Zusammenfassung des Workshops: Die Gesundheit von Lehrkräften ist von herausragender Bedeutung. Nur gesunde und
motivierte Lehrkräfte sind imstande, kontinuierlich guten Unterricht zu gewährleisten.
Hierfür sind im Besonderen eine gesunde und tragfähige Stimme für Lehrkräfte als „professional
voice users“ essentiell. Dieser Workshop gliedert sich in drei Teile. Zunächst werden
in einem theoretischen Input gesundheitsbezogene Belastungen von Lehrkräften anhand
empirischer Daten vorgestellt und diskutiert. In einem zweiten Praxisvortrag wird
ein neu entwickeltes App-basiertes Stimmtraining („ReSt – Regensburger Stimmtraining“)
präsentiert und deren Evaluationsergebnisse dargestellt. Im dritten Teil des Workshops
können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst einige Stimmübungen für den praktischen
Alltag ausprobieren.
Teil 1 – Theoretischer Input: Belastungen am Arbeitsort Schule beurteilen – eine Pilotstudie zur Gefährdungsbeurteilung
psychischer Belastung an bayerischen Schulen
Theoretischer Hintergrund: Aktuelle Studien zeigen, dass Lehrkräfte mit unterschiedlichen Belastungen am Arbeitsort
konfrontiert sind. Das spiegelt sich auch in aktuellen Statistiken zum vorzeitigen
Ausscheiden aus dem Berufsleben wider. Psychische Erkrankungen sind z. B. laut Auswertung
der amtsärztlichen Untersuchungen des Gesundheitsamtes Bremen eine der Hauptursachen
für Dienstunfähigkeit bei Lehrkräften.
Im Rahmen des § 5 des Arbeitsschutzgesetzes wird die Berücksichtigung psychischer
Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung (GBU) explizit gefordert. Gemäß der internationalen
Norm DIN EN ISO 10075-1 handelt es sich bei psychischen Belastungen um alle erfassbaren
Einflüsse am Arbeitsplatz, die von außen auf die Beschäftigten einwirken, also Reaktionen
im Denken, Fühlen, Wahrnehmen, Erinnern usw. hervorrufen. Ziel der GBU psychischer
Belastung ist es, Arbeitsbedingungen zu verbessern, um die Gesundheit und das Wohlbefinden
zu erhalten und zu fördern. Vor diesem Hintergrund sieht die GBU psychischer Belastung
mehrere Prozessschritte vor, die von der Ermittlung von Belastungen über die Ableitung
und Umsetzung von Maßnahmen bis zur Wirksamkeitsevaluation reichen. Trotz der gesetzlichen
Verpflichtung fand die GBU psychischer Belastung an bayerischen Schulen bisher kaum
Beachtung, da adäquate Prozesse und Instrumente fehlten.
Fragestellung und Methode: Das Arbeitsmedizinische Institut für Schulen in Bayern (AMIS-Bayern), beauftragt
von der bayerischen Staatsregierung, hat einen Prozess zur Erfassung, Beurteilung
und Veränderung von Arbeitsbedingungen entwickelt und pilotiert. Dieser Prozess beinhaltet
unter anderem ein Befragungsinstrument zur Erhebung von Belastungen in fünf Merkmalsbereichen,
die in den Leitlinien der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie festgelegt
sind. Dabei handelt es sich um (1) die Arbeitsorganisation, (2) den Arbeitsinhalt,
(3) die sozialen Beziehungen bei der Arbeit, (4) die Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung
sowie (5) neue Arbeitsformen (z. B. Digitalisierung und Inklusion). Das Instrument
umfasst 127 Items, wurde als digitale Umfrage konzipiert und in einer Pilotierungsphase
an 27 bayerischen Schulen verschiedener Schularten eingesetzt. Daraus ergab sich eine
Stichprobe von N=851 Lehrkräften. Aufgrund der hohen datenschutzrechtlichen Anforderungen
an Gesundheitsdaten wurden keine personenbezogenen Daten erhoben. Die Daten wurden
inferenzstatistisch analysiert.
Ergebnisse und ihre Bedeutung: Im Bereich „Arbeitsorganisation“ zeigen sich hohe Belastungen in den Subkategorien
Arbeitszeit und Arbeitsabläufe. Im Bereich „Arbeitsinhalt“ deuten die Ergebnisse auf
einen hohen Belastungswert in der emotionalen Inanspruchnahme hin. Dieses Ergebnis
spiegelt sich auch im Bereich „Soziale Beziehungen“ wider. Dort kann gezeigt werden,
dass Verhaltensauffälligkeiten von Schülerinnen und Schülern mit hoher Belastung einhergeht.
Im Bereich „Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung“ werden Belastungen vor allem hinsichtlich
mangelnder Rückzugs- und Arbeitsmöglichkeiten und ungünstiger akustischer Bedingungen
genannt. In der Subkategorie der körperlichen Belastungen sind die stimmlichen Herausforderungen
besonders ausgeprägt. Neben generellen Belastungen können anhand der Ergebnisse auch
Ressourcen identifiziert werden. Ein gutes Schulklima, Handlungsspielraum, Abwechslungsreichtum
und gute soziale Beziehungen innerhalb des Kollegiums sowie zur Schulleitung werden
als positiv wahrgenommen. Die Erkenntnisse aus der Pilotierungsstudie zur psychischen
Belastungssituation an bayerischen Schulen stehen im Einklang mit dem Ergebnis des
Gesundheitsamts Bremen, dass insbesondere psychische Arbeitsbelastungen mit einer
möglichen Dienstunfähigkeit assoziiert sein können.
Im Bereich der körperlichen Anforderungen zeigen die Ergebnisse eine hohe Belastung
der Stimmgesundheit von Lehrkräften. Daraus lässt sich der Bedarf für ein stimmliches
Präventionsprogramm ableiten. Als ein Resultat wurde das Projekt „Regensburger Stimmtraining“
vom AMIS-Bayern beauftragt, welches im folgenden Praxisvortrag vorgestellt wird.
Teil 2 – Praxisvortrag „Regensburger Stimmtraining“
Theoretischer Hintergrund: Wie in der GBU psychischer Belastung durch AMIS-Bayern
festgestellt, sind Lehrkräfte bei ihrer Berufsausübung ständig hohen Anforderungen
an ihren Stimm- und Sprechapparat ausgesetzt. Die Folge ist, dass die Prävalenz von
Stimmstörungen in der Berufsgruppe der Lehrkräfte im Vergleich zu Nicht-Lehrkräften
deutlich erhöht ist. Diese führen bei Lehrkräften zu erheblichen beruflichen Einschränkungen,
hohem Leidensdruck und können sogar den Wunsch nach einer beruflichen Neuorientierung
auslösen. Zusätzlich beeinträchtigen Stimmstörungen die zwischenmenschliche Kommunikation
und können die Motivation und Leistung von Schülerinnen und Schülern negativ beeinflussen.
Lehrkräfte werden in den seltensten Fällen ausreichend auf ihren stimm- und sprechintensiven
Beruf vorbereitet. Um möglichst alle Lehrkräfte zu erreichen, ist ein niederschwelliges
und flächendeckendes Angebot vonnöten. Im Forschungsprojekt “Regensburger Stimmtraining
(ReSt)” wurde ein App-basiertes Präventionsprogramm entwickelt, welches Selbstreflexions-
und Trainingsmöglichkeiten zu den Bereichen Körper und Haltung, Atmung, Phonation,
Artikulation und Stimmhygiene beinhaltet.
Inhalte des Praxisvortrags: In diesem Praxisvortrag wird zunächst das App-basierte
Präventionsprogramm vorgestellt. Dabei wird es Einblicke in den Aufbau, die Funktionsweise
und die integrierten Übungen geben. Im weiteren Verlauf werden Ergebnisse aus dem
begleitenden Forschungsprojekt vorgestellt. Die Befunde deuten darauf hin, dass das
app-basierte Präventionsprogramm aufgrund seiner niederschwelligen sowie zeit- und
ortsunabhängigen Einsatzmöglichkeiten einen wertvollen Beitrag zur Stärkung der Stimmgesundheit
bei Lehrkräften leisten kann. Insofern ist es für den Einsatz in der Lehrkräfteaus-
und -weiterbildung geeignet. Überdies liefert das Forschungsprojekt detaillierte Erkenntnisse
über die stimmlichen Herausforderungen bei Lehrkräften.
Teil 3 – Praktischer Teil: Praktische Stimmübungen
Im letzten Teil des Workshops haben die Teilnehmenden die Gelegenheit, verschiedene
Übungen zur Stimmgesundheit selbst auszuprobieren. Unter der Anleitung von zwei Logopädinnen
des Arbeitsmedizinischen Instituts für Schulen in Bayern lernen Sie praxisnahe Techniken
kennen, um Ihre Stimme gesund zu halten. Gemeinsam wird die „Blubberschlauch-Methode“
aus der ReSt-App angewendet sowie die Progressive Muskelrelaxation (PMR) durchgeführt.
Zusätzlich werden Artikulationsübungen vorgestellt, die darauf abzielen, die Aussprache
und Sprachklarheit zu verbessern. So erhalten die Teilnehmenden wertvolle Werkzeuge,
um ihre stimmliche Gesundheit aktiv zu fördern.