Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1286-9445
Corona Pandemie und finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung
Corona Pandemic and financial stability of statutory health insurance
Zusammenfassung
Die Corona-Pandemie zeigt, dass Deutschland über ein durchaus resilientes Gesundheitssystem verfügt, insbesondere auch im internationalen Vergleich. Die anfallenden coronabedingten Mehrausgaben sollten weitgehend über Steuern finanziert werden. Das erscheint angemessen, da die Mehrausgaben bei den Krankenkassen vielfach GKV-fremde Leistungen betreffen, zum Beispiel Schutzausrüstungen, flächendeckende Tests und später auch Impfungen (zumindest der externalisierende Teil der Impfung). Diese sind aus Steuermitteln zu tragen, da sie Maßnahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge darstellen.
Der Spielraum für Steuererhöhungen ist allerdings begrenzt, will man nicht nur die Besserverdienenden belasten, wodurch deren Grenzbelastung ansteigen würde, mit negativen Effekten für Wachstum und Beschäftigung. Auch Beitragssatzsteigerungen sind unter dem Aspekt der Lohnnebenkosten nicht das Instrument erster Wahl. Unterm Strich dürften vor allem Steuern, neue Schulden und der Rückgriff auf die Reserven des Gesundheitsfonds stehen. Verschuldung ist wiederum unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht unbedenklich, belastet es doch einseitig die kommenden Generationen. Das Dilemma besteht allerdings darin, dass es keinen bequemen Lösungsweg für die langfristige Finanzierung der GKV gibt. Durch die Corona-Pandemie entstehen Kosten, die es zu finanzieren gilt. Allerdings werden ausschließlich einnahmenseitige Maßnahmen, wie radikal auch immer, kaum der Königsweg zur Lösung der Finanzierungsprobleme sein. Hier müssen auch die ausgabenintensiven Gesetze der zurückliegenden und laufenden Legislaturperioden genannt werden. Ohne weitere Anstrengungen zur Begrenzung bzw. zur Anreizverbesserung auf der Ausgabenseite wird eine stabile Lösung kaum gelingen. Dies impliziert auch, dass eine offene Debatte über weitere Vernetzungsmöglichkeiten im Gesundheitswesen, über die Überwindung der Sektorengrenzen, die Förderung der Prävention oder über den Umfang des Leistungskatalogs unausweichlich erscheint.
Abstract
Corona Pandemic shows that Germany largely has a resilient health care system, in an international comparison as well. To finance Corona related costs the federal government intends to increase taxes that are paid into the health care fund. This seems to be suitable because Corona related costs are mainly not covered by basic health insurance (tests, protective clothing, vaccination externalities) and the scope for increasing the contribution rate is limited as regards to negative employment effects (payroll-related costs).
Leeway for tax increases is also limited, if the government does not intend to only charge high earners, which would be counterproductive with respect to growth and employment. Below the line, public debt will increase which gives cause for concern under sustainability aspects. A more balanced burden would also take benefit cuts into account so that all generations could contribute to the bill. No simple solution to be seen.
Publication History
Article published online:
23 November 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Cassel D, Heigl A, Jäcker A. et al. Impfstoff für alle – doch wie soll das gehen? Probleme der Verfügbarkeit und Verteilung von Covid-19-Impfstoffen. Recht und Politik im Gesundheitswesen (RPG) 2020; 26 (03) 55-71 KVB – Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Statement des Vorstands. Zur ambulanten Versorgung in Bayerns Praxen während der Corona-Pandemie im zweiten Quartal 2020, München (17. August 2020). Im Internet: www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Presse/Statements/KVB-Statement-200817-ambulante-Versorgung-Corana-Pandemie-Bayern.pdf
- 2 Brodeur A. et al. A Literature Review of the Economics of COVID-19. Discussion Paper Series. IZA DP No. 13411. 06/2020: 1-61
- 3 Schreyögg J. Corona-Krise trifft auf Strukturprobleme im Gesundheitswesen. Wirtschaftsdienst 2020; 4: 226-227 DOI: 10.1007/s10273–020–2617–3
- 4 Bundesfinanzministerium. Kampf gegen Corona: Größtes Hilfspaket in der Geschichte Deutschlands 2020. Im Internet: www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlaglichter/Corona-Schutzschild/2020–03–13-Milliarden-Schutzschild-fuer-Deutschland.html
- 5 O. V. Finanzminister Scholz will Schuldenbremse ab 2022 wieder einhalten. Im Internet: https://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2020–08/50570143-finanzminister-scholz-will-schuldenbremse-ab-2022-wieder-einhalten-007.htm
- 6 Ärztezeitung. AOK trotzt Pandemie – Finanzplus im ersten Halbjahr (11.08.2020). Im Internet: www.aerztezeitung.de/Politik/AOK-trotz-Pandemie-Finanzplus-im-ersten-Halbjahr-411944.html
- 7 KVB – Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Statement des Vorstands. Zur ambulanten Versorgung in Bayerns Praxen während der Corona-Pandemie im zweiten Quartal 2020, München (17. August 2020).
- 8 Brosig M. Stellungnahme. Sozialversicherungen in der Corona Pandemie: Bewährte Absicherung garantieren und fair finanzieren. Arbeitnehmerkammer Bremer. 2020: 1-6 Im Internet: www.arbeitnehmerkammer.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Politik/Rente_Gesundheit_Pflege/Stellungnahme_Corona-Pandemie_und_Sozialversicherungen_20200619.pdf
- 9 OECD. Taxing Wages. Im Inernet: https://doi.org/10.1787/20725124
- 10 Meyers-Middendorf J, Baumann M. Finanzielle Stabilität muss gewahrt bleiben (17.06.2020). Ersatzkassenmagazin 2020; 3: 32-33
- 11 KVB – Kassenärztliche Vereinigung Bayerns. Statement des Vorstands. Zur ambulanten Versorgung in Bayerns Praxen während der Corona-Pandemie im zweiten Quartal 2020, München (17. August 2020).
- 12 Henke KD, Richter WF. Zur Zukunft des Gesundheitsfonds – Wirtschaftsdienst. 2009 11. 1-11
- 13 Richter WF. Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes: Entgleiste Reformdebatte wieder auf Spur. IZA Standpunkte. 2010 Nr. 29
- 14 Greß S. et al. Zeitgespräch. Gesundheitsfonds – effizientere Steuerung des Gesundheitssystems?. Wirtschaftsdienst 2014; 8: 535-552
- 15 Breyer F, Lorenz N. Wie nachhaltig sind die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung finanziert?. Wirtschaftsdienst 2020; 100 (08) 591-596 Im Internet: www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2020/heft/8/beitrag/wie-nachhaltig-sind-die-gesetzliche-kranken-und-pflegeversicherung-finanziert.html
- 16 SVR – Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Über Wettbewerb. Mehr Effizienz im Gesundheitswesen. Jahresgutachten 2018/19. Kapitel 8: 384-438
- 17 DGIV. Positionspapier. Integrierte Versorgung im Schnittstellenbereich von ambulant und stationär stärken!. 2020 www.dgiv.de SVR-G – Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen. Sondergutachten 2012. Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung. Bern: Hans Huber
- 18 Werding. et al. Zukunft der Sozialversicherungen: Beitragsbelastung dauerhaft begrenzen – Bericht der BDA-Kommission (29.07.2020). Im Internet: https://www.arbeitgeber.de/www/arbeitgeber.nsf/id/de_zukunft-der-sozialversicherung-beitragsbelastung-dauerhaft-begrenzen
- 19 Bofinger. et al. Wirtschaftliche Implikationen der Corona-Krise und wirtschaftspolitische Maßnahmen. Wirtschaftsdienst 2020; 4: 260-265