Gesundheitswesen 2025; 87(04): 243-245
DOI: 10.1055/a-2528-0506
Editorial

Kurs aufs Riff

Manfred Wildner
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Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde hat uns eine Mahnung hinterlassen: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ [1]. Böckenförde meint mit diesen vorstaatlichen Voraussetzungen einen gesellschaftlichen (Minimal)Konsens, der vom Staat nicht erzwungen werden kann – man beachte dafür die Unterscheidung von „Staat“ und „Gesellschaft“ [2]. Böckenförde bezeichnet diese Voraussetzungen auch als explizit Kulturen und Religionen übergreifendes demokratisches Ethos, als die „gemeinsame Vorstellung davon […], wie man zusammenleben will“, welche sich gesellschaftlich bilden muss [3]. Toleranz und Anerkennung von Andersartigkeit ergänzen dabei Gemeinschaftsorientierung und Solidarität, sie ersetzen diese nicht. Es ist im Interesse des Staates, auch bei gegebener Neutralität gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften, weltanschauliche, politische, kirchliche oder soziale Bewegungen und auch Familien und Individuen zu fördern, welche diesen Gemeinsinn leben. Das hier angesprochene demokratische Ethos ist ganz wesentlich ein Kind der Aufklärung, einer Geistesströmung, deren Vertreter mit Ihrer Betonung von Vernunft, individueller Freiheit und politischen Rechten die Basis für die modernen Demokratien legten. Die Aufklärung trug auch zum Erstarken der modernen empirischen wissenschaftlichen Methode bei, der wir so viel verdanken – nicht zuletzt die Aussicht auf ein langes und gesundes Leben für viele Menschen.



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Article published online:
14 April 2025

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