Schlüsselwörter Querschnittlähmung - Register - patientenzentriert - DSGVO - Flask-Framework
Key words Spinal cord injury - registry - GDPR - patient-centered - Flask framework
Einleitung
In Deutschland treten nach aktuellen Schätzungen jährlich 2300 frische Rückenmarkverletzungen
auf, wobei von einer Gesamtpopulation von 140 000 Querschnittgelähmten ausgegangen
wird [1 ]. Eine Rückenmarksschädigung kann sowohl durch traumatische (Wirbelsäulenverletzungen)
als auch durch nicht-traumatische Ursachen (Raumforderungen, Ischämien, Infektionen)
entstehen. Der initiale Behandlungspfad von Patienten mit einer neu erworbenen Querschnittlähmung
wird im Wesentlichen von intrinsisch-krankheitsbedingten Faktoren bestimmt: Während
Patienten nach einem Unfall oder einem Sturz zuerst in einem chirurgischen (Trauma-/Wirbelsäulenchirurgie)
Zentrum versorgt werden, findet die Erstbehandlung bei einer krankheitsbedingten (z. B.
Entzündungen, Tumor, Durchblutungsproblem) Querschnittlähmung in einer nicht operativ
ausgerichteten (z. B. neurologische oder Neurorehabilitationsklinik) Einrichtung statt.
Der weitere stationäre Behandlungsverlauf wird dann aber nicht nur durch intrinsische,
sondern auch durch extrinsische Faktoren wie der Kostenträgerzuständigkeit (gesetzliche/private
Krankenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung) oder Verfügbarkeit von Therapieplätzen
bestimmt. Nach der stationären Entlassung werden Unterschiede bei der Versorgung besonders
deutlich, da eine lebenslange ambulante Nachsorge zur Behandlung von typischen mit
einer Querschnittlähmung einhergehenden Komplikationen wie Hautschädigungen (Dekubitus),
Lungenentzündungen, Spastik, urologische Komplikationen, oder Darmprobleme ausschließlich
von spezialisierten Querschnittzentren angeboten wird ([Abb. 1 ]). Zusammenfassend gibt es also eine Reihe von Unterschieden in der stationären und
ambulanten Versorgung von Menschen mit einer Querschnittlähmung, die die neurologische
und funktionelle Erholung, die Häufigkeit von Komplikationen, und letztlich die Selbständigkeit
sowie Teilhabe und Lebensqualität beeinflussen. Bisher gibt es allerdings keine strukturierte
Datensammlung zur Untersuchung dieser Zusammenhänge.
Abb. 1 Unterschiedliche Behandlungspfade nach frisch eingetretener Querschnittlähmung in
Deutschland.
Daher soll mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
und der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie e.V. (DMGP)
das deutschlandweite, patientenzentrierte, webbasierte ParaReg-Register zur Dokumentation
von medizinischen, sozialen und partizipationsbezogen Daten von Querschnittgelähmten
aufgebaut werden. Das vorrangige Ziel des ParaReg-Registers besteht in der Identifikation
von Faktoren, die mit einem schlechteren Outcome, häufigen Komplikationen und ggfs.
stationären Aufenthalten assoziiert sind. Langfristig soll mit den Daten aus ParaReg
die Qualität der Patientenversorgung, die Therapieplanung und Steuerung des Behandlungspfades
unter Berücksichtigung der Kosteneffizienz verbessert werden.
Methodik
Datenmodell
Im ParaReg-Register wird jeder stationäre und später auch ambulante Aufenthalt eines
Patienten mit einer akuten oder chronischen Querschnittlähmung in einem DMGP-assoziierten
Querschnittzentrum (insgesamt 27 in Deutschland) dokumentiert. Das ParaReg-Datenmodell
wurde in einem iterativen Prozess vom ParaReg-Leitungskomitee (Autoren dieser Arbeit)
während der vom BMBF geförderten Konzeptionierungsphase in den Jahren 2017/18 entwickelt
und besteht aus einem Minimalsatz aus Variablen und Assessments, die neben der primären
Ursache und Ätiologie der Querschnittlähmung auch sozio-medizinische und komplikationsassoziierte
Variablen zusammen mit etablierten funktionellen und neurologischen Assessments beschreiben
([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Übersicht der Variablenkategorien des ParaReg-Registers.
Kategorie
Variablen
Persönliche Patientendaten (Eingabe bei jedem Aufenthalt zur Identifikation)
Geschlecht
Vorname
Nachname
Geburtsdatum
Geburtsort
Aktuelle Anschrift
Pseudonymisierte Patientendaten (einmalige Eingabe)
Geburtsjahr (berechnet aus dem Geburtstag)
Datum der Studienzustimmung
Datum und Art des Studienaustritts (wo anwendbar)
Todesdatum (wo anwendbar)
Querschnittspezifische Daten (einmalige Eingabe)
Hospitalisierung (Eingabe nach jedem Aufenthalt)
Zentrums-ID (automatisch über angemeldeten Nutzer)
Aufnahmedatum
Entlassdatum
Kostenträger
Erwerbstätigkeit
Renten
Aufnahme von
Entlassung nach
Art des Aufenthalts (akut/chronisch (>1 J. nach QSL))
Erstaufnahme/Wiederaufnahme
Komorbiditäten mit negative Einfluss auf das Behandlungsergebnis
Aufnahmediagnose (wo immer möglich basierend auf ICD-10)
Neurologischer Status (Eingabe nach jedem Aufenthalt)
Funktioneller Status (Eingabe nach jedem Aufenthalt)
Lebensqualität (Eingabe nach jedem Aufenthalt)
Bei jedem Aufenthalt wird die Hauptdiagnose zusammen mit den drei wichtigsten Nebendiagnosen
und vorbestehenden Komorbiditäten dokumentiert. Die Dokumentation des neurologischen
und funktionellen Patientenstatus erfolgt über die International Standards for Neurological
Classification of Spinal Cord Injury (ISNCSCI) [2 ] und den Spinal Cord Independence Measure (SCIM) III [3 ] (bei chronischen Patienten als Self-Report-Variante [4 ]). Generell wurden die Variablen des ParaReg-Datenmodells entsprechend ihrer routinemäßigen
Verfügbarkeit in den Krankenakten ausgewählt. Neben dem ISNCSCI und dem SCIM III gewährleistet
die Implementierung der International Data Sets on SCI der International Spinal Cord
Society (ISCoS) die Kompatibilität des ParaReg-Datenmodells mit internationalen Querschnitt-Registern
[5 ]. Zusätzlich wurden die anwendbaren Elemente des Common Data Set des Open Source
Registers für seltene Erkrankungen (OSSE; http://osse-register.de ) integriert. Daten zu Partizipation und Lebensqualität werden über den World Health
Organization Quality of Life Group – Abbreviated Version (WHOQOL-BREF) abgefragt [6 ]. Ein wesentlicher Fokus der Datenmodellentwicklung lag auf der Definition von Auswahllisten
für alle Datenelemente zur Minimierung von schlecht zu analysierenden Freitexteingaben.
Der Datensatz eines Patienten wurde in einen zwingend einzugebenden Kerndatensatz
(Datum und Ursache der Querschnittlähmung, Tetra-/Paraplegie, Hauptdiagnose des Aufenthaltes)
und einen gewünschten erweiterten Kerndatensatz mit insgesamt 234 Einzelfeldern pro
Aufenthalt eingeteilt.
Das ParaReg-Datenmodell wurde abschließend durch 16 Mitglieder des erweiterten Vorstands
der DMGP als auch durch 13 Peers der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten e.V.
(FGQ) geprüft und freigegeben.
Organisations- und Rechtstruktur
Das ParaReg-Register wird unter der Schirmherrschaft der DMGP-Fachgesellschaft entwickelt
und betrieben. Im Jahr 2016 wurde innerhalb der DMGP eine Registergruppe durch den
Vorstand der DMGP nominiert, die sich mit allen Belangen der Registerkonzeptionierung,
-implementierung und des Betriebs, aber auch der Nutzung und des Zugriffs auf ParaReg-Daten
befasst ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Übersicht der Organisationsstuktur des ParaReg-Registers.
Die Rechte und Pflichten der ParaReg-Exekutivgruppe, welche am Universitätsklinikums
Heidelberg für die Implementierung und den Betrieb von ParaReg verantwortlich ist,
werden in einem Kooperationsvertrag zwischen der Universität Heidelberg und der DMGP
geregelt. Eine zusätzliche Datennutzungsvereinbarung regelt die Prozesse Berichtswesen
und Datenexport. Die ParaReg-Exekutivgruppe ist für die Beauftragung des ParaReg-Hosting
und einer Treuhandstelle für die Verarbeitung der personenidentifizierenden Daten
zuständig. Mit diesen wurden Auftragsdatenverarbeitungsverträge und ggfs. Kooperationsverträge
geschlossen.
Daten werden von allen in der DMGP organisierten deutschen Querschnittzentren gesammelt.
Als vertragliche Grundlage der freiwilligen Zusammenarbeit dient eine Qualitätssicherungsvereinbarung
(QSV), die vom DMGP-Vorstand und dem Leiter bzw. gesetzlichen Vertreter des Zentrums
unterzeichnet wird. Die QSV stellt keinen offiziellen Vertrag dar, sondern eine Vereinbarung
zur gegenseitigen Zusammenarbeit. Die datenerfassenden Zentren haben das Recht auf
vollen Zugriff auf ihre eigenen Daten, wobei nähere Details ein gesonderter Datennutzungsvertrag
mit der DMGP regelt.
Wissenschaftler (einschließlich der datenerhebenden Zentren und der ParaReg-Exekutivgruppe)
können einen Antrag auf Auswertung von Registerdaten stellen. Der Antrag muss an das
ParaReg-Leitungskomitee übermittelt werden, welches diesen auf Basis der wissenschaftlichen
Stringenz des Exposés, der inhaltlichen Kriterien und der rechtlichen Zulässigkeit
prüft. Im Falle der Annahme wird ein Datennutzungsvertrag zwischen Antragsteller und
DMGP geschlossen, welcher Details zu den Datennutzungsrechten, zu treffenden Datenschutzmaßnahmen
gemäß Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), zu Veröffentlichungsrichtlinien sowie Haftungs-
und Gewährleistungsfragen beinhaltet.
Ergebnisse
Das Pseudonymisierungskonzept von ParaReg basiert auf den Empfehlungen von OSSE, welche
sich wiederum an dem klinischen ID-Management-Modul der Technologie- und Methodenplattform
für die vernetzte medizinische Forschung e.V. (TMF) orientieren [7 ]. Dieses klinische Modul besitzt für den Register-Anwender den Vorteil, dass ein
Patient nicht über Eingabe einer abstrakten ID, sondern über personenidentifizierende
Daten (Vor-/Nachname, Geburtsdatum/-ort, ggfs. aktueller Wohnort) ausgewählt werden
kann. Dieses anwenderfreundliche Konzept stellt allerdings spezielle Anforderungen
an eine strikte Trennung der Verarbeitung von personenidentifizierenden Daten (IDAT))
und der über die Master-Patienten-ID zugeordneten medizinischen Daten (MDAT), wobei
IDAT und MDAT nur im Browser des Anwenders mittels temporärer IDs zusammengefügt werden
dürfen. Für die Verwaltung von Master-ID und IDAT wird bei ParaReg eine Instanz der
Mainzelliste (http://mainzelliste.de) verwendet [8 ], die vom Institut für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik (IMBEI)
der Universitätsmedizin Mainz gehostet, betrieben und administriert wird.
Datenschutzrechtliche und ethische Voraussetzungen
Während der Konzeptionierungsphase wurde angelehnt an die OSSE-Empfehlungen ein Datenschutzkonzept
und eine Patienteninformationsschrift inklusive -einwilligung erstellt, deren DSGVO-Konformität
im Januar 2020 durch die AG Datenschutz der TMF, der Datenschutzbeauftragten des Universitätsklinikums
Heidelberg und des Datenschutzkonzernbeauftragten der Berufsgenossenschaften, von
denen 8 der 27 deutschen Querschnittzentren betrieben werden, bestätigt wurde. Eine
Freigabe hinsichtlich berufsethischer und -rechtlicher Aspekte durch die Ethikkommission
der Universität Heidelberg (S-574/2019) erfolge 2019. Zweitvoten liegen mittlerweile
von den Landesärztekammern Baden-Württemberg und Hessen und der Universität Bochum
vor, weitere sind beantragt.
Datenspeicherung
Für die Verarbeitung der IDAT wird in ParaReg eine vom IMBEI der Universität Mainz
betriebene Mainzelliste-Instanz verwendet. Bei der Auswahl des Hosting-Providers für
die MDAT wurden ausschließlich solche mit Firmensitz und Serverstandort in Deutschland
zur Wahrung einer maximalen DSGVO-Konformität (Stichwort „Patriot Act“) in Betracht
gezogen. Im September 2019 wurde ein ausreichend dimensionierter (Hexa-Core, 64GB
Ram, 240 GB SDD, 2x8 TB HDD), dedizierter Server bei der Hetzner Online GmbH (Gunzenhausen)
am Standort Falkenstein angemietet. Weiterhin wurde der gesamte Daten- und Systemspeicher
unter Verwendung des Linux Unified Key Setup (LUKS) verschlüsselt, um maximale Datensicherheit
bei Entwendung oder unsachgemäßer Entsorgung des physischen Datenträgers zu erreichen.
Zum Schutz auf niedriger Zugriffsebene wurde eine Firewall aufgesetzt, welche lediglich
SSH-, HTTP- und HTTPS-Verbindungen zulässt und sämtliche andere Ports blockiert. Als
Betriebssystem wird der „stable“-Zweig von Debian (aktuell „Buster“) in der jeweils
aktuellsten Version verwendet. Einen Administrationszugang zu diesem System besitzt
ausschließlich das ParaReg-Entwicklungsteam, wobei die Zugangsdaten dem Vorstand der
DMGP bekannt sind.
Registerimplementierung
Bei der Auswahl der Softwarepakete zum Betrieb und der Entwicklung des ParaReg-Registers
stand die langfristige Verfügbarkeit im Vordergrund, so dass bevorzugt etablierte
Open-Source Softwarepakete Anwendung fanden. Auf dem MDAT-Server werden mehrere dedizierte
Linux Container (LXC) angelegt, damit Programme installiert und ohne Einfluss auf
das restliche System betrieben werden können. Um Änderungen der Datenbankinhalte und
dem Export von Daten über die Zeit hinweg zu verfolgen, wurde der MariaDB-Datenbank-Server
um ein Audit Plugin ergänzt. Damit können die Vorgaben der DSGVO hinsichtlich Informationspflicht
gegenüber den ParaReg-Studienteilnehmern erfüllt werden.
Initial war vorgesehen, das ParaReg-Register unter Verwendung und Erweiterung des
OSSE-Frameworks zu implementieren. Allerdings wurden während der Sondierungsphase
konzeptionelle Schwierigkeiten z. B. bei der Definition einer zentrumsübergreifenden
Master-ID festgestellt, so dass für ParaReg ein speziell an die Bedürfnisse angepasstes
System unter dem Python-basierten „Flask“-Framework (v. a. SQLAlchemy zur objektrelationale
Bindung von Python-Objekten zur Datenbank) aufgebaut wurde [9 ].
Zur Kommunikation mit der die IDAT verwaltenden Mainzellisten-Instanz wurde die Middleware-Applikation
„MzlClient“ entworfen. MzlClient erlaubt die serverseitige Kommunikation der ParaReg-Applikation
mit der Mainzelliste über ein Python-Interface, ohne sich um die tiefere Protokollebenen
kümmern zu müssen. Client-seitig liegen korrespondierende JavaScript-Funktionen vor,
um Daten mit der Mainzelliste auszutauschen ([Abb. 3 ]).
Abb. 3 Übersicht des Datenflusses zur DSGVO-konformen Zusammenführung von identifizierenden
(IDAT) und medizinischen Daten (MDAT) im Browser des ParaReg-Anwenders. MDAT werden
direkt aus der Datenbank des ParaReg-Servers ausgelesen. Um die MDAT anhand der vom
Anwender im Browser eingegeben IDAT zuzuweisen, wird mittels der zentralen Patienten-ID
(PID) des Patienten ein Token von der Mainzelliste durch den Python-MzlClient vom
ParaReg-Server angefragt. Dieses Token, eingebettet in die URL der Mainzelliste, wird
zusammen mit den MDAT an den Browser übergeben. Über den JavaScript-MzlClient wird
die angefertigte URL abgefragt, um die IDAT des Patienten zu erhalten. IDAT sowie
MDAT werden anschließend auf der Webseite im Browser des Anwenders dargestellt. JSON:
JavaScript Object Notation.
Elektronische Case Report Forms (eCRFs)
Für den Betrieb der auf dem ParaReg-Server gehosteten Register-Homepage (https://parareg.de ) wird der weltweit meist genutzte Open-Source-Webserver Engine-X (NGINX; https://nginx.com ) verwendet. Dieser Service verwaltet die Transportverschlüsselung eingehender https-Verbindungen
und leitet diese als Reverse Proxy an die ParaReg-Anwendung in einem per Firewall
abgeschirmten LXC-Container weiter.
Der Zugang zu den einzelnen Funktionen von ParaReg wird über ein rollenspezifisches
Zugriffssystem verwaltet. Auf der ParaReg-Webseite selbst wurde neben einer Funktionalität
zur Auflistung von Patienten und Aufenthalten auch eCRFs zur Registrierung neuer und
Verwaltung bestehender Studienteilnehmer, und zur Eingabe der Registervariablen implementiert.
Die eCRFs wurden mit Fokus auf Nutzerfreundlichkeit (User-Centered Design) entwickelt
und in einer Alpha-Testphase unter Berücksichtigung der Rückmeldungen von Nutzern
angepasst. Im Rahmen der monozentrischen, am Querschnittzentrum in Heidelberg durchgeführten
Alpha-Testphase wurden die Aufenthalte von 40 Patienten dokumentiert. Auf der Basis
der Rückmeldungen wurden Verbesserungen an der Ergonomie sowie des schnellen Erkennens
von unvollständigen Eingaben vorgenommen. Weiterhin wurden alle Formulare mit einer
automatischen Speicherfunktion per asynchroner Datenübertragung (Asynchronous JavaScript
and XML (AJAX)) ausgestattet. Ein „responsive Webdesign“ sorgt für die nutzerfreundliche
Anwendbarkeit von ParaReg unabhängig vom Eingabegerät. Die einzelnen Elemente der
Website werden an die Bildschirmgröße des Endgerätes wie Smartphones und Tabletcomputer
adaptiert und bei Bedarf automatisch angeordnet ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 Elektronische ParaReg Case Report Forms (eCRFs) zur Dokumentation eines Krankenhausaufenthaltes.
Linke Teilabbildung a : Ansicht der Haupteingabeseite auf einem Standard-PC. Rechte Teilabbildung b : Ansicht der Haupteingabeseite auf einem Tablet-Computer.
Berichtsfunktionalitäten
Aggregierte Registerdaten können in Standardberichten in Text- und Grafikform aufbereitet
werden. Dazu zählen Übersichten zu den Patientencharakteristika (z. B. Anteil Tetra-
zu Paraplegie, Anteile der verschiedenen Ätiologien, Alters- und Geschlechtsverteilungen)
eines einzelnen Zentrums, aber auch übergeordnete Jahresberichte, die auf der DMGP-Homepage
veröffentlich werden. Berichte mit Daten eines einzelnen Patienten des eigenen Zentrums
können bei Patientenanfragen weitergegeben werden, aber auch als exportierbare Textblöcke
für die Entlassbriefdokumentation im Rahmen des Entlassungsmanagements verwendet werden.
Mit dieser im klinischen Alltag nützlichen Funktionalität soll die Compliance der
ParaReg-Anwender zum vollständigen Eintrag von Aufenthaltsdaten erhöht werden.
Diskussion
Bisher gibt es in Deutschland zwei wesentliche Datenerhebungen zu Querschnittlähmung:
Die bisher einzige Datensammlung, die grundlegende epidemiologische Aspekte von Querschnittgelähmten
in Deutschland erfasst (z. B. Anzahl von Patienten mit Tetra-/Paraplegie, Ursachen
des Querschnittlähmung, Anzahl Erstbehandlungen und Wiederaufnahmen), wird seit 1976
vom Querschnittgelähmten-Zentrum am BG Klinikum Hamburg betrieben [10 ]. Diese Datenerhebung sammelt allerdings nur Basisdaten auf Zentrumsebene und erlaubt
im Gegensatz zu ParaReg keine Aussagen über patientenindividuelle Verläufe.
Die zweite Datensammlung wurde 2001 mit der European Multicenter Study about Spinal
Cord Injury (EMSCI; http://emsci.org/ ) initiiert, bei der an mittlerweile 30 europäischen Querschnittzentren (15 aus Deutschland)
neurologische und funktionelle Verlaufsdaten während des ersten Jahres nach traumatischer
oder ischämischer Querschnittlähmung zu vordefinierten, auf das Verletzungsdatum bezogenen
Zeitfenstern erhoben werden [11 ]. Im Gegensatz zu ParaReg werden in EMSCI aber keine Daten zu Komorbiditäten, Komplikationen
und Langzeitverläufe dokumentiert. Darüber hinaus werden in EMSCI hauptsächlich Patienten
mit traumatischer Querschnittlähmung eingeschlossen, obwohl heutzutage die Mehrheit
der Querschnittlähmungen eine nicht-traumatische Ursache hat. Strukturierte Daten
zu nicht-traumatischen Krankheitsentitäten des Rückenmarks sind zum jetzigen Zeitpunkt
weder in Deutschland noch weltweit verfügbar.
Auf internationaler Ebene existieren neben EMSCI drei weitere große Register zur Dokumentation
von Querschnittgelähmten: Zum einen die seit 1975 bestehende National Spinal Cord
Injury Database (NSCID) in den USA [12 ], die Datenbank des in 2004 gegründete North American Clinical Trials Network (NACTN)
[13 ] und die seit 2006 aktive kanadische Rick Hansen Spinal Cord Injury Registry (RHSCIR)
[14 ] ([Tab. 2 ]). Während sich die Datenerhebung von NACTN wie EMSCI auf das erste Jahr nach Rückenmarkverletzung
beschränkt, werden sowohl in der NSCID als auch dem RHSCIR Langzeitverläufe dokumentiert.
Auch wenn in diesen beiden Registern die Follow-up Daten hauptsächlich mittels Interviews
erhoben werden, ist langfristig ein Datenvergleich mit ParaReg geplant, um Unterschiede
in der Effektivität der jeweiligen Gesundheitssysteme identifizieren.
Tab. 2 Übersicht von internationalen Registern zur Dokumentation von Querschnittgelähmten
und deren wesentlichen Kenndaten (Stand 2020).
Model Spinal Cord Injury System (MSCIS), USA [12 ]
North American Clinical Trials Network (NACTN), USA [13 ]
Rick Hansen Spinal Cord Injury Registry (RHSCIR), Kanada [14 ]
European Multicenter-Study about Spinal Cord Injury (EMSCI), Europa [11 ]
Gründungsjahr
1975
2006
2004
2001
Patientenpopulation
Akute traumatische Rückenmarkverletzungen
Akute traumatische Rückenmarkverletzungen
Akute traumatische Rückenmarkverletzungen
Akute traumatische und ischämische Querschnittlähmungen
Zeitpunkte Assessments Erstbehandlung
Aufnahme und Entlassung
Aufnahme und Entlassung
Aufnahme und Entlassung Primärzentrum und zusätzlich Erstreha
<4 Wo., 4, 12, 24, 48 Wo. nach Eintritt der Querschnittlähmung
Zeitpunkte Assessments Follow-up
1 und 5 Jahre, danach lebenslang alle 5 Jahre
6 und 12 Mon. nach Eintritt der Querschnittlähmung
1, 2 und 5 Jahre, danach lebenslang alle 5 Jahre
Kein Follow-up
Anzahl Variablen
Erstbehandlung: 682 Interview-basierter Follow-up: 339
Erstbehandlung: nicht bekannt Follow-up: 39
Erstbehandlung und -reha: 256 Interview-basierter Follow-up: 102
Bis zu 1020
Anzahl aktiv datenerhebende Zentren
14 (+5 nur follow-up)
8
15
23
Anzahl dokumentierte Patienten
34 734 (Sept. 2020)
>1200 (Ende 2017)
7800 (Ende 2019)
5006 (Ende 2019)
Finanzielle Unterstützung
National Institute on Disability, Independent Living, and Rehabilitation Research
(NIDILRR), Washington DC, USA
Christopher and Dana Reeve Foundation, Short Hills, NJ, USA
Praxis Institute, Vancouver, Kanada
Kein externes Funding
Allen größeren internationalen Registern ist gemeinsam, dass im Wesentlichen nur Menschen
mit einer traumatischen Querschnittlähmung eingeschlossen werden. Daher bietet sich
mit ParaReg erstmalig die Möglichkeit, zentrumsübergreifend patientenindividuelle
Langzeitverlaufsdaten von Querschnittgelähmten nicht nur mit traumatischer, sondern
vor allem auch mit nicht-traumatischer Ursache zu sammeln und zu analysieren. Zum
gegenwärtigen Stand, hat nach Abschluss der monozentrischen Alpha-Testphase die multizentrische
Datenerhebung an den 5 Querschnittzentren der ParaReg-Lenkungsausschusses begonnen,
die im Laufe der Jahre 2021/22 auf alle 27 DMGP-Querschnittzentren ausgeweitet werden
soll. Von technischer Seite wird die Möglichkeit zur Integration von gerätegestützt
erhobenen Daten von Smartsensors/-phones wie Aktivitätsdaten oder Patiententagebücher
geschaffen. Dies eröffnet die Möglichkeit einer kontinuierlichen, außerklinischen
Verlaufsdokumentation und eine spätere Korrelation mit Komplikationshäufigkeiten.
Das ParaReg-Register ist als Langzeitregister für den Betrieb über mehrere Jahrzehnte
ausgelegt, dessen Erhalt und Nachhaltigkeit durch die Schirmherrschaft und Führung
des Registers durch die DMGP-Fachgesellschaft hinaus gewährleistet ist. Mittelfristig
ist sowohl IT-technisch als auch von den ethisch-rechtlichen Rahmenbedingungen eine
Integration des EMSCI-Registers in das DSGVO-kompatible ParaReg-Register geplant.
In einem ersten Schritt in diese Richtung wurde eine Mehrsprachenunterstützung der
ParaReg-Eingabemasken implementiert.
Bei der Implementierung des ParaReg-Register traten bisher einige besondere Herausforderungen
auf: Der Aufwand und Zeitbedarf zur Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen mit
der Erstellung und rechtlichen Prüfung von Kooperations- und Datenverarbeitungsverträgen
war wesentlich höher als ursprünglich angenommen. Bei den berufs- und datenschutzrechtlichen
Beratungen bereiteten teilweise widersprüchliche Auflagen bzw. Empfehlungen große
Probleme. Hier wäre die Schaffung der Möglichkeit zu einer zentralen Begutachtung
sehr hilfreich. Bei der technischen Implementierung hat die konsequente Umsetzung
der Patientenrechte nach DSGVO hinsichtlich Dateneinsicht, Datenlöschung und ggfs.
Datenzerstörung auch aus Backups ähnlich viele Ressourcen beansprucht wie die Programmierung
der gesamten elektronischen Dateneingabeformulare.