Gesundheitswesen 2003; 65(7): 464-470
DOI: 10.1055/s-2003-40806
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Arzteinfluss auf die Durchimpfungsrate

Influence Exercised by Physicians on the Vaccination RateM. Jungbauer-Gans1 , P. Kriwy2
  • 1Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Bergischen Universität Wuppertal
  • 2Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 July 2003 (online)

Zusammenfassung

In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie hoch die Akzeptanz von Impfungen unter Ärzten ist und welche Faktoren die Impfakzeptanz determinieren. Die Arbeit beruht auf Daten aus einem DFG-Projekt (Münchener Impfstudie 2001), in dessen Rahmen eine Ärzte- und eine Elternbefragung durchgeführt wurde. Die Durchimpfungsraten der Patienten der befragten Kinder- und Hausärzte werden den Ergebnissen zufolge vor allem durch die Einstellungen des Arztes und die von ihm bei seinen Patienten wahrgenommenen Einstellungen bestimmt. Demgegenüber haben Verhaltensfaktoren, wie z. B. das Verteilen von Informationsmaterial oder die Beratungsdauer, einen verschwindend geringen Effekt. Maßnahmen zur Erhöhung der Durchimpfungsrate sollten deshalb vor allem eine Veränderung von impfrelevanten Einstellungen zum Ziel haben.

Abstract

This paper deals with the question whether physicians promote vaccinations among their patients. Besides this, we analyse which determinants influence the acceptance of vaccination among physicians. The investigations are based on data of a project granted by the DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft; ”Munich Vaccination Study 2001”). Within this study physicians as well as parents have been interviewed. The vaccination rate of the physicians’ patients are influenced by attitudes of the physician and the attitudes he/she believes his/her patients have, but not so much by aspects of his/her behaviour. How many pamphlets and posters about vaccination are available in the doctors’ practice or how long consultations about vaccination last on average has only marginal effects on the rate of vaccination among the doctors’ patients. If it is a political aim to enlarge vaccination rates steps should concentrate on changing relevant attitudes.

Literatur

  • 1 Müller-Plettenberg B, Randow Rv. Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln.  Deutsches Ärzteblatt 1995; 92; (41): 2705-2706.
  • 2 Rothkopf-Ischebeck M. Die Deutschen sind impfwillig: Repräsentative Bevölkerungsbefragung zum Impfverhalten Erwachsener.  InfFo 1995; IV. 17-19
  • 3 Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Bundesministerium der Justiz .Patientenrechte in Deutschland, Leitfaden für Patienten und Ärzte. Berlin. http://www.bmj.de/themen/medizin_und_recht/10 000 616/ vom 24.3.2003. 
  • 4 Wiesemann C. Selbstbestimmte Patienten? - Die Nutznießer der Medizin und ihre Rechte.  Gesundheitswesen. 2001;  63 591-596
  • 5 Hammer K, Rothkopf-Ischebeck M, Meixner M. Aktuelle Impfstatuserhebung für Tetanus, Diphtherie und Poliomyelitis bei Erwachsenen.  InfFo. 1997;  I 35-37
  • 6 Reiter S. Expertentreffen Impfen im Robert Koch-Institut.  InfFo. 1997;  III 24-26
  • 7 RKI . Zur Situation bei wichtigen Infektionskrankheiten. Teil 5: Impfpräventable Krankheiten.  Epidemiologisches Bulletin. 1999;  19 139-143
  • 8 Baum E, Donner-Banzhoff N, Piotrowski A. et al . Impfstatus und -bereitschaft bei Patienten in Allgemeinpraxen.  Münch med Wschr. 1995;  137 (24) 36-38
  • 9 RKI . Zum Impfstatus im jüngeren Erwachsenenalter - Ergebnisse einer Erhebung bei Bundeswehr-Rekruten.  Epidemiologisches Bulletin. 1998;  40 281-284
  • 10 RKI . Überprüfen des Impfstatus und Schließen von Impflücken bei Schulkindern im Land Brandenburg.  Epidemiologisches Bulletin. 1998;  25 182
  • 11 Seibt K, Schulz M, Hensel F J. Meinungen und Einstellungen zum Thema Impfen bei niedergelassenen Ärzten, Offizinalapothekern und ihrem Personal sowie aktueller Impfstatus dieser Gruppen.  Gesundheitswesen. 2000;  62 376-382
  • 12 Jungbauer-Gans M, Kriwy P. Bildung und Gesundheitsvorsorge: Die Impfentscheidung. Diekmann A, Voss T Rational Choice Theorie in den Sozialwissenschaften. Anwendungen und Probleme (Festschrift für Rolf Ziegler) München; Oldenbourg 2003 (im Druck)
  • 13 Wunderle W. Impflücken in Bremen.  Bremer Ärztejournal. 1998;  3 14
  • 14 Koch M A. Impfen in Deutschland: Raum für Verbesserungen.  InfFo. 1996;  IV 19-20
  • 15 Kahneman D, Tversky A. Prospect theory: An analysis of decision under risk.  Econometrica. 1979;  47 263-291

1 Im Übrigen findet sich ein interessanter Interaktionseffekt zwischen der Verwendung einer PC-gestützten Patientenkartei und dem Anteil der Patienten, die einzelne Impfungen ablehnen: In Praxen, in denen eine PC-gestützte Patientenkartei verwendet wird, führen hohe Anteile von Patienten, die einzelne Impfungen ablehnen, zu sehr geringen Durchimpfungsraten, während geringe Anteile von impfskeptischen Patienten bei PC-Einsatz besonders hohe Impfraten aufweisen. Offensichtlich verstärkt der PC-Einsatz die bestehende Tendenz der Patienten (Werte nicht in der Tabelle dargestellt).

2 Betrachtet man alle Einflussfaktoren gleichzeitig in einer multiplen Regression, dann bleiben die Einflüsse der Variablen mit der größten Erklärungskraft (R²) signifikant, die anderen Effekte reduzieren sich aufgrund von Korrelationen zwischen den unabhängigen Variablen. Die Erklärungskraft des Gesamtmodells beläuft sich auf fast 53 % der Varianz der abhängigen Variable. Da die Zusammenhänge zwischen der Arzteinstellung und den verschiedenen Randbedingungen beispielsweise nicht Thema dieses Beitrags sind, wird auf eine ausführliche Darstellung dieser Ergebnisse verzichtet.

PD Dr. Monika Jungbauer-Gans

Fachbereich 6, Bergische Universität Wuppertal

Gaußstr. 20

42119 Wuppertal

Email: jungbau@uni-wuppertal.de

    >