Rehabilitation (Stuttg) 2008; 47(3): 191-192
DOI: 10.1055/s-2008-1076705
Aus der DVfR

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Betriebsnahe Rehabilitation als Konzept zur Optimierung der beruflichen Rehabilitation junger Menschen mit Behinderung - Statement der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation

Company-Related Rehabilitation as a Concept for Optimizing Vocational Rehabilitation of Young People with Disabilities - Statement of German Society for Rehabilitation, DVfRW. Seyd 1
  • 1Ausschuss „Beruf und Arbeit für Menschen mit Behinderung” der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation, Heidelberg
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Publication Date:
13 June 2008 (online)

Der Ausschuss „Beruf und Arbeit für Menschen mit Behinderung” der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) befasste sich mit Konzepten und Erfahrungen zur betriebsnahen Rehabilitation. Auch der Hauptvorstand der DVfR befürwortete im Dezember 2007 die Entwicklung zu stärkerer Kooperation mit Betrieben bei der beruflichen Erstausbildung für junge Menschen mit Behinderung und bei weiteren beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen. Es wurde herausgestellt, dass diese Maßnahmen teilhabefördernd und effektiv sein können, wenn die beteiligten Partner, einschließlich der Leistungsträger, abgestimmt zusammenarbeiten. Die individuellen Voraussetzungen und Wünsche der betroffenen Menschen müssen berücksichtigt werden, und es ist eine Neuausrichtung der Berufsbildungswerke (BBW) und Berufsförderungswerke (BFW) auf diese neuen Aufgaben erforderlich, die sich nicht verringert haben, sondern zunehmend komplexer werden und immer größere Flexibilität erfordern. Die Erkenntnisse und Empfehlungen aus den Modellen (z. B. VAmB - Verzahnte Ausbildung METRO Group mit Berufsbildungswerken, RiB - Rehabilitation in Betrieben) bieten gute methodische Grundlagen für die Umsetzung der betriebsnahen Rehabilitation in Zusammenarbeit mit Unternehmen.

Die Überlegungen des DVfR-Ausschusses zur Weiterentwicklung betrieblicher Rehabilitation sind in folgenden Punkten zusammengefasst:

Derzeit wird Konzepten und Umsetzungen „betriebsnaher Rehabilitation” großes Interesse in der beruflichen Rehabilitation entgegengebracht. Der Grundgedanke ist nicht neu; eingeführt und erprobt sind sie bereits seit mehreren Jahrzehnten. Allgemein durchgesetzt haben sie sich allerdings bislang nicht. Sie sind unter verschiedenen Namen anzutreffen: Verbundmodell, kooperative Ausbildung, verzahnte Ausbildung, betriebsnahe Ausbildung. Ihnen ist gemein, dass sie starre Institutionskonzepte aufbrechen und auf Vorzüge aus der Verknüpfung der beiden Lernorte außerbetrieblicher und betrieblicher Ausbildung setzen. Die Erwartungen sind allerdings recht unterschiedlich: Alle Beteiligten - Leistungsberechtigte, Leistungserbringer, Reha-Träger, Bundesarbeitsministerium - setzen auf didaktische Vorteile und erhöhte Eingliederungszahlen. Die Reha-Träger sehen aber im Unterschied zu den Einrichtungen Kostensparef-fekte, die sie in Verhandlungen mit den Leistungserbringern durchzusetzen suchen. Die Leistungsberechtigten erwarten von der Verknüpfung starke pädagogische Impulse. Fakt ist allerdings, dass Verbundmodelle nicht unbedingt Einsparpotenzial bergen. In der Regel werden lediglich Aufgaben in Richtung intensivere Anbahnung von Kooperationsbeziehungen („Kaltakquise”) und intensivierte Beziehungspflege verschoben. Die Betriebe suchen neben finanziellen Anreizen Möglichkeiten zur Gewinnung geeigneten Nachwuchses und durchaus auch einen gewissen Marketingnutzen, indem sie sich als sozialer Beschäftigungsträger in der Öffentlichkeit präsentieren können. Kooperation ist nicht per se besser als eigenständiges Vorgehen. Sie entfaltet ihre Wirkungen nur, wenn sie systematisch angebahnt, betreut und dokumentiert wird. Dies erfordert die Orientierung an verbindlichen Standards. Im Modellversuch „Verzahnte Ausbildung METRO Group mit Berufsbildungswerken” wurden solche entwickelt: Mustervertrag zwischen Betrieb und BBW, gemeinsame Ausbildungspläne, Auswahlkriterien, Kooperationsgestaltung, Musterzeugnis. Zudem verändern sich Rolle und Selbstverständnis der Kooperationspartner. Coaching-Konzepte greifen, mit denen veränderte Berufsbilder und Berufsauffassungen verbunden sind. Das wiederum bedarf der Begleitung durch Qualifizierung und Weiterbildung, vom Erfahrungsaustausch ganz abgesehen. Kooperation muss gewollt sein, von beiden Seiten. Wird sie erzwungen, dann wird sie nur halbherzig umgesetzt. Das schadet dem Konzept. Wer sich nicht auf Kooperation einlässt, bietet ein falsches Vorbild von betrieblichen Arbeitsprozessen, die immer weniger isoliert an hintereinander geschalteten Arbeitsplätzen stattfinden. Die Kooperation muss von einem interdisziplinär besetzten Reha-Team des Bildungsträgers begleitet werden. Schließlich haben die Spezialeinrichtungen den besonderen Auftrag, behinderten Menschen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu verhelfen. Das bedarf der Planung und Dokumentation im individuellen Förderplan, der sich mehr und mehr als zentrales Controlling-Instrument zur Sicherung der Prozessqualität etabliert. Betriebsnahe Konzepte sind kein Allheilmittel. Ein Betrieb kann in der Regel nicht auf dem hohen didaktischen Niveau einer außerbetrieblichen Einrichtung pädagogisch angemessene Leistungen erbringen. Betriebsnahe Konzepte mögen Vieles bewirken können, bewährte Leistungen der Reha-Einrichtungen vermögen sie nicht zu ersetzen. Das gilt vor allem für eine adressatengerechte Didaktik und Förderangebote der Fachdienst-Mitarbeiter. Dass ein solches „verzahntes Modell” erfolgreich ist, zeigen die Eingliederungserfolge, nachzulesen unter: www.vamb-projekt.de.

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