Gesundheitswesen 2024; 86(04): 289-293
DOI: 10.1055/a-2251-5686
Übersichtsarbeit

WHO-Leitlinie: Versorgung von Frühgeborenen und Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht

WHO Recommendations for Care of the Preterm or Low-Birth-Weight Infant
1   Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation, Universität für Weiterbildung Krems, Krems, Austria
,
Barbara Nußbaumer-Streit
1   Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation, Universität für Weiterbildung Krems, Krems, Austria
,
Gerald Gartlehner
1   Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation, Universität für Weiterbildung Krems, Krems, Austria
2   Research Triangle Institute International, RTI-UNC Evidence-based Practice Center, Research Triangle Park, United States
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Frühgeborene (Gestationsalter<37 Wochen) und Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht (< 2,5 kg) benötigen komplexe Pflege, um ihr Überleben zu sichern und ihre körperliche und neurologische Entwicklung zu fördern. Ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen, Infektionen, Ernährungsprobleme und Schwierigkeiten bei der Regulierung der Körpertemperatur erfordern umfassende Pflege- und Versorgungsmaßnahmen.

Zielsetzung Ziel dieser Leitlinie ist, die globale Versorgung von Frühgeborenen und Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht durch aktualisierte Empfehlungen zu verbessern.

Methodik Die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in dieser Leitlinie nach den Standards des WHO Handbuchs für Leitlinienentwicklung umgesetzt. Die vorliegende Publikation wurde von Mitarbeiter*innen des WHO Collaborating Centre an der Universität für Weiterbildung Krems (Österreich) auf Deutsch übersetzt.

Ergebnisse/Schlussfolgerungen Diese Leitlinie umfasst 11 starke und 14 bedingte Empfehlungen, gegliedert in 16 vorbeugende und fördernde Maßnahmen, 6 Empfehlungen zum Umgang mit Komplikationen und 3 zur Unterstützung und Einbindung der Familie sowie ein Good-Practice-Statement.


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Abstract

Background Premature infants (gestation age<37 weeks) and low-birth-weight infants (< 2.5 kg) require complex care to ensure their survival, growth and neurological development. Increased risk for developmental disorders, infections, and challenges with nutrition and body temperature regulation require comprehensive measures in care.

Aim The aim of this guideline was to improve the care of premature and low-birth-weight infants through updated recommendations.

Methods The recommendations of the World Health Organization (WHO) have been implemented in this guideline in accordance with the WHO handbook for guideline development. This publication has been translated into German by staff members of the WHO Collaborating Centre at the Danube University Krems (Austria).

Results/Conclusions This guideline includes 11 strong and 14 conditional recommendations, of which 16 describe preventive and promotive care, 6 recommendations about care for complications and 3 for family involvement and support, as well as one statement of good practice.


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Hintergrund

Der nachfolgende Text fasst die Leitlinie „WHO recommendations for care of the preterm or low-birth-weight infant“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Deutsch zusammen [1]. Die Übersetzung erfolgte durch Mitarbeiter*innen des WHO Collaborating Centre am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation der Universität für Weiterbildung Krems, Österreich.

Wenn ein Kind vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren wird (Gestationsalter < 37+0), spricht man von einer Frühgeburt. Hat ein Kind bei der Geburt weniger als 2,5 kg, gilt es als Neugeborenes mit niedrigem Geburtsgewicht

Ungefähr 45% aller Kinder unter fünf Jahren, die weltweit versterben, sind Neugeborene. Rund 60–80% davon sind Frühgeborene und/oder Kinder, die für ihr Gestationsalter zu klein bzw. untergewichtig sind. Frühgeborene und Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht haben ein 2- bis 10-fach höheres Sterberisiko als Kinder, die zum Geburtstermin und mit einem normalen Geburtsgewicht geboren werden. Trotz erheblicher Fortschritte in den letzten 10 Jahren sind Überleben, Gesundheit, Wachstum und neurologische Entwicklung von Frühgeborenen und Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht in vielen Ländern nach wie vor besorgniserregend. Gründe dafür sind unter anderem die Komplexität der Versorgung dieser vulnerablen Säuglinge und Komplikationen.

Die Versorgung von Frühgeborenen und Kindern mit niedrigem Geburtsgewicht ist eine globale Priorität. Die WHO-Abteilungen für Gesundheit von Müttern, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen und Altern (Maternal, Newborn, Child and Adolescent Health and Ageing), sowie Sexuelle und Reproduktive Gesundheit und Forschung (Sexual and Reproductive Health and Research) haben drei Leitlinien für die Versorgung von Frühgeborenen oder Säuglingen mit niedrigem Geburtsgewicht entwickelt:

  • Leitlinien zur optimalen Ernährung von Säuglingen mit niedrigem Geburtsgewicht in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, 2011 [2];

  • WHO-Empfehlungen für Interventionen zur Verbesserung frühgeburtlicher Outcomes, 2015 [3]; und

    Empfehlungen für den Umgang mit häufigen Kinderkrankheiten, 2012 [4].

Seit der Erstellung dieser Leitlinien sind jedoch in vielen Bereichen neue Erkenntnisse gewonnen worden. Eine Übersichtsarbeit über 203 Studien aus Ländern mit niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen berichtete, was den Familien bei der Versorgung ihres Frühgeborenen oder Kindes mit niedrigem Geburtsgewicht wichtig ist. Die Familien wünschten sich einen positiven Effekt auf die Gesundheit und Entwicklung ihres Babys, an der Pflege beteiligt zu sein und aktiv mitzuentscheiden welche Behandlungen das Baby erhält. Die Werte und Präferenzen der Familien in Bezug auf die Versorgung ihres Frühgeborenen oder Neugeborenem mit niedrigem Geburtsgewicht sind in der Leitlinie unter Kapitel 1, Tabelle 1.1 aufgelistet [1].

Die vorliegende aktuelle Leitlinie steht im Einklang mit den Interventionen und Empfehlungen der WHO-Dokumente zur Versorgung von Frühgeborenen und Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht und soll diese nicht ersetzen. Zwei rezente WHO-Empfehlungen ersetzen jedoch die WHO-Empfehlung für Interventionen zur Verbesserung frühgeburtlicher Outcomes von 2015 [3]:

  • WHO-Empfehlungen zu pränatalen Kortikosteroiden zur Verbesserung frühgeburtlicher Outcomes, 2022 [5];

  • WHO-Empfehlung zur Tokolyse zur Verbesserung der Ergebnisse bei Frühgeburten, 2022 [6]


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Zielgruppe der Leitlinie

Die Empfehlungen in dieser Leitlinie sollen als Grundlage für die Entwicklung von nationalen und regionalen Gesundheitsstrategien, klinischen Protokollen und programmatischen Leitfäden dienen. Zur Zielgruppe gehören daher nationale und regionale Entscheidungsträger*innen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, Umsetzer*innen und Manager*innen von Gesundheitsprogrammen für Mütter, Neugeborene und Kinder, Manager*innen von Gesundheitseinrichtungen, Supervisoren*innen, Dozent*innen für die berufsbegleitende Ausbildung, Gesundheitsfachkräfte (einschließlich Hebammen, Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, Kinderärzt*innen, Neonatolog*innen, Allgemeinmediziner*innen und kommunale Gesundheitshelfer*innen), Nichtregierungsorganisationen, Berufsverbände, die an der Planung und Verwaltung von Gesundheitsdiensten für Mütter, Neugeborene und Kinder beteiligt sind, akademisches Personal, das in der Forschung und in der Aus- und Weiterbildung von Gesundheitsfachkräften tätig ist, sowie Personen, die an der Elternbildung beteiligt sind.


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Methodik der Leitlinienentwicklung

Die wichtigsten Aspekte der Leitlinie wurden vom WHO Collaborating Centre am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Universität für Weiterbildung Krems in Österreich auf Deutsch übersetzt. Die Leitlinie wurde gemäß der im WHO Handbuch zur Leitlinienentwicklung empfohlenen Methoden erstellt [7]. Dies beinhaltete die Einberufung eines Evidenz-Synthese-Teams (EST) und einer internationalen Expertengruppe für Leitlinienentwicklung (Guideline Development Group [GDG]). Der Prozess umfasste: (i) die Auswahl der wichtigsten Fragestellungen und Endpunkte, (ii) Beschaffung der Evidenz, (iii) kritische Bewertung und Synthese der Evidenz, (iv) Formulierung von Empfehlungen und Verfassen der Leitlinie, und (v) Planung der Dissemination, Implementierung, Evaluierung des Impacts und der Aktualisierung der Empfehlungen.

Zur Bewertung der Vertrauenswürdigkeit der quantitativen Evidenz wurde der „Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation“ (GRADE)-Ansatz angewandt [8], Evidenz aus qualitativen Studien wurde mit dem GRADE-CERQual (Confidence in the Evidence from Reviews of Qualitative Research) Tool bewertet [9]. Der DECIDE-Ansatz (Developing and Evaluating Communication strategies to (Developing and Evaluating Communication strategies to support Informed Decisions and practice based on Evidence), ein Evidenz-zu-Entscheidungs-Tool, diente als Leitfaden für die Evidenzrecherche, Evidenzsynthese und Beurteilung der verschiedenen Kriterien durch die EST sowie die Formulierung von Empfehlungen durch die GDG. Dies beinhaltete die Bewertung der Auswirkungen (Nutzen und Schaden) der Interventionen der Interventionen auf die Endpunkte bei Säuglingen sowie die Berücksichtigung der Werte der Familien und des Gesundheitspersonals, der Akzeptanz und Durchführbarkeit der Interventionen, der erforderlichen Ressourcen und etwaigen Auswirkungen auf die Gleichbehandlung.

Empfehlungen wurden unter Verwendung der WHO Guidelines Review Committee Kriterien entwickelt: “starke” Empfehlungen gelten in der Regel für alle Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht; “bedingte” Empfehlungen bedeuten, dass die Intervention unter bestimmten Bedingungen empfohlen wird. Ein “Good Practice Statements” wurde für Interventionen formuliert, die offensichtlich vorteilhaft waren und in den meisten Fällen durchgeführt werden sollten, obwohl es keine, wenig oder nur Evidenz mit sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit gab. Die GDG-Mitglieder interpretierten die Evidenz, formulierten Empfehlungen und ergänzten diese mit Anmerkungen und Überlegungen während virtueller Treffen, die zwischen November 2021 und Januar 2022 abgehalten wurden.


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Empfehlungen

Diese Leitlinie umfasst 11 starke und 14 bedingte Empfehlungen, wovon 11 neu und 14 aktualisiert wurden. Sie sind gegliedert in 16 vorbeugenden und fördernden Maßnahmen, 6 Empfehlungen zur Versorgung von Komplikationen und 3 Empfehlungen zur Unterstützung und Einbindung der Familie. Es wurde ein Good-Practice-Statement für Karenzzeiten beziehungsweise Elternzeiten und Leistungsansprüche der Eltern abgegeben.

Vorbeugende und fördernde Maßnahmen

  • Jede Art der Känguru-Methode:

    Die Känguru-Methode („Kangaroo mother care“) wird als Routineversorgung für alle Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht empfohlen. Darunter versteht man den frühen, kontinuierlichen und längeren Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Baby und Mutter (oder anderen Betreuungspersonen). Dazu zählt auch ausschließliches Stillen (neben Muttermilch keine weiteren Flüssigkeiten oder Beikost). Die Känguru-Methode kann in Gesundheitseinrichtung oder zu Hause begonnen werden und sollte 8–24 Stunden pro Tag durchgeführt werden (so viele Stunden wie möglich). (Starke Empfehlung, hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Sofortige Känguru-Methode:

    Die Känguru-Methode für Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht sollte so schnell wie möglich nach der Geburt begonnen werden. (Starke Empfehlung, hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Eigene Muttermilch:

    Es wird empfohlen, die eigene Muttermilch für die Ernährung von Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht, einschließlich sehr Frühgeborenen (< 32 Schwangerschaftswochen) oder Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht (< 1,5 kg) zu verwenden. (Starke Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Gespendete Frauenmilch:

    Wenn die eigene Muttermilch nicht verfügbar ist, kann die Verwendung von gespendeter Frauenmilch als Ernährung für Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht, einschließlich sehr Frühgeborener oder Neugeborener mit sehr niedrigem Geburtsgewicht in Betracht gezogen werden. (bedingte Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Anreicherung von Muttermilch:

    Eine Mehrkomponentenanreicherung von Muttermilch wird nicht routinemäßig für alle Frühgeborenen oder Kinder mit niedrigem Geburtsgewicht empfohlen. Für sehr Frühgeborene oder Neugeborene mit sehr niedrigem Geburtsgewicht, welche mit eigener Muttermilch oder gespendeter Frauenmilch gefüttert werden, kann eine Anreicherung in Betracht gezogen werden. (bedingte Empfehlung, niedrige bis moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Säuglingsanfangsnahrung

    Wenn eigene oder fremde Muttermilch nicht verfügbar ist, kann nährstoffreiche Säuglingsanfangsnahrung für sehr Frühgeborene oder Neugeborene mit sehr niedrigem Geburtsgewicht in Betracht gezogen werden. (bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Frühzeitiger Beginn der enteralen Ernährung:

    Frühgeborene und Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht, einschließlich sehr Frühgeborener und Neugeborener mit sehr niedrigem Geburtsgewicht, sollten so früh wie möglich ab dem ersten Tag nach der Geburt gefüttert werden. Säuglinge, die gestillt werden können, sollten so bald wie möglich nach der Geburt an die Brust gelegt werden. Säuglinge, die nicht gestillt werden können, sollten abgepumpte Muttermilch erhalten, sobald diese verfügbar ist. Wenn eigene Muttermilch nicht verfügbar ist, sollte nach Möglichkeit gespendete Frauenmilch verwendet werden. (Starke Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Anmerkung: Enterale Ernährung beinhaltet Stillen, Geben von Muttermilch mit Hilfe von Bechern, oder mittels Sonde.

  • Füttern nach Bedarf und planmäßiges Füttern:

    In Gesundheitseinrichtungen kann für Frühgeborene, die vor der 34. Schwangerschaftswoche geboren wurden, planmäßiges Füttern anstelle von Füttern nach Bedarf in Betracht gezogen werden, bis der Säugling entlassen wird. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Schnelle und langsame Erhöhung der Nahrungsmenge:

    Bei Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht, einschließlich sehr Frühgeborenen oder Neugeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht, die durch eine alternative Fütterungsmethode als Stillen (z. B. Magensonde oder Becherfütterung) ernährt werden müssen, kann die Fütterungsmenge um bis zu 30 ml/kg pro Tag erhöht werden. (Bedingte Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Dauer des Voll-Stillens:

    Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht sollten ausschließlich gestillt werden, bis sie sechs Monate alt sind. (Starke Empfehlung, sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Supplementierung von Eisen:

    Eine enterale Supplementierung von Eisen wird für mit (eigener oder fremder) Muttermilch ernährte Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht empfohlen, die kein Eisen aus anderen Quellen erhalten. (Starke Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Supplementierung von Zink:

    Eine enterale Supplementierung von Zink kann für mit (eigener oder fremder) Muttermilch ernährte Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht in Betracht gezogen werden, die kein Zink aus anderen Quellen erhalten. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Supplementierung von Vitamin D:

    Eine enterale Supplementierung von Vitamin D kann für mit (eigener oder fremder) Muttermilch ernährte Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht in Betracht gezogen werden, die kein Vitamin D aus anderen Quelle erhalten. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Supplementierung von Vitamin A:

    Eine enterale Supplementierung von Vitamin A kann für mit (eigener oder fremder) Muttermilch ernährte Frühgeborene oder Neugeborene mit niedrigem Geburtsgewicht in Betracht gezogen werden, die kein Vitamin A aus anderen Quelle erhalten. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Probiotika:

    Probiotika können für sehr Frühgeborene die mit (eigener oder fremder) Muttermilch ernährt werden, in Betracht gezogen werden. (Bedingte Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Emollienzien (Hautpflegemittel):

Die Anwendung von Ölen (zur äußeren Anwendung) am Körper von Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht kann in Betracht gezogen werden. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)


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Versorgung von Komplikationen

  • Continuous Positive Airway Pressure für akute Atemnotsyndrome:

    Die Beatmung mit kontinuierlichem Atemwegsüberdruck („continuous positive airway pressure“, kurz CPAP) wird bei Frühgeborenen mit klinischem Anzeichen eines akuten Atemnotsyndroms empfohlen. (Starke Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Continuous Positive Airway Pressure unmittelbar nach der Geburt:

    CPAP kann unmittelbar nach der Geburt bei sehr Frühgeborenen in Betracht gezogen werden, mit oder ohne akute Atemnot. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Continuous Positive Airway Pressure Anwendungen (“Bubble-CPAP”):

    Für Frühgeborene, die CPAP benötigen, kann „Bubble-CPAP“ gegenüber anderen Anwendungen (z. B. herkömmlicher Beatmung mit CPAP-Systemen) in Betracht gezogen werden. Bubble-CPAP erzeugt Vibrationen in den Atemwegen, die den Gasaustausch in den Alveolen durch hochfrequente Schwingungen mit niedriger Amplitude verbessern [10]. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Methylxanthin zur Behandlung von Apnoe:

    Koffein wird zur Behandlung von Apnoe bei Frühgeborenen empfohlen. Wenn Koffein nicht verfügbar ist, können andere Methylxanthine (Aminophyllin oder Theophyllin) in Betracht gezogen werden (Starke Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Methylxanthin zur Extubation:

    Koffein wird bei Extubation von Frühgeborenen vor der 34. Schwangerschaftswoche empfohlen. (Starke Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Methylxanthin zur Vorbeugung von Apnoe:

Koffein kann zur Vorbeugung von Apnoe bei Frühgeborenen vor der 34. Schwangerschaftswoche in Betracht gezogen werden. (Bedingte Empfehlung, niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)


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Unterstützung und Einbindung der Familie

  • Einbindung der Familie:

    In Gesundheitseinrichtungen wird die Einbindung der Familie bei der Routineversorgung von Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht empfohlen. (starke Empfehlung, niedrige bis moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Familienunterstützung:

    Familien von Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht sollten zusätzliche Unterstützung bei der Pflege ihres Kindes erhalten, beginnend in Gesundheitseinrichtungen ab der Geburt und fortgesetzt im Rahmen der Nachbetreuung nach Entlassung. Die Unterstützung kann folgende Aspekte umfassen: Edukation, Beratung und Entlassungsvorbereitung durch Gesundheitspersonal, sowie Unterstützung durch andere Familien, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. (bedingte Empfehlung, sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Hausbesuche:

    Hausbesuche von geschultem Gesundheitspersonal werden empfohlen, um Familien bei der Versorgung ihres Frühgeborenen oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht zu unterstützen. (Starke Empfehlung, moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz)

  • Karenz und Leistungsansprüche:

Karenzzeiten und Leistungsansprüche sollten die besonderen Bedürfnisse von Müttern, Vätern und anderen primären Betreuungspersonen von Früh- und Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht berücksichtigen (Good-Practice-Statement).


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dominic Ledinger
Universität für Weiterbildung Krems
Evidenzbasierte Medizin und Evaluation
Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30
3500 Krems
Austria   

Publication History

Article published online:
11 March 2024

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

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