität praktisch umzusetzen. Über Pressemitteilungen wurden Bürger:innen aufgefordert sich zu melden, wenn sie entweder ungewöhnlich viele Stechmücken gesichtet hatten, vermehrt tagsüber gestochen wurden oder glaubten eine Tigermücke gefunden zu haben. Bei einem Fund sollte die Mücke direkt ans Gesundheitsamt geschickt werden. Aktive Suche führen wir mithilfe der Biogents-Fallen wie BG GAT oder BG Pro – ohne Licht, mit CO2 und weiteren Lockstoffen. Die Identifizierung der Tigermücke wird mit einem KI-gestütztem Identifikationssystem durchgeführt (IDx). Dies war im Hinblick der wenigen Ressourcen entscheidend. Durch die Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut können identifizierte Tigermücken auf das Vorhandensein von Erregern getestet werden. Wir führen verschiedene Öffentlichkeitsarbeit-Aktivitäten durch, wie Info-Veranstaltungen in Einrichtungen oder Workshops durch, beraten und vorbereiten Info-Flyer. Eine Sonderstellung hat dabei unser Chatbot, der 24/7 der Bevölkerung in Berlin als zuverlässige Quelle die wichtigsten Informationen anbietet.

Diskussion: Nur ein integriertes Management im Öffentlichen Gesundheitsdienst kann einen nachhaltigen Schutz in Berlin zur effektiven Vorbeugung und Bekämpfung der Stechmücken bieten. Das Gesundheitsamt Berlin Mitte wurde Juli 2024 von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege offiziell beauftragt ein Tigermückenmonitoring für das Land Berlin durchzuführen. Dieses zentralisierte Vorgehen mit dem Gesundheitsamt als Drehschreibe bietet die Möglichkeit, übermittelte vektorbezogene Infektionsfälle und Fundorte der Mückenpopulationen in Zusammenhang zu bringen. Insbesondere die Öffentlichkeitsarbeit kann durch Bürger: innen-Nähe auf kommunaler Ebene zur effektiven und nachhaltigen Prävention und Bekämpfung der Tigermücke in Deutschland beitragen. Langfristiges Ziel wäre ein landesweites Zentrum zur Surveillance von vektorübertragbaren Infektionskrankheiten in der Hand des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Die Umsetzung im Gesundheitsamt wird in den nächsten Jahren evaluiert.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. März 2025

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