Klin Monbl Augenheilkd 2013; 230(7): 676-677
DOI: 10.1055/s-0033-1350629
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Editorial

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N. Bornfeld
,
N. E. Bechrakis
,
C. Auw-Hädrich
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Publication Date:
22 July 2013 (online)

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Die medienwirksame Entscheidung von Angelina Jolie aufgrund einer Mutation im BRCA1-Gen eine beidseitige Mastektomie durchführen zu lasen hat das Interesse der Öffentlichkeit auf die modernen Möglichkeiten und ethischen Aspekte der molekulargenetischen Diagnostik in der Prävention maligner Tumoren gerichtet. Das maligne Melanom der Uvea war eine der ersten Tumorentitäten, bei denen eine solche molekulargenetische Diagnostik und Prädiktion von Fernmetastasen möglich war. Bereits 1996 gelang der Nachweis, dass die Monosomie 3 im Tumor mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 90 % mit der Entstehung von Fernmetastasen korreliert ist, während umgekehrt bei Patienten mit einer Disomie 3 im Tumor das Risiko für Metastasen deutlich unter 10 % liegt [1]. Da es sich nicht um eine konstitutionelle, sondern um eine auf den Tumor beschränkte Mutation handelt, ist für den Nachweis einer Monosomie 3 Tumorgewebe notwendig, was zunächst nur bei Patienten zur Verfügung stand, bei denen eine Enukleation oder eine chirurgische Exzision des Tumors durchgeführt wurde. Die Weiterentwicklung intraokularer Operationstechniken und insbesondere die Möglichkeiten der transretinalen Biopsie mit trokargeführten Systemen haben das diagnostische Spektrum erweitert, sodass heute eine solche molekulargenetische Untersuchung auch bei Patienten durchgeführt werden kann, bei denen entweder die Diagnose eines intraokularen Tumors unklar ist oder bei denen eine Strahlentherapie des Tumors geplant ist. Die hoch signifikante Korrelation zwischen Monosomie 3 und Metastasierung, die so bei keinem anderen soliden Tumor des Erwachsenenalters vorhanden ist, hat das wissenschaftliche Interesse zahlreicher Arbeitsgruppen an den molekularbiologischen Grundlagen dieser Korrelation geweckt. Weitere Arbeitsgruppen haben dabei zeigen können, dass der Unterschied zwischen metastasierenden und nicht metastasierenden Tumoren nicht nur auf die Monosomie 3 beschränkt ist sondern erhebliche Unterschiede im Genexpressionsprofil bestehen [2]. Besonders interessant ist die Identifizierung von Schlüsselgenen in der Entstehung des malignen Melanoms der Uvea; dazu gehören GNAQ, GNA11, BAP1, SF3B1 und EIF1AX [3], [4]. Die unterschiedliche Expression des BAP1-Gens ist besonders interessant, da es mit dem BRCA1-Gen interagiert, das wie oben zitiert als entscheidender Risikofaktor für die Entstehung von Mammakarzinomen identifiziert ist. Deutlich geworden ist auch der molekulargenetische Unterschied zwischen kutanen Melanomen und Melanomen der Uvea, da die für das kutane Melanom typischen Mutationen im BRAF-Gen bei uvealen Melanomen sehr selten sind, bei den Mutationen im GNAQ-, GNA11-Gen aber im Vordergrund stehen. C. Metz et al. haben im ihrem Beitrag für dieses Heft eine aktuelle Übersicht über die Bedeutung dieser genetischen Veränderungen beim malignen Melanom der Uvea zusammengestellt, deren Kenntnis erstmals die Möglichkeit geben könnte, durch spezifische Inhibitoren jetzt bekannter Signalwege die immer noch unbefriedigende Überlebensprognose maligner Melanome der Uvea zu verbessern. Gleichzeitig stellt sich die ethische Frage, inwieweit Patienten eine Untersuchung angeboten werden darf, deren Ergebnis ein massiv erhöhtes Metastasenrisiko sein kann ohne dass gesicherte Behandlungsmöglichkeiten wie z. B. beim Mammakarzinom bestehen. Nach einer über Jahre gehenden Diskussion in unserer Arbeitsgruppe haben wir uns dazu entschlossen, diese Untersuchung nach gründlicher Aufklärung und zusammen mit dem Angebot einer psychoonkologischen Unterstützung Patienten anzubieten. In mehr als der Hälfte entscheiden sich betroffene Patienten für eine solche Untersuchung [5], wobei Motive wie persönliche (insbesondere familiäre) Lebensplanung und das Gefühl, mit gesicherten Fakten besser umgehen zu können als mit einer chronischen Ungewissheit für die Entscheidung ausschlaggebend sind.