Gesundheitswesen 2016; 78(08/09): 526-532
DOI: 10.1055/s-0034-1398604
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie groß muss die Wirkung von Prävention auf das Übergewicht von Kindern und Jugendlichen sein?

Required Effekt Sizes of Preventive Measures for Overweight in Children and Adolescents

Authors

  • S. Plachta-Danielzik

    1   Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel
  • B. Kehden

    1   Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel
  • M. J. Müller

    1   Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Kiel
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. März 2015 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund und Ziel der Studie: Erfolgreiche Präventionsmaßnahmen verhindern einen weiteren Anstieg der Prävalenz von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. Allerdings ist bisher unklar, wie stark die Effekte der Maßnahmen sein müssen, um Übergewicht vorzubeugen. Die Berechnung der sog. „Energielücke“ ermöglicht eine Vorhersage der notwendigen Effektstärken. Es gibt bisher noch keinen einheitlichen Ansatz, um die „Energielücke“ zu quantifizieren. Daher werden in dieser Arbeit 2 Ansätze miteinander verglichen.

Methoden: Bei 1 690 Kindern der Kieler Adipositas-Präventionsstudie (KOPS) wurden im Längsschnitt Größe, Gewicht sowie Fettmasse und fettfreie Masse (mittels bioelelektrischer Impedanzanalyse) im Alter von 6 und 10 Jahren gemessen. Die „Energielücken“ wurden nach 2 Ansätzen berechnet: aus den alters-unabhängigen Veränderungen von Fett- und fettfreier Masse (alter Ansatz) und über Modellierungen der Gewichtsdynamik (neuer Ansatz).

Ergebnisse: Während die Energielücken nach den alten Berechnungen bei 140 kcal/Tag liegen, führen die neuen Modellierungen zu Werten von 270–370 kcal/Tag. Sowohl der BMI als auch die Fettmasse sind geeignet, um die „Energielücke“ zu bestimmen und führen zu nahezu gleichen Ergebnissen. „Große Energielücken“ werden durch das Überschreiten des 90. BMI- oder Fettmasseperzentils (= Grenzwert für Übergewicht, Inzidenz-Ansatz), und aber auch durch große Gewichtsveränderungen bei Kindern mit Normalgewicht (d.h. zwischen dem 10. und 90. Perzentil) erklärt. Kinder mit einer großen „Energielücke“ müssen als „Risikokinder“ in Hinblick auf die Prävention von Übergewicht betrachtet werden.

Schlussfolgerung: Der neue Ansatz überzeugt, da in diesem Model die zusätzliche Energie für die alters- und gewichtsabhängige Zunahme fettfreier Masse berücksichtigt wurde. Das Konzept der „Energielücke“ beschreibt einen neuen Ansatz für die Prävention von Übergewicht. Es zeigt, dass die für Maßnahmen der Prävention von Übergewicht (weniger essen, mehr bewegen) notwendigen Effekte in einer Größenordnung von 140–400 kcal/Tag liegen. Die Einsparung der Energie bei Präventionsansätzen liegt, auch nach den neuen Berechnungen, noch unter denen bei Therapie.

Abstract

Background and aim of the study: Successful preventive measures can stop a further increase in the prevalence of overweight in children and adolescents. However, up to now, the required effect sizes of interventions for reducing childhood overweight remain unclear. The calculation of the energy gap (excess calories consumed over calories expended) offers the possibility to estimate the required effect sizes. In this work 2 approaches to calculate the energy gap will be compared.

Methods: Longitudinal data of 1690 children and adolescents of the Kiel Obesity Prevention Study (KOPS) on measured height, weight, fat mass and fat-free mass (using bioelectrical impedance analysis) at age 6 and 10 years will be used to calculate energy gap with 2 different approaches: (i) using age-independent changes in fat mass and fat-free mass (old approach) and (ii) using a mathematic model of weight dynamic (new approach).

Results: Energy gap according to the old approach was 140 kcal/day; by contrast, new modeling resulted in an energy gap between 270 and 370 kcal/day. Both, BMI and fat mass were suitable to calculate energy gap and led to nearly same results. Exceeding the 90th percentile of BMI or fat mass (incidence approach) as well as large changes within the normal range (i.e. between the 10th and the 90th percentile) led to large energy gaps. Thus, all children with large energy gaps have to be characterized as at risk for overweight.

Conclusion: The new approach seems to be convincing because it considered the additional energy expenditure for building fat-free mass due to increasing age and weight.Calculating energy gap offers a new approach for prevention of overweight. It shows that the required effect sizes of prevention measures have to be in a region of 140 to 400 kcal/day. This differs clearly from energy reduction of diets in the therapy of obesity.