Gesundheitswesen 2017; 79(07): 535-541
DOI: 10.1055/s-0042-102349
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wie sind Kinder- und Jugendkliniken in Nordrhein-Westfalen auf die Überwindung von Sprachbarrieren vorbereitet? – Eine Pilotstudie zur Strukturqualität in der stationären Gesundheitsversorgung

How are Pediatric Hospitals in North-Rhine Westfalia Prepared to Overcome Language Barriers? A Pilot Study Exploring The Structural Quality of Inpatient Care

Authors

  • T. Langer

    1   Klinik für Neuropädiatrie und Muskelerkrankungen, Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg
  • T. Zapf

    2   Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Witten/Herdecke, Helios Klinikum Wuppertal, Wuppertal
  • S. Wirth

    2   Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universität Witten/Herdecke, Helios Klinikum Wuppertal, Wuppertal
  • B. Meyer

    3   FB 06, Arbeitsbereich Interkulturelle Kommunikation, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Germersheim
  • A. Wiegand

    4   Philip Klee-Institut für Klinische Pharmakologie, Helios Klinikum Wuppertal, Wuppertal
  • H. Timmen

    5   Diakonie Wuppertal, Sprint Wuppertal, Migrationsdienste, Wuppertal
  • S. J. Gupta

    6   Vestische Kinder- und Jugendklinik Datteln, Universität Witten/Herdecke, Datteln
  • S. Schuster

    7   Frauenklinik, Universitätsspital Basel, Basel, Schweiz
  • M. Geraedts

    8   Fakultät für Gesundheit, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Mai 2016 (online)

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Zusammenfassung

Ziel der Studie Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund unter 5 Jahren liegt bundesweit bei 35%, in Nordrhein-Westfalen (NRW) bei 43%. Häufig sind mit dem Migrationshintergrund unzureichende Deutschkenntnisse bei einem oder beiden Elternteilen verbunden. Kommunikationsbarrieren durch Sprachdifferenzen haben einen negativen Einfluss auf die Behandlungsqualität, Patientensicherheit und Behandlungskosten. Es wird untersucht, wie Kinder- und Jugendkliniken auf die Herausforderung durch Sprachbarrieren vorbereitet sind.

Methodik Wir führten eine Querschnittsbefragung aller Kinderkliniken in NRW durch und luden dazu die Klinikdirektoren schriftlich und per email zur Teilnahme ein. Der Fragebogen orientierte sich an den „Standards for Culturally and Linguistically Appropriate Services in Health and Health Care“ (CLAS) und wurde an die deutschen Verhältnisse angepasst.

Ergebnisse 38 Kliniken nahmen teil (51%). Sprachbarrieren kommen häufig vor (bei 75% der Antwortenden mehr als 10% der Patienten). 82% der Antwortenden sehen ihre Klinik schlechter als „gut“ auf die Überwindung von Sprachbarrieren vorbereitet. Die Feststellung des Dolmetscherbedarfs erfolgt bei der Mehrheit (61%) „fall-abhängig“ und nicht einem Protokoll folgend. Zur Überwindung von Sprachbarrieren werden überwiegend mehrsprachige Mitarbeiter eingesetzt, wobei nur 38% eine Liste von mehrsprachigen Mitarbeitern als ausreichende Ressource bewerten. Die Kosten, die für professionelle Dolmetscher entstehen, waren 42% der Antwortenden nicht bekannt. In den übrigen Fällen betrugen sie weniger als € 500/Monat.

Schlussfolgerung Die Überwindung von Sprachbarrieren erfolgt unter Einsatz lokaler Ressourcen, die aus Sicht der Mehrheit der Antwortenden nicht ausreichen. Die Entwicklung von Qualitätsstandards und Bereitstellung finanzieller Mittel sind notwendig, um das Verbesserungspotenzial zu mobilisieren. Hierfür sind Untersuchungen in anderen Disziplinen und Sektoren notwendig, um in einen Dialog mit Entscheidungsträgern aus Politik und Krankenkassen zu treten.

Abstract

Background In Germany, 35% of all children are considered to have a “migration background”, and in the state of North-Rhine-Westfalia 43%. Frequently, one or both parents of a patient with a migration background have limited German language proficiency. Communication barriers due to a language difference can have a negative impact on quality of care, patient safety and costs of care. In this study, we investigate how children’s hospitals are prepared to meet the challenges associated with language barriers.

Methods We surveyed all children’s hospitals in the state of North-Rhine-Westfalia, Germany. The questionnaire was based on the “Standards for Culturally and Linguistically Appropriate Services in Health and Health Care (CLAS)” and was adapted to circumstances in Germany.

Results Thirty-eight hospitals participated (51%) in this survey. Language barriers occurred frequently (75% of respondents mentioned language difficulties in more than 10% of the patient population). 82% of respondents rated their hospital to be “less than well prepared” to overcome language barriers. In the majority of hospitals (62%), the need for an interpreter was determined on a case-to-case basis and not according to any set protocol. In most cases bilingual staff was used for interpreting. However, only 38% of respondents found a list of available bilingual staff to be a sufficient resource. 42% of respondents did not know the monthly costs for professional interpreting services. In the remaining cases, costs were less than € 500/month.

Conclusion To overcome language barriers, hospitals rely on local resources. The majority of respondents did not find them to be appropriate and sufficient. The development of quality standards and the provision of financial resources are necessary to mobilize this potential for improvement. Therefore, other disciplines and sectors of healthcare need to be analyzed in order to provide the evidence for a constructive discussion with decision makers in policy and health insurance.