Open Access
CC BY 4.0 · Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2022; 27(04): 174-177
DOI: 10.1055/a-1879-3900
Forum

Konsens: 10 Experten – 10 Statements – Wissenschaftlich fundierte Anwendung ätherischer Öle

 

Präambel

Die topische und inhalative Anwendung ätherischer Öle, auch als sog. Aromatherapie bezeichnet, dient der Prophylaxe und Behandlung unterschiedlicher Erkrankungen [1]. Der Einsatz ätherischer Öle ist fester Bestandteil der konventionellen Medizin wie zum Beispiel in der palliativmedizinischen Versorgung [2]. Die Anwendung mit ätherischen Ölen bietet den Patienten ein wirksames, allgemein nebenwirkungsarmes Behandlungskonzept, das auch prophylaktisch einsetzbar ist.


Das vorliegende Positionspapier zeigt für die Therapie und Prophylaxe mit ätherischen Ölen Möglichkeiten und Grenzen auf der Basis vorliegender wissenschaftlicher Untersuchungen.

Konsens

  1. Gesicherte Qualität.

    Ätherische Öle, deren Qualität einer anerkannten Monographie entsprechen muss, werden als standardisierte, qualitätsüberprüfte Kosmetika [3] [4], Medizinprodukte [5], Bedarfsgegenstände [6] [7] [8], Lebensmittel [9], Arzneimittel [10] [11] [12] [13] [14] in den Verkehr gebracht. Ihre gleichbleibende Qualität und Unbedenklichkeit wird durch die Gesetze, die Herstellungsvorschriften und die Überwachungsbehörden [15] gewährleistet. Ätherisch-Öl-Drogen werden in der sog. Aromatherapie überwiegend als Destillationsprodukte (ätherische Öle) und Pressungen eingesetzt [1].

  2. Marktrelevanz.

    Die weltweite Nachfrage für den Einsatz der ätherischen Öle in Therapie und Prophylaxe spiegelt den hohen Bedarf wieder und wird voraussichtlich bis 2024 ca.8,2 Milliarden USD erreichen. Nach einer Studie [16] entspricht dies einem jährlichen Wachstum von 8,4% in der Zeit von 2017 bis 2024. Angegeben werden die wertebezogenen Zahlen.

  3. Inhaltsstoffe

    Ätherische Öle sind Vielstoffgemische. Daraus ergibt sich, dass jede enthaltene Substanz andere Dosis-Wirkungsbeziehungen und eine synergistische, partialagonistische oder antagonistische Wirkungsbeziehung aufweist. Die wirksamkeitsmitbestimmenden Hauptinhaltsstoffe ätherischer Öle werden je nach biosynthetischem Ursprung und chemischer Struktur in Mono- und Sesquiterpene und Phenylpropanoide/Benzoide unterteilt [17] [18] [19].

  4. Wirkungen.

    Ätherische Öle mit ihren topischen, olfaktorischen und weiteren pharmakologischen Wirkungen sind experimentell breit untersucht [20] [21].

    Die messbaren physiologischen Reaktionen auf verschiedene Gewebe lassen sich reproduzierbar nachweisen [19] [20] [21] [22]. Ebenfalls werden verschiedene Krebszelllinien über olfaktorische Reizweiterleitung in ihrem Wachstum gehemmt [23] [24]. Bakterizide [25], viruzide [26] [27] [28] [29] und fungizide Wirkungen [30], psychologische Wirkungen [31] sowie wundheilungsfördernde [32], schmerzlindernde [33] und entzündungshemmende [34] Wirkungen ätherischer Öle wurden nachgewiesen.

  5. Klinische Daten.

    Zu einer Reihe von Krankheitsbildern und Symptomen liegen entsprechende klinisch repräsentative Studien aus den verschiedenen Fachbereichen (Onkologie, Orthopädie, Innere Medizin, Kinderheilkunde, Dermatologie etc.) vor. Infektionen [35], Schlafstörungen, Nervosität, Unruhe, Angst, Depressionen [36] [37] [38] [39], Übelkeit, Erbrechen [40], Schmerzen unterschiedlicher Genese [41] [42] [43] [44] [45] [46], menopausalem Syndrom [47], Atemwegserkrankungen [48].

  6. Verbesserung der Lebensqualität.

    Klinische Studien weisen eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität bei Mono- wie auch bei Kombinationstherapie mit ätherischen Ölen nach. Ätherische Öle können bei Tumorerkrankungen die Lebensqualität deutlich verbessern und Nebenwirkungen der konventionellen Therapie lindern. Der Schweregrad wird signifikant reduziert, gleichzeitig erhöht sich die Lebensqualität [40] [49].

  7. Belegte Therapiesicherheit

    Bei korrekter Handhabung sind klinisch erfahrungsgemäß nur wenige Hautreizungen leichter und vorübergehender Natur zu beobachten. Damit ist die Therapie mit ätherischen Ölen nach erfahrungsheilkundlicher Einschätzung insbesondere auch für vulnerable Patienten/-innen wie Kinder, Ältere, Multimorbide und multimedikamentös Behandelte geeignet. Kontaktallergien sind prinzipiell zu erwarten. Die Häufigkeit ihres Auftretens schwankt jedoch sehr, in Abhängigkeit des verwendeten ätherischen Öls. Bei der überwiegenden Mehrheit liegt sie unterhalb der „Standardallergene“ (wie Nickel, Konservierungsstoffen, wichtigen Duftstoffallergenen oder Gummi), und nur bei dreien (Ylang-Ylang, Sandelholzöl und Jasmin absolut) im unteren Bereich der Statistik der Standardallergene, und sind somit von Bedeutung [50] [51] [52].

  8. Oxidierung, Haltbarkeit, korrekte Nutzung.

    Zum Verbraucherschutz ist es wesentlich auf die Haltbarkeit und Lagerung zu achten, um Oxidationen zu vermeiden. Daraus ergibt sich, dass auf ein korrektes Labelling zu achten ist und der Verbraucher die Anwendungshinweise kennen und umsetzen muss [53]. Zudem kann die Verhinderung von Oxidationsprodukten durch die Beigabe von Antioxidantien erfolgen.

  9. Hohe Patientenzufriedenheit.

    Große Teile der Bevölkerung nutzen die Behandlung mit ätherischen Ölen und zeigen sich mit der Anwendung zufrieden. Dies ist im Ärzte- und Therapeutenkreis bekannt. Die Zufriedenheit kann aus den klinischen Beobachtungen und langjährigen Erfahrungen abgeleitet werden.

  10. Qualifizierende Fort- und Weiterbildung. In den Kursen zur Erlangung der Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ wird die Behandlung mit ätherisch-Öl-Drogen gelehrt, ebenso in Spezialkursen für Ärzte. Für paramedizinische Berufe wird ein breites Weiterbildungsspektrum angeboten [54] [55] [56] [57].


Resümee

Fazit

Qualität und Unbedenklichkeit der Therapie mit ätherischen Ölen sind belegt und durch deren gesetzliche Verankerung gewährleistet. Klinische Studien zeigen, dass ätherische Öle bei bestimmten Indikationen eine wirksame und sinnvolle Ergänzung zu chemisch-synthetischen Arzneimitteln sein können. Vertrauen und Akzeptanz in die Therapie mit ätherischen Ölen sind bei Ärzten/-innen, paramedizinischen Berufen wie auch Patienten/-innen hoch. Fort- und Weiterbildungskurse werden entsprechend häufig nachgefragt, um qualifiziert über die Möglichkeiten und Grenzen dieser Therapieform beraten zu können. Insgesamt ist die Therapie mit ätherischen Ölen sowohl in der niedergelassenen Praxis als auch im klinischen Bereich eine nicht-invasive und einfach zu applizierende Intervention für eine Vielzahl von Patienten vor allem auch in der Krankheitsprophylaxe.


Experten

Prof. Dr. med. André-Michael Beer (Moderator), Direktor der Klinik für Naturheilkunde der Klinik Blankenstein, Hattingen. Katholisches Klinikum Bochum gGmbH, Lehrbereich Naturheilkunde, Ruhr-Universität Bochum.

Prof. Dr. Dr. Dr. med habil. Hanns Hatt, Präsident der deutschen Wissenschaftsakademien, Mitglied der Leopoldiner, Emeritierter Professor des Lehrstuhls für Zellphysiologie an der Ruhr Universität Bochum, Ehemaliger Präsident der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste.

Protzen, Jens-Achim, Dipl. Chem., Ehemaliger Vorsitzender der EFEO und IFEAT.

Schmidt, Erich, Dipl. Ing., Parfümeur und Betriebswirt; Verantwortlicher für die Erstellung der ISO Normen.

Prof. Dr. Jürgen Reichling, Akademischer Direktor und Außerplanmäßiger Professor i.R., ehemals Institut für Pharmazie und Molekulare Biotechnologie der Universität Heidelberg, Sachverständiger in die Kommission F (veterinärmedizinischer Bereich) nach §25 Abs. 6 und 7 des AMG

Prof. Dr. rer. cur. Peter Schiffer, Evangelische Hochschule, Ludwigsburg.

Priv.-Doz. Dr. med. Axel Schnuch, Facharzt für Dermatologie und Allergologie, Leiter des IVDK Informationsverbund Dermatologischer Kliniken ein Aninstitut der Universität Göttingen, Mitarbeit im Ärzteausschuss Arzneimittelsicherheit (ÄAAS) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und der AkdÄ seit 1997, Leiter der Arbeitsgruppe „Haut und Allergie“ der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe („MAK-Kommission“ der DFG) seit 1998, Ordentliches Mitglied der o. g. Senatskommission der DFG seit 2001, Leiter des European Surveillance System on Contact Allergies 2002–2006.

Prof. Dr. med. Claus Schulte-Uebbing, Frauenheilkunde, Onkologie, Immunologie, Toxikologie, Naturheilverfahren, Akupunktur, München.

Prof. Dr. med. Georg Seifert, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie an der Charité, Berlin.

Wolz, Dietmar, Apotheker, Kempten.




Publication History

Article published online:
26 August 2022

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