Gesundheitswesen 2010; 72(3): 140-145
DOI: 10.1055/s-0030-1247576
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Alltägliche Lebensführung und Solidarität in nordostdeutschen Landgemeinden – Erste qualitative Ergebnisse der Landgesundheitsstudie

Everyday Life and Solidarity in North-East German Rural Communities – First Qualitative results of the Rural Health StudyC. Nebelung1 , J. A. Forkel1 , T. Elkeles1
  • 1Aus dem DFG Projekt: Gesundheit und alltägliche Lebensführung in nordostdeutschen Landgemeinden, 2008–2010. Hochschule Neubrandenburg, Fachbereich Gesundheit, Pflege, Management, Prof. Dr. Thomas Elkeles
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Publication Date:
26 February 2010 (online)

Zusammenfassung

In den Gesundheitswissenschaften wird in den letzten Jahren verstärkt über sozialräumliche Einflüsse auf das Gesundheitshandeln diskutiert. Ausgangspunkt ist dabei eine sich verstärkende ,territoriale Ungleichheit‘ in den raumpolitischen Entwicklungsressourcen, welche sich auf die Teilhabechancen der Menschen in strukturschwachen Regionen auswirkt. Mit dem prozessual verstandenen Begriff der ,Peripherisierung‘ wird eine Residualkategorie dieses Wandels beschrieben. Empirische Untersuchungen zu sozialräumlichen Ressourcen auf lokaler Ebene sind aber noch selten, da die theoretischen Voraussetzungen nicht soweit elaboriert sind, dass Modellbildungen für hypothesengeleitete empirische Untersuchungen anerkannt sind. Im Zentrum dieser Theoriebildung stehen Analysen zum ,sozialen Kapital‘ alltäglichen Handelns. Im Rahmen der Landgesundheitsstudie 2008 an der Hochschule Neubrandenburg wird daher neben einer Längsschnittanalyse (quantitative Erhebungen in 14 ländlichen Gemeinden Nordostdeutschlands 1973, 1994, 2008) auch ein qualitativer Zugang über Fall- und Gemeindestudien gesucht. Im Beitrag werden erste Ergebnisse mit der Forschungslage in Einklang gebracht. Individuelle Strategien der Anpassung und Verbesserung der eigenen Lebenssituation, aber auch der Alltagssolidarität der Menschen in den Dörfern, werden anhand von Fallbeispielen geschildert und Entwicklungspotenziale skizziert.

Abstract

There have been increasing discussions in the health sciences in recent years about socio-spatial influences on health activities. The starting point has been the growing territorial inequality in spatial development resources, which has an effect on the participatory chances of people in structurally weak regions. The concept of “peripherisation” is used to describe this change. Empirical investigations of socio-spatial resources at the local level are rare, because the theoretical preconditions have not been elaborated sufficiently for the theoretical modelling to be recognised for hypothesis-based empirical investigations. At the centre of this theorisation are analyses of the “social capital” of every-day actions. As part of the Rural Health Study 2008 at the University of Applied Science Neubrandenburg (involving a longitudinal analysis with quantitative surveys in 14 rural communities in north-eastern Germany 1973, 1994, 2008), a qualitative approach was also adopted with case and community studies. The first results are compared with the state of the literature. Case studies are presented showing strategies for adaptation and improvement of the individual's situation, and also the daily solidarity of people in villages. Development potentials are outlined.

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