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CC BY 4.0 · Gesundheitswesen
DOI: 10.1055/a-2683-9705
Original Article

Stationäre Endometrioseversorgung in Deutschland – Krankenhausfallzahlen und ihre räumliche Verteilung

Article in several languages: English | deutsch

Authors

  • Lara Brauer

    1   Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Philipps-Universität Marburg, Fachbereich 20 Medizin, Marburg, Germany
  • Limei Ji

    1   Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Philipps-Universität Marburg, Fachbereich 20 Medizin, Marburg, Germany
  • Max Geraedts

    1   Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Philipps-Universität Marburg, Fachbereich 20 Medizin, Marburg, Germany
 

Zusammenfassung

Hintergrund

Endometriose ist eine chronische gynäkologische Erkrankung mit einer geschätzten Prävalenz von 10–15%. Die deutsche Leitlinie enthält evidenzbasierte Empfehlungen für Diagnose und Behandlung, jedoch scheint es aufgrund langer Diagnosewege eine dysfunktionale oder unzureichende Versorgung zu geben. Aktuelle deutsche Studien befassen sich mit den regionalen Unterschieden in der ambulanten Versorgung, Forschung zu stationärer Endometrioseversorgung fehlt bisher.

Ziel der Studie

Die Studie untersuchte die räumliche Verteilung der stationären Endometrioseversorgung, genauer gesagt die Krankenhausstandorte und ihre Fallzahlen. Räumliche Abdeckung, Verteilungsmuster der Fallzahlen und mögliche Cluster wurden bei zertifizierten Endometriosezenten (CEC) und nicht-zertifizierten Standorten bundesweit evaluiert.

Methode

Datenquelle waren die deutschen Krankenhaus-Qualitätsberichte aus dem Jahr 2021. Krankenhausstandorte, Zertifizierungsstatus und Fallzahlen (kodierte ICD-10 N80 Endometriosefälle) wurden erfasst. Danach wurde der 20-, 40- und 60-Minuten Fahrzeitradius zu den CEC und den nicht-zertifizierten Krankenhäusern ermittelt. Global und Local Moran’s I wurde berechnet um räumliche Cluster der Fälle zu bestimmen.

Ergebnisse

Ein 60-Minuten Fahrzeitradius zu CEC deckt 78,15% der Fläche in Deutschland ab. Unter Einbeziehung aller Krankenhausstandorte, die Endometriose kodiert haben, ergibt sich bei einer maximalen Fahrtzeit von 40 Minuten eine fast landesweite Abdeckung. Hohe Fallzahlen-Cluster traten in städtischen Gebieten und niedrige Fallzahlen-Cluster vor allem in Ostdeutschland auf.

Schlussfolgerung

Die Ergebnisse deuten auf räumliche Cluster der Fallzahlen und auf Schwierigkeiten beim Zugang zu den CEC für Patientinnen je nach Standort hin. Weitere Untersuchungen mit Daten auf Patientinnen-Ebene sind erforderlich, um die räumliche Verteilung der Personen und die genaue Fahrtzeit für die stationäre Versorgung zu untersuchen.


Einleitung

Endometriose ist eine gutartige, chronische gynäkologische Erkrankung, die mit schmerzhafter Menstruation, starken Blutungen oder Unfruchtbarkeit assoziiert ist [1] [2] . Die Krankheit hat erhebliche Auswirkungen auf das Leben der Frauen und sie erleben häufig mangelndes Verständnis seitens des Gesundheitssystems, Stigmatisierung ihrer Schmerzen und verzögerte Diagnosen [2] [3] .

Die genaue Versorgungssituation von Patientinnen mit Endometriose oder auch verlässliche Werte zur Prävalenz sind jedoch in Deutschland aufgrund fehlender Daten nicht verfügbar [4] . Schätzungsweise 10–15% aller Frauen im reproduktiven Alter sind betroffen und jährlich erkranken 40.000 Frauen an Endometriose [4] . Aktuelle Untersuchungen zeigten, dass die jährliche Prävalenz von 2012 bis 2022 weiter anstieg, jedoch unter den epidemiologischen Prävalenzschätzungen blieb [5] .

Die Leitlinie Diagnostik und Therapie der Endometriose [6] enthält zwar evidenzbasierte Empfehlungen für Diagnostik und Behandlung, dennoch vergehen im Durchschnitt 2,3 Jahre vom ersten Auftreten der Symptome bis zum Erstkontakt mit einem Arzt oder einer Ärztin und 7,7 Jahre vom ersten Kontakt bis zur Diagnose [7] . Dies deutet darauf hin, dass die Versorgung nach wie vor dysfunktional oder unzureichend zu sein scheint, insbesondere aufgrund der langen Diagnosewege.

In mehreren europäischen Ländern wurden ein Zertifizierungsprogramm und Behandlungsstandards initiiert, um die Qualität der Versorgung von Endometriose-Patientinnen zu verbessern [6] . Die deutsche Leitlinie fordert, dass Patientinnen von einem interdisziplinären Team in einer zertifizierten Struktur (z. B. einem Zentrum) behandelt werden sollten, in dem alle erforderlichen Fachrichtungen sektorübergreifend integriert sind. Der konsensbasierte Versorgungsalgorithmus sieht daher zertifizierte Endometriosezentren (CEC) für Diagnostik, operative/interdisziplinäre Laparoskopie, Kontrolle und konservative Therapie vor [6] . Ergebnisse des Qualitätssicherungsprogramms QS ENDO für den deutschsprachigen Raum (DACH-Region) zeigten jedoch, dass etwa 60% der Endometriose-Patientinnen nicht in Krankenhäusern mit CEC behandelt werden [8] .

Es gibt nur wenige Untersuchungen zu den Unterschieden in der Qualität der Versorgung in CEC und einem nicht-zertifizierten Krankenhaus. Im Allgemeinen ist die leitlinienkonforme Versorgung in zertifizierten Zentren, z. B. bei der Krebsversorgung, prozentual höher als in nicht-zertifizierten Einrichtungen [9] . Speziell für CEC wurden eine bessere Lebensqualität und niedrigere Komplikationsraten mit dem Zertifizierungsstatus assoziiert [10] .

Obwohl die ESHRE Leitlinie Endometriose [11] eine Laparoskopie nicht mehr als diagnostischen Goldstandard empfiehlt, ist die Laparoskopie nach wie vor das Standardverfahren zur chirurgischen Therapie [6] . Häufig wird eine Laparoskopie zur diagnostischen Untersuchung und, falls erforderlich, zur Behandlung der Endometriose im selben Eingriff eingesetzt [6] , wodurch die stationäre Versorgung ihre wichtige Bedeutung erhält. Über die Struktur der stationären Endometrioseversorgung, insbesondere über die Verteilung der Krankenhäuser, die eine derartige Versorgung in Deutschland leisten, ist jedoch wenig bekannt. Die Notwendigkeit eines regionalen Monitorings zur Bewertung der Versorgung als erster Schritt für eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Versorgungsgerechtigkeit ist hinreichend belegt [12] [13] , weshalb Untersuchungen zur Verteilung der stationären Versorgung und der zertifizierten Versorgungsstruktur bei Endometriose notwendig sind.

Ziel dieser Studie war es daher, die räumliche Verteilung und Erreichbarkeit von Krankenhäusern mit und ohne Zertifizierung zu untersuchen und ihre Fallzahlen zu bewerten, um Regionen mit eingeschränktem Zugang zu spezialisierter Versorgung aufzuzeigen.


Methoden

Die Studie nutzte als Datenquelle die deutschen Krankenhausqualitätsberichte (HQR) aus dem Jahr 2021, Isochrone Verfahren in OpenRouteService sowie ein räumliches Autokorrelationsverfahren (Global Moran’s I) und eine Cluster- und Ausreißeranalyse (Anselin Local Moran’s I) in ArcGIS Pro 2024 für die räumliche Analyse der codierten stationären Fallzahlen

Datenquellen

Deutsche Krankenhausqualitätsberichte
Die HQR werden vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Verfügung gestellt, der festgelegt hat, dass die Krankenhäuser jährlich für jeden Standort über die stationäre Versorgung berichten müssen [14] .

Als Grundgesamtheit wurden die codierten Endometriose-Fallzahlen, definiert als eine Entlassungsdiagnose ICD-10 N80 Endometriose inklusive aller Untergruppen, jedes Krankenhausstandortes im HQR 2021 herangezogen. Außerdem wurden stationäre endometriosebezogene Eingriffe anhand des Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) ermittelt. Gemäß der Leitlinie Endometriose existieren spezifische OPS nur zum Teil und hauptsächlich für die Destruktion von Endometrioseherden [6] . Daher wurden die OPS 5-651.b , 5-702.2 und 5-702.4 eingeschlossen. Andere OPS wurden ausgeschlossen, da es nicht möglich ist herauszufiltern, ob sie speziell für Endometriose codiert wurden. Die eingeschlossenen ICD-10 und OPS-Codes sind im Online-Anhang ( Tabelle S1 ) aufgeführt.

Die exakte Fallzahl wird im HQR aus Datenschutzgründen nicht angegeben, wenn diese weniger als vier Fälle beträgt [15] . In diesem Fall wurde ein ungerade Wert von 1,5 Fällen angenommen, wie es bereits bei anderen Analysen der HQR-Daten [16] angewandt wurde. Etwaige Fehler bei der Berechnung der gesamten Fallzahl wurden mittels DESTATIS-Daten überprüft. Laut DESTATIS wurden im Jahr 2021 32.304 entlassene Patientinnen als Endometriosefälle codiert [17] .

Darüber hinaus wurden Name, Standort-ID und Adresse des Krankenhauses extrahiert.


Liste der zertifizierten Endometriosezentren

Die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. listet auf ihrer Website [18] alle von der Stiftung Endometriose Forschung (SEF) zertifizierten Krankenhäuser. Daher wurden alle auf dieser Website aufgeführten Krankenhäuser als CEC definiert. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung (15. Juli 2024) waren 72 Einrichtungen als zertifiziert gelistet, von denen 68 im HQR 2021 identifiziert wurden. Die verbleibenden 4 waren entweder ambulante Einrichtungen und vermutlich versehentlich bei den stationären CEC aufgeführt, oder diese haben ihren HQR für 2021 nicht übermittelt. Daher wurden n=68 Krankenhäuser in unsere CEC-Stichprobe aufgenommen.



Datenanalyse

Deskriptive Analyse

Die stationären Endometriosefälle wurden deskriptiv ausgewertet. Die Fallzahlen wurden für jeden ICD-10-Code berechnet und im Datenschutzfall nach dem beschriebenen Verfahren geschätzt. Anschließend wurde die Gesamtzahl der Fälle berechnet, indem alle N80.x-Codes zu einer Gesamtanzahl an Endometriosefällen für jeden Krankenhausstandort addiert wurden. Häufigkeiten, Mittelwerte und Standardabweichungen der Gesamtfälle wurden für alle Krankenhausstandorte sowie getrennt für CEC und nicht-zertifizierte Krankenhausstandorte mit mindestens einem codierten Endometriosefall berechnet. Diese Schritte wurden wiederholt für die OPS-Codes 5-651b sowie für 5-702.2 / 5-702.4 summiert.

Die Daten wurden mit Excel 2019 und SPSS 29 ausgewertet.


Räumliche Analyse

Die räumliche Abdeckung wurde analysiert, um eine allgemeine Einschätzung der Versorgungssituation in Deutschland wiederzugeben (a.). Anschließend wurden die räumlichen Auswertungen innerhalb eines definierten Radius durchgeführt, um Regionen mit besonders hohen oder niedrigen Clustern und somit Versorgungslücken zu ermitteln (b.). Ausgehend von den im HQR angegebenen Adressen wurde die geografische Position der Krankenhausstandort-ID mit OpenStreetMap ermittelt.

  • Die räumliche Abdeckung (Fahrtradius) wurde getrennt für die CEC und für alle Krankenhäuser mit mindestens einem Fall berechnet. In einer aktuellen Studie zur Schmerzmedizin wurde dargelegt, dass für die spezialisierte Schmerzversorgung in Deutschland eine Fahrtzeit von 30 bis 45 Minuten (min) zumutbar wäre, wobei in Einzelfällen bis zu 60 min akzeptabel seien [19] . Übertragen auf die Endometrioseversorgung wurde daher eine maximale Fahrtzeit (DT) von 60 min festgelegt. So wurden Regionen mit DT≤20-, 40- und 60-min zu CEC und anderen Krankenhäusern mit Isochrones function/module von OpenRouteService ermittelt und dargestellt.

  • Um regionale räumliche Cluster in codierten Fällen zu identifizieren, wurden Moran’s I Analysen durchgeführt [20] . Alle Krankenhausstandorte, die im Jahr 2021 Endometriose codierten, wurden eingeschlossen. Die Anzahl der Fälle an jedem Krankenhausstandort wurde mit den Fällen in Krankenhäusern in einem Umkreis von 45 km verglichen. Die Entfernung von 45 km wurde für die Patientinnen anhand einer angenommenen DT von 45 min bei einer durchschnittlichen Fahrzeuggeschwindigkeit von 60 km/h festgelegt. Die Global Moran’s I Analyse [20] wurde durchgeführt, um zu untersuchen, ob die Fallzahlen geclustert waren. Wenn die Global Moran’s I Analyse eine signifikante räumliche Korrelation zeigt, kann eine Local Moran’s I Analyse [20] durchgeführt werden, um auf lokale Cluster zu testen.

Global und Local Moran’s I Analysen wurden mit ArcGIS Pro 2024 durchgeführt. Für die Visualisierung wurde QGIS Version 3.36.1 verwendet.



Ergebnisse

Anzahl der Fälle

Insgesamt wurden im Jahr 2021 32.440,5 Endometriosefälle codiert. In CEC (n=68) wurden insgesamt 13.709,5 Fälle (42,26%) beobachtet. In Krankenhausstandorten ohne CEC und mindestens einem Endometriosefall (n=807) wurden 18.731 Fälle (57,74%) codiert. [Tab. 1] zeigt die Fallzahlen (einschließlich Datenschutzberechnungen) für CEC und Nicht-CEC, [Tab. 2] die Fallzahlen für jeden einzelnen eingeschlossenen ICD-10 und OPS-Code.

Tab. 1 Gesamtanzahl der Fälle

n (%)

Gesamt (%)

M

SD

Md

[Min-Max]

Alle Krankenhäuser mit mindestens 1 codierter Endometriosefall

875 (100%)

32.440,5 (100%)

37,07

79,93

17,5

[1,5–1135]

Nicht-zertifizierte Krankenhausstandorte & mindestens 1 codierter Endometriosefall

807 (92,23%)

18,731 (57,74%)

23,21

30,67

15

[1,5–388,5]

Krankenhäuser mit zertifiziertem Zentrum

68 (7,77%)

13.709,5 (42,26%)

201,61

205,53

149,52

[15,5–1135]

Gesamt, Anzahl an codierter ICD-10-GM N80 Endometriosefälle inklusive aller Subkategorien und Datenschutzfallberechnungen; M, Mittelwert; SD, Standardabweichung; Md, Median; Min, Minimum; Max, Maximum.

Tab. 2 Fallzahlen für jeden eingeschlossenen ICD-10 und OPS-Code (für Code-Erklärungen siehe Appendix).

Fallzahlberechnungen (inklusive Datenschutzfälle)

in Krankenhäusern mit zertifiziertem Zentrum (n=68)

in Krankenhäusern ohne zertifiziertem Zentrum (n=807)

Gesamt (%)

ICD-10-GM N80.x Gesamt

13.709,5 (42,26%)

18.731 (57,74%)

32.440,5 (100%)

→ N80.-

0

7

7 (0,02%)

→ N80.0

2.724,5

4.954

7.678,5 (23,67%)

→ N80.1

2.638,5

6.322,5

8.961 (27,62%)

→ N80.2

54,5

187

241,5 (0,74%)

→ N80.3

6.545,5

4.477

11.022,5 (33,98%)

→ N80.4

355,5

255

610,5 (1,88%)

→ N80.5

383

285,5

668,5 (2,06%)

→ N80.6

199,5

604

723,5 (2,23%)

→ N80.8

729

1.268,5

1.997,5 (6,16%)

→ N80.9

159,5

370,5

530 (1,63%)

OPS 5-651.b

1.342,5 (30,19%)

3.104 (69,81%)

4.446,5 (100%)

OPS 5-702.2+5-702.4

13.686,5 (51,86%)

12.704 (48,14%)

26.390,5 (100%)

Die einbezogenen OPS-Codes sind nicht ausschließlich für Endometriose-Fälle spezifiziert. Dies legt nahe, dass vermutlich auch andere OPS-Codes für Endometriosefälle verwendet wurden oder dass die eingeschlossenen OPS-Codes auch für andere Erkrankungen verwendet wurden. Folglich stimmen die ermittelte gesamte Endometriosefallzahl und die Fälle ausgewählter OPS-Codes nicht überein.


Räumliche Verteilung

Fahrtzeit

Die Fallzahlen und die DT wurden analysiert und kartografisch dargestellt.

[Abb. 1] zeigt Fälle und DT für CEC, wobei die meisten Fälle in Köln und Berlin codiert wurden. In München wurde an zwei Standorten eine mittlere Fallzahl codiert. In den übrigen CEC wurden jeweils weniger als 500 Fälle codiert (n=64). Die Verteilung der CEC variiert von Bundesland zu Bundesland und reicht von null CEC in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern (M-WP) und Sachsen-Anhalt (S-A) bis zu 21 in Nordrhein-Westfalen (NRW).

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Abb. 1 Fahrtzeiten und Fälle zertifizierter Zentren.

Mit einer maximalen DT von 60 min decken die CEC allein nicht gesamte Republik ab, aber 78,15% der Gesamtfläche und 91,32% der weiblichen Bevölkerung. Nur der Westen von M-WP ist mit einem 60-min-Radius abgedeckt, ebenso der Süden und Osten von S-A. In Brandenburg wird der 60-min-Radius um Berlin abgedeckt, die Randgebiete überwiegend nicht. Nord- und Südthüringen sind ebenfalls nicht abgedeckt, mit einem CEC im Osten. Lücken gibt es auch im Norden, Osten und Süden Sachsens sowie im südlichen Baden-Württemberg (B-W), Ostbayern, nördlichen Schleswig-Holstein und westlichen Rheinland-Pfalz (R-P). Große Städte in NRW, wie Köln, Duisburg und Münster, sind innerhalb von 20 min erreichbar, der größte Teil des Bundeslandes ist innerhalb von 40 min erreichbar.

[Abb. 2] zeigt alle nicht-zertifizierten Krankenhäuser mit mindestens einem Endometriosefall. Die meisten Fälle wurden in den Städten Neuss, Frankfurt (n=2), München und Wuppertal codiert. Fallzahlen>37,5 – 158 wurden an 138 Krankenhausstandorten codiert, während Fallzahlen≤37,5 in den restlichen 664 Krankenhausstandorten codiert wurden.

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Abb. 2 Fahrzeit zu allen Krankenhausstandorten und Anzahl an Fälle nicht-zertifizierte Krankenhäuser.

Unter Berücksichtigung aller Krankenhäuser die Endometriose codiert haben, wird fast das gesamte Bundesgebiet innerhalb 40 min DT abgedeckt, mit Ausnahme einiger weniger Gebiete, in denen die DT zu einem Krankenhaus 60 min beträgt (z. B. Ortenaukreis, Grenze zu Brandenburg oder in Grenzregionen). NRW, Berlin, Hamburg und Bremen werden hauptsächlich mit einer DT von 20 min abgedeckt und weisen mittlere oder großen Fallzahlen auf.


Räumliche Cluster

Die Global Moran’s I Analyse ergab eine leicht positive, signifikante räumliche Korrelation (I=0,028, z=1,722; p=0,085) der codierten Fälle, was bedeutet, dass die Verteilung der Fallzahlen geclustert ist.

Zur Ermittlung der Cluster mit hohen und niedrigen Fallzahlen wurde eine Local Moran’s I Analyse durchgeführt. Die kartografische Visualisierung ist in [Abb. 3] dargestellt.

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Abb. 3 Local Moran’s I (Radius=45 km) für alle Krankenhausstandorte.

Niedrig-Niedrig Cluster lassen sich in Sachsen, M-WP, S-A, Niedersachsen, Thüringen, Brandenburg, Bayern, Flensburg, dem Hochsauerlandkreis und R-P ausmachen. Diese Cluster befinden sich hauptsächlich in Ostdeutschland, wobei die meisten Cluster in Sachsen zu finden sind.

Hoch-Hoch Cluster befinden sich in München und Umland, in Berlin, Brandenburg, den Kreisen Köln und Düsseldorf, in B-W in der Stadt Freiburg und dem Kreis Stuttgart sowie in Frankfurt.




Diskussion

Die stationäre Endometrioseversorgung in Deutschland weist regionale Unterschiede auf. Es wurde eine Tendenz zu Clustern mit mehr codierten Fällen in städtischen Gebieten und weniger codierten Fällen in Ostdeutschland beobachtet. Insbesondere Gebiete in den ostdeutschen Bundesländern, die weitgehend dem Gebiet der ehemaligen DDR entsprechen, wurden mit einer Fahrtzeit (DT) von 60 min zu zertifizierten Endometriosezentren (CEC) nicht abgedeckt. Die Auswertung aller Krankenhausstandorte, die mindestens einen Endometriosefall im HQR 2021 codiert hatten, ergab eine fast flächendeckende DT von 40 min.

Es gibt bisher kaum Untersuchungen zur räumlichen Clusterung der stationären Endometrioseversorgung in Deutschland. Bislang wurden vor allem Prävalenz- oder Inzidenzstudien [21] [22] oder regionale Trends in der ambulanten Versorgung [5] [23] analysiert.

Daten zur ambulanten Versorgung lieferten Hinweise auf regionale Unterschiede in der Prävalenz [5] und den Versorgungsstrukturen [23] , die darauf hindeuten, dass Endometriose in Regionen mit einem CEC häufiger diagnostiziert wurde. Jedes zusätzliche Zentrum war mit 0,28 mehr Fällen pro 1.000 gesetzlich versicherter Frauen assoziiert [23] . Bessere diagnostische Kompetenzen der CEC könnten einige Unterschiede erklären, aber zertifizierte Krankenhäuser allein begründeten die regionalen Unterschiede nicht vollständig. Cluster mit hoher Inzidenz wurden in NRW und Süddeutschland identifiziert, wo sich die meisten CEC befinden [23] . Regionale Cluster mit hoher Prävalenz diagnostizierter Endometriose wurden ebenfalls in Süddeutschland und in Niedersachsen gefunden [5] . In Regionen mit vielen CEC wurde keine Clusterbildung festgestellt, aber es wurde ein Cluster in Sachsen mit niedriger Diagnoseprävalenz ermittelt und Bezirke in der Nähe von CEC hatten generell eine höhere Prävalenz [5] . Dies stimmt mit unseren Ergebnissen überein, da diese Studie hohe Cluster von stationären Fällen in Süddeutschland, NRW sowie Berlin und niedrige Cluster in Ostdeutschland identifiziert hat.

Im Hinblick auf die CEC wurde das Qualitätssicherungsprogramm QS ENDO für die DACH-Region entwickelt, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Es zeigte auf, dass etwa 60% der Endometriose-Patientinnen nicht in CEC behandelt werden [8] . Aufgrund unserer Ergebnisse ist es möglich, dass die Erreichbarkeit der Zentren hierbei eine Rolle spielen könnte. Wir konnten zeigen, dass die CEC nicht für alle Patientinnen innerhalb von 60 min DT erreichbar sind, sodass wir davon ausgehen, dass die Patientinnen entweder eine längere DT in Kauf nehmen oder sich in nicht-zertifizierten Krankenhäusern behandeln lassen und dort vermutlich eine weniger spezialisierte Versorgung erhalten.

Eine spezialisierte Versorgung ist jedoch leitlinienkonform, da der Versorgungsalgorithmus ein CEC für Diagnostik, Laparoskopie und Kontrolle oder konservative Therapie beinhaltet [6] . CEC wurden zudem mit einer verbesserten Lebensqualität und niedrigen Raten schwerer Komplikationen in Verbindung gebracht [10] . Daher sollte allen Patientinnen der Zugang zu CEC ermöglicht werden. Mögliche Lösungen hierfür wären eine bessere räumliche Verteilung oder mehr CEC. Wir gehen jedoch davon aus, dass Personalmangel, finanzielle Hindernisse (wie die Kosten des Zertifizierungsprozesses) und/oder strukturelle Faktoren (z. B. mangelnde regionale Zusammenarbeit) Krankenhäuser in Regionen ohne CEC dazu veranlassen könnten, die Zertifizierung nicht anzustreben oder nicht erreichen zu können. Telemedizinnetzwerke könnten hierbei vermutlich auch für die Endometrioseversorgung ein mögliches Instrument zur Bereitstellung medizinischer Infrastruktur und zur Verbesserung der Qualität sein, insbesondere in Regionen ohne CEC [24] .

Untersuchungen über zertifizierte Zentren für andere gynäkologische Erkrankungen unterstreichen deren Bedeutung. In der onkologischen Versorgung konnten Zentren die Kosteneffizienz verbessern und gleichzeitig die Qualität steigern [25] . Dies spricht für eine Behandlung in zertifizierten Zentren spricht, um Qualitätsindikatoren zu erfüllen [9] , aber auch aus gesundheitsökonomischer Perspektive [25] . Diese Aspekte könnten auch auf die CEC zutreffen.

In internationalen Untersuchungen wurden ebenfalls heterogene Inzidenzmuster bei Krankenhausaufenthalten festgestellt, was auf veränderte Praktiken, Sensibilisierung, Benachteiligungen und Umweltfaktoren zurückgeführt wurde [26] . Ähnlich zeigte sich in Italien ein räumlicher Gradient der Endometriose-Inzidenz, mit Clustern von Hochrisiko-Gemeinden [27] .

In unserer Studie können Umweltfaktoren und sozioökonomische Strukturen vermutlich einige der räumlichen Muster erklären. Da sich mittels Daten aus dem HQR keine Rückschlüsse auf einzelne Patientinnen ziehen lassen, liegen beispielsweise keine Informationen zu deren sozioökonomischen Status (SES) vor. Der SES könnte sich jedoch auf die Wahl des Krankenhauses auswirken, da Patientinnen mit einem höheren SES generell weniger Schwierigkeiten haben könnten, spezialisierte Versorgung in Anspruch zu nehmen oder anzureisen, während bei Patientinnen mit einem niedrigeren SES möglicherweise keinen Zugang haben oder Informationen fehlen [28] .

Die genutzten Fallzahlen aus dem HQR weisen somit Einschränkungen auf. Erstens können sie nur zur Bestimmung allgemeiner Codierungshäufigkeiten verwendet werden, nicht aber für personenspezifische Codes, und Codierungsverfahren können die Fallzahl beeinflussen. Zudem ist es nicht möglich, Diagnoseprävalenzen anhand des HQR zu ermitteln. Die Daten aus dem Jahr 2021 könnten außerdem durch eine geringere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen während der Pandemie verzerrt sein [29] . Auch die Bevölkerungsdichte oder der Frauenanteil wurden für räumliche Fallcluster nicht berücksichtigt. Darüber hinaus erlaubt diese Analyse keine Rückschlüsse auf die Wartezeiten für eine Behandlung, was insbesondere in Regionen mit hohen Fallzahlen relevant sein könnte.

Unsere Fallberechnungen ergaben eine leicht erhöhte Gesamtfallzahl als von DESTATIS [17] für 2021 gemeldet (32.440,5 geschätzte Fälle gegenüber 32.304 gemeldeten Fällen), was für einige Krankenhäuser zu einer Überschätzung geführt haben könnte. Dies zeigt jedoch auch, dass unsere Berechnungen durchaus realistisch sind und diese Studie einen aussagekräftigen ersten Überblick über Fallzahlen und deren räumliche Verteilung bietet. Eine weitere Stärke ist die Analyse der DT zu den CEC, die bisher nicht untersucht wurde.


Schlussfolgerung

Die räumliche Verteilung der codierten Endometriosefälle aus dem HQR war heterogen, mit höheren Clustern in städtischen Gebieten und niedrigeren Clustern in Ostdeutschland. Bei einer angenommenen Fahrtzeit von 60 min zu einem zertifizierten Endometriosezentrum, ergibt sich keine flächendeckende Versorgung, vor allem für die ostdeutschen Bundesländer. Unter Einbeziehung der nicht-zertifizierten Krankenhäuser ergibt sich eine nahezu flächendeckende Fahrtzeit von 40 min. Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung von mehr zertifizierten Zentren oder einer besseren Verteilung, um alle Gebiete abzudecken. Um detailliertere Aussagen über die räumliche Verteilung von stationären Fällen, Diagnosen und endometriosebezogenen Operationen treffen zu können, sind weitere Untersuchungen mit personenbezogenen und mit der Bevölkerung verknüpften Daten erforderlich. Diese Untersuchungen könnten im Sinne der Versorgungsgerechtigkeit einen barrierefreien Zugang zur stationären Endometrioseversorgung sicherstellen, unabhängig von Person und Wohnort.


Datenverfügbarkeit

Der in dieser Studie generierte Datensatz ist auf Anfrage bei der verantwortlichen Autorin erhältlich. Die Daten des deutschen Krankenhausqualitätsberichts sind öffentlich zugänglich.


Beiträge

LB, LJ und MG entwickelten das Konzept und Design der Studie. Die Auswertungen wurden von LB und LJ durchgeführt. Die Ergebnisse wurden von LB interpretiert. LB schrieb den ersten Entwurf des Manuskripts; LJ und MG überarbeiteten und akzeptierten ihn.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Correspondence

Lara Brauer
Philipps-Universitat Marburg, Fachbereich 20 Medizin,
Institut für Gesundheitsversorgungsforschung und Klinische Epidemiologie
Karl-von-Frisch-Straße 4
35032 Marburg
Germany   

Publication History

Received: 06 March 2025

Accepted: 12 June 2025

Article published online:
03 November 2025

© 2025. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution License, permitting unrestricted use, distribution, and reproduction so long as the original work is properly cited. (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Driving time and caseload of certified centres.
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Fig. 2 Driving time to all hospitals and caseload of non-certified hospitals.
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Fig. 3 Local Moran’s I (radius=45 km) for all hospital locations.
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Abb. 1 Fahrtzeiten und Fälle zertifizierter Zentren.
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Abb. 2 Fahrzeit zu allen Krankenhausstandorten und Anzahl an Fälle nicht-zertifizierte Krankenhäuser.
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Abb. 3 Local Moran’s I (Radius=45 km) für alle Krankenhausstandorte.