Gesundheitswesen 2023; 85(11): 1054-1059
DOI: 10.1055/a-1955-9895
Originalarbeit

Effekte von Kooperationen auf die gesundheitliche Versorgung nach häuslicher und sexualisierter Gewalt in Hessen und deren Auswirkungen auf die Umsetzung der Istanbul-Konvention

Effects of Cooperation on Health Care after Domestic and Sexualised Violence in Hesse and its Impact on the Implementation of the Istanbul Convention
Stefanie Haneck
,
Daphne Hahn
1   Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Hochschule Fulda, Fulda, Germany
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Zusammenfassung

Hintergrund Häusliche und sexuelle Gewalt stellt ein zentrales Risiko für die Gesundheit von Frauen dar. Die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt stellt auch an die gesundheitliche Versorgung neue Anforderungen. Für eine adäquate Versorgung von Betroffenen ist die Zusammenarbeit zwischen den an der Versorgung beteiligten Stellen sehr wichtig. Bisher fehlen jedoch Übersichten über Arbeitsweisen und Vernetzungsformen im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Versorgung nach Gewalt.

Methode Es wurden 34 leitfadengestützte Experteninterviews mit Gesundheitsfachkräften in Kliniken und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens, Mitarbeiter*innen in Schutzambulanzen und Beratungsstellen, Frauenbeauftragten sowie Koordinierungsstellen geführt. Die Interviews wurden mit der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet.

Ergebnisse Eine kontinuierliche und strukturierte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens und weiteren Akteuren in Hessen in Bezug auf das Thema Gewalt fehlt bisher. Es existieren in Hessen Angebote, die auf die gesundheitliche Versorgung nach sexueller und/oder häuslicher Gewalt spezialisiert sind. Eine Zusammenarbeit findet allerdings im Gesundheitswesen meistens nur anlassbezogen statt. Im Rahmen der regionalen Runden Tische gegen häusliche Gewalt gibt es keine Gesundheitsfachkräfte als feste Teilnehmer*innen.

Schlussfolgerung Eine adäquate gesundheitliche Versorgung nach häuslicher und sexueller Gewalt kann für Betroffene nicht gewährleistet werden. Die Einrichtung einer Koordinierungsstelle, die allein für die gesundheitliche Versorgung nach Gewalt zuständig ist, könnte die verschiedenen Akteure zusammenbringen und eine kontinuierliche Arbeit an der Thematik gewährleisten.

Abstract

Background Domestic and sexual violence are key risks to the health of women. The Istanbul Convention on preventing and combating violence against women and domestic violence imposes new requirements on the provision of healthcare. In order to offer an adequate level of healthcare to those affected, cooperation between involved facilities is of high importance. So far, however, surveys on working methods and networking modes in connection with post-violence healthcare have been lacking.

Method A total of 34 manual-based expert interviews were conducted with healthcare professionals in clinics and other healthcare facilities, with staff members of dedicated protective outpatient clinics, coordination or counselling centres and with women’s representatives. The interviews were subjected to qualitative content analysis.

Results To date, in Hesse there has been no continuous or structured cooperation between the various healthcare facilities and other actors with regard to the issue of violent abuse. While there exist services in Hesse that specialise in healthcare following sexual and/or domestic violence, cooperation within the healthcare system only occurs on an ad-hoc basis. No healthcare professionals are permanent participants in the regional Round Table initiatives against domestic violence.

Conclusion Adequate provision of care following domestic or sexual violence is currently not guaranteed for those affected. The establishment of a coordination office that is solely responsible for the provision of care to victims of violence could potentially bring the various involved parties together and ensure that continuous efforts are made to address the issue.



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Article published online:
17 November 2022

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