Gesundheitswesen 2019; 81(10): 850-854
DOI: 10.1055/a-1038-9173
Konsensstatement
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

DNVF-Memorandum – Gesundheits- und Medizin-Apps (GuMAs)

DNVF-Memorandum – Health and Medical Apps
Ursula Kramer
1   Qualitätsplattform für Gesundheits-Apps, HealthOn e. V., Freiburg
,
Uirassu Borges
2   Abteilung für Leistungspsychologie, Deutsche Sporthochschule Koln, Koln
,
Florian Fischer
3   Fakultät für gesundheitswissenschaften/ Bevölkerungsmedizin und Versorgungsforschung, Universität Bielefeld, Bielefeld
,
Wolfgang Hoffmann
4   Institute for Community Medicine, Universität Greifswald Medizinische Fakultät, Greifswald
5   Deutsches Zentrum fur Neurodegenerative Erkrankungen, Standort Rostock/Greifswald, Greifswald
,
Monika Pobiruchin
6   GECKO Institut, Hochschule Heilbronn, Heilbronn
,
Horst Christian Vollmar
7   Abteilung für Allgemeinmedizin, Ruhr University Bochum, Bochum
8   Institut für Allgemeinmedizin,Universitätsklinikum Jena, Jena
› Author Affiliations
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Korrespondenzadresse

Prof. Horst Christian Vollmar
Abteilung für Allgemeinmedizin Ruhr-Universitat Bochum,
Universitätsstraße 150
44801 Bochum

Publication History

Publication Date:
04 November 2019 (online)

 

Zusammenfassung

Das Memorandum adressiert Fragestellungen wie Angebot, objektiven Bedarf und Nettonutzen von Gesundheits- und Medizin-Apps (GuMAs), ethische Standards und Risiken, die von der Versorgungsforschung durch geeignete methodische Ansätze untersucht und beantwortet werden sollten. Diese Fragestellungen beziehen sich auf die Aspekte Patientensicherheit, Prozess- und Ergebnisqualität, versorgungsrelevante Aspekte digitaler Anwendungen und deren Einsatz in und für die wissenschaftliche Forschung.


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Abstract

The memorandum outlines core questions that should be addressed by future health services research in order to evaluate the impact of health and medical apps on quality of processes and patient outcomes and to take advantage of their potential as new data sources for scientific research.


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Das Memorandum „Gesundheits- und Medizin-Apps (GuMAs) richtet sich an Versorgungsforscher und gesundheitspolitisch Verantwortliche sowie an Anbieter von gesundheitsbezogenen Apps. Es bezieht sich auf Gesundheits- und Medizin-Apps (GuMAs), die

  • von Verbrauchern und Patienten auf mobilen Endgeräten genutzt werden und/oder

  • in der Versorgungsforschung eingesetzt werden können.

Das vorliegende Memorandum identifiziert qualitätsbestimmende Kriterien und beleuchtet dazu von der Bedarfsanalyse bis zur Qualitätssicherung und Evaluation von GuMAs folgende Aspekte:

  • Angebot

  • Objektiver Bedarf und Nutzen

  • Ethische Standards

  • Risiken von GuMAs

  • GuMAs als Forschungsressource.

Es soll u. a. auch die verantwortliche Nutzung von GuMAs und der mit diesen Apps erhobenen Daten für die Versorgungsforschungt und darüber hinaus unterstützen.

Angebot

Soll die GuMA zur Therapie- oder Diagnose oder zur Verhinderung von Krankheiten eingesetzt werden, orientiert sie sich an den Anforderungen der Medizinprodukteverordnung [1] (bzw. der Medical Device Regulation (MDR, s. u.). Sie wird, je nach Risiko, das von deren Nutzung ausgeht, als Medizinprodukt der Klasse I bis Klasse III in einem Konformitätsverfahren überprüft.

Soll eine GuMA, die nicht durch das MPG reguliert ist, z. B. zur Gesundheitsförderung, Prävention oder zur Patientenselbstbefähigung genutzt werden, so soll sie sich an geltenden Standards zur qualitätsgesicherten Entwicklung gesundheitsförderlicher Maßnahmen orientieren und den Anforderungen an Evidenz der Inhalte, an Evaluation und Erfolgskontrolle entsprechen [2] [3] [4] [5] [6] [7]. Sie sollte auf geeignete Handlungsfelder fokussieren, aktuelle Interoperabilitätsstandards erfüllen. Sie unterliegt den geltenden Datenschutzbestimmungen. Eine App sollte darüber hinaus möglichst plattformübergreifend oder -unabhängig verfügbar sein.


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Objektiver Bedarf und Nettonutzen

Für eine gute GuMa lässt sich ein objektiver Bedarf feststellen. Sie zielt auf einen behandlungsbedürftigen Zustand ab oder dient der Prävention. Ihr Einsatz lässt einen gesundheitlichen Nutzen erwarten, der ihre Risiken übersteigt, d. h. es ist ein Netto-Nutzen feststellbar.

Aufgabe der Versorgungsforschung wird es sein, Methoden zu entwickeln, die den individuell, professionell und wissenschaftlich anerkannten Bedarf von regulierten und nicht regulierten GuMAs evaluieren, um das Ausmaß von Fehlversorgung aber auch von Unter- und Überversorgung zu identifizieren und zu verbessern. Weiterhin wichtig sind die Untersuchung der Akzeptanz der GuMAs bei denZielgruppen, die Untersuchung der technischen Reliabilität und Validität der Aussagen sowie die Evaluation ihrer Wirksamkeit. Die Versorgungsforschung soll sich auch der möglichen Überdiagnostik und Übertherapie durch Nutzung von GuMAs widmen. Ein besonderes Augenmerk soll in diesem Zusammenhang auf die Medikalisierung eigentlich nicht-behandlungsbedürftiger Menschen, beispielsweise durch quantifizierende Messverfahren wie Puls- und Blutdruckmessung im Alltag, gelegt werden. Mögliche Schäden durch die Vermessung von nicht-indizierten Parametern sollen von der Versorgungsforschung ebenso erfasst werden wie ein potentieller Nutzen.

Besonders hohe Priorität hat aus der Sicht der Versorgungsforschung die Feststellung des Bedarfs von GuMAs für Personen mit Erkrankungen

  • die häufig vorkommen,

  • die mit hohen Kosten (für das Individuum und/oder die Gesellschaft) verbunden sind,

  • deren Behandlung speziell oder besonders von App-spezifischen Vorteilen, z. B. kontinuierlicher Rückmeldung an den Betroffenen, Echtzeitvernetzung mit medizinischen Messgeräten (Medical Devices), aktuellen Informationsdatenbanken oder Online-Interaktion mehrerer an der Behandlung Beteiligter profitieren kann

  • deren Therapieakzeptanz und/oder -adhärenz sich möglicherweise durch die Anwendung einer GuMA verbessern lässt,

  • deren Anwendung die Therapiesicherheit potentiell verbessern können,

  • für die ein hohes Potential hinsichtlich Primär- und Sekundärprävention besteht,

  • die selten vorkommen, insbesondere bei denen eine App möglicherweise die Vernetzung sowohl von Betroffenen als auch von Therapeuten verbessern und den Zugang zur und die Kontinuität der Versorgung erleichtern kann.

Sowohl Aspekte der Bedarfsgerechtigkeit als auch der Bedürfnisgerechtigkeit sollen bei der (Weiter-) Entwicklung von GuMAs berücksichtigt werden, d. h. GuMAs orientieren sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Zielgruppe (z. B. Patienten, Angehörige der Gesundheitsberufe). Sie bieten aus Sicht der Nutzer relevante Unterstützung und es lassen sich auf der Grundlage von Versorgungsforschungsstudien ein objektiver Bedarf und ein Nutzen feststellen. Werden diese Aspekte berücksichtigt, können GuMAs Bausteine bedarfsgerechter Versorgungsprozesse werden [8] .


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Ethische Fragestellungen

Wie von der AG Digital Health an anderer Stelle dargelegt [9] sind bei der Nutzung von GuMAs ethische Fragestellungen zu berücksichtigen, aus denen sich Forderungen ableiten lassen [9] [10], denen sich die AG in ihren Empfehlungen anschließt:

  • Die Nutzung der GuMA ist freiwillig.

  • Das Recht auf Selbstbestimmung und Datenhoheit wird gewährleistet, unabhängig vom Anwendungskontext (z. B. Fitness, wissenschaftliche Studien) und der Erhebungsart, d. h. bei aktiver Eingabe von Daten durch den Nutzer in die GuMA, ebenso wie bei passiver, d. h. indirekter Datenerhebung. Dazu gehört auch, dass der Nutzer seine Daten in ein öffentlich übliches Dateiformat (pdf, csv) ausgeben kann, um so z. B. eine Besprechung mit dem behandelnden Arzt auch außerhalb der GuMA zu ermöglichen.

  • mHealth-basierte Interventionen unter Nutzung von Apps müssen allgemein verfügbar sein und dürfen niemanden ausschließen. Daher sollen GuMAs nach den ohnehin vorhandenen Barrierefreiheitsstandards der Hersteller der Betriebssysteme programmiert werden. Es darf zu keiner Diskriminierung bzw. Stigmatisierung der Nutzer durch die mit GuMAs erhobenen Daten kommen, weder beabsichtigt noch unbeabsichtigt.

  • Anwendern von GuMAs ist es möglich, den primären Nutzen einer GuMA direkt zu erkennen oder leicht herzuleiten.

  • Generell sollten GuMAs das Gesundheitsbewusstsein und die Gesundheitskompetenz fördern und damit (selbst-) bewusste Entscheidungen, ohne Zwang (auch nicht moralisch) zur Gesundheit.

  • Das Bereitstellen adäquater und auf die Bedürfnisse der Nutzer angepasster Informationen durch die GuMA versetzt diese in die Lage, selbstbestimmt und fundiert Entscheidungen bzgl. der App-Nutzung zu treffen. Alle wesentlichen Informationen der App, inklusive Hinweise zum Datenschutz, sind daher möglichst auch in leicht verständlicher Sprache bereitzustellen.

  • Die Risiken der Anwendung müssen in einem angemessenen Verhältnis zu den erwarteten Vorteilen stehen, valide und zuverlässige Informationen darüber werden genutzt und so aufbereitet, dass Nutzer eine entsprechende Abwägung treffen können.

  • Die GuMA sollte weder auf die Nutzer selbst noch auf das Umfeld (z. B. bei der Behandlung von Patienten durch Gesundheitsfachberufe) einen negativen Einfluss haben, in jedem Falle sollte der Nutzen die Risiken überwiegen. Dies schließt sowohl das physische als auch das geistige Wohlbefinden auf individueller und auch auf übergeordneter Ebene mit ein.

  • Im Forschungskontext muss die GuMA den üblichen Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis und biomedizinischer Forschung entsprechen, insbesondere bei der Schaffung einer validen und zuverlässigen Datenbasis.

Datensouveränität

Nach dem Prinzip der vom Ethikrat geforderten Datensouveränität sollen GuMAs so konzipiert sein, dass sie ein hohes Schutzniveau für den Einzelnen gewährleisten und es zugleich ermöglichen, die mit GuMAs aufgezeichneten Daten auf der kollektiven Ebene zu nutzen, etwa in der klinischen Praxis und gesundheitsbezogenen Forschung [11]. Die Einwilligung des Nutzers zur Verarbeitung auch anonymisierter Daten ist weiterhin unabdingbar. Vieles regelt die im Mai 2018 in Kraft getretene DSGVO, allerdings sind die gesetzlichen Regelwerke in einem gesamtgesellschaftlichen Prozess weiterzuentwickeln. Hierbei sind bestimmte Konstellationen (stigmatisierende Erkrankungen, Psychiatrie, Kinder und Jugendliche, seltene Erkrankungen) besonders zu berücksichtigen.


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Risiken von GuMAs

Nutzer- bzw. Patientensicherheit

Grundsätzlich unterscheiden sich die Risiken von GuMAs abhängig vom Anwendungskontext, wie folgende Kategorien beispielhaft zeigen: “Selbstmonitoring“ (subjektive Messwerte, nur zum eigenen Gebrauch), „Selbsthilfe“ (Verknüpfung mit anderen Erkrankten), „Professionelles Monitoring“ (Verknüpfung mit einem Behandler) und „Selbsttestung“ (objektive Testung, nur zum eigenen Gebrauch) bzw. „Professionelle Testung“

(objektive Daten, Weitergabe an den Behandler).

Allgemein gilt, dass eine gute GuMa mögliche Gefahren und Risiken adressiert, die für ihre Anwender mit der Nutzung verbunden sind. Sie trägt durch Offenlegung entsprechender Informationen dem Sicherheitsbedürfnis Rechnung:

  • Risiken durch mangelnde Wirksamkeit bzw. mangelnden Nutzen:

    • Offenlegen der Daten zur Wirksamkeit des Unterstützungsansatzes bzw. Hinweis auf Fehlen dieser Daten, Verweis auf Quellen bzw. Leitlinien, die den methodischen Unterstützungsansatz der GuMA wissenschaftlich stützen.

  • Risiken durch Fehlfunktion der GuMA:

    • Offenlegung der Daten zur Verlässlichkeit der Messungen, z. B. Schrittzähler, Fitnessarmbänder bzw. Hinweis darauf, dass diese nicht vorhanden sind.

    • Hinweise auf mögliche Messfehler

  • Risiken durch Falschinformation:

    • Offenlegen folgender Informationen durch den Anbieter der GuMA:

      • Stand der gesundheitsbezogenen Information

      • Hinweis auf bzw. fehlende Quellen, die den methodischen Ansatz der GuMA und die gesundheitsbezogenen Informationen stützen, z. B. Leitlinien, Empfehlungen von Fachgesellschaften

      • Hinweis auf Autoren mit Informationen zu deren Sachverständigkeit im von der GuMA adressierten Anwendungskontext

      • Hinweis zur Finanzierungs- und Werbepolitik insbesondere bei kostenlosen GuMAs. Offenlegung von Kooperationspartnern, Sponsoren der GuMA und Deklaration etwaiger Interessenkonflikte

    • Risiken durch falsch verstandene Information: Bereitstellung von Informationen in leicht verständlicher Sprache; Bereitstellung eines Ansprechpartners (z. B. durch ein Servicetelefon) bei Unsicherheiten und Rückfragen.

  • Risiken durch Anwendungs- und Anwenderfehler:

    • Aufzeigen der Grenzen einer App, z. B. Haftungssauschlüsse bzw. Hinweis darauf, dass die GuMA keinen Ersatz für den Arztbesuch oder den Kontakt zu anderen Gesundheitsfachberufen darstellt.

    • Hinweise auf den fraglichen Nutzen, z. B. der kontinuierlichen Blutdruckmessung bei Gesunden.

    • Verpflichtende Erklärung des Herstellers, an wen sich die GuMA richtet und was die GuMA nicht kann bzw. für wen sie nicht bestimmt ist.

    • Testung der GuMA mit der Zielgruppe, an die sich die GuMA wendet, um Anwendungsfehler im Vorfeld zu erkennen und zu beheben, und Gebrauchstauglichkeit auf dem Stand der Technik (Normen) sicherzustellen. Offenlegung dieser Tests bzw. Hinweis darauf, dass die GuMA bisher nicht mit der Anwenderzielgruppe getestet wurde.

  • Risiken durch Missbrauch der gesundheitsbezogenen Nutzerdaten, durch unbefugtes Übermitteln gesundheitsbezogener Nutzerdaten an Dritte zu Werbezwecken, durch Verletzung der Privatsphäre etc.

    • Verpflichtende Datenschutzerklärung, die über den Schutz der Nutzerdaten und den Schutz der personenbezogenen Daten bei Speicherung und Versendung informiert. Auch wenn keine gesundheitsbezogenen Daten erhoben werden, ist eine Datenschutzerklärung gemäß geltendem Recht verpflichtend. Sie informiert darüber, welche Nutzerdaten zu welchen Zwecken erhoben oder weitergeleitet werden oder bestätigt explizit, dass keine personenbezogenen Daten erhoben werden.

    • Verpflichtende Offenlegung, welche Datenschutzrechte der Nutzer durch die von der GuMA geforderten Berechtigungen einschränkt bzw. durch die Nutzung von mit GuMAs verbundenen Wearables, z. B. Hinweis darauf, dass die GuMA oder das Wearable das Bewegungsprofil des Nutzers aufzeichnet.

    • Optional: Zusätzliche Erklärung des Anbieters, dass die GuMA die Anforderungen des HealthOn Ehrenkodex für Gesundheits-Apps, der Stiftung Health on the Net, des Factsheets Gesundheits-Apps der afgis e. V. oder ähnlicher Initiativen einhält.


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Datenschutz

Die Grundeinstellungen von Daten sammelnden und Daten verarbeitenden GuMAs sollen so technisch entwickelt und weiter rechtlich abgesichert werden, dass sie von vornherein einen angemessenen Schutz der Privatsphäre bieten (privacy by design/privacy by default). Über die Vorgaben der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) zu nutzerfreundlichen Einstellungen hinaus ist durch zusätzliche Aufklärung darauf hinzuwirken, dass Nutzer die Konsequenzen einer Änderung der Grundeinstellungen tatsächlich verstehen [11] [12]. Eine Aktualisierung der Datenschutzerklärung ist obligat, wenn eine Änderung der Datennutzung erfolgt. Der Nutzer kann jederzeit der Datennutzung widersprechen. Die Erklärung zur Datennutzung ist in leicht verständlicher Sprache anzubieten.


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Prozessqualität

Eine gute GuMa legt den Qualitätsmanagementprozess offen, wie Bug-Reports (Berichte technischer Fehler) und Anregungen oder auch Beschwerden der Nutzer gesammelt, bewertet und in der Weiterentwicklung der GuMA berücksichtigt werden und wie die technische Funktionsfähigkeit (z. B. durch regelmäßige Updates der GuMA) und die Sicherheit für den Nutzer gewährleistet werden. Für Medizinprodukte gelten die gesetzlichen Anforderungen an Marktbeobachtung gemäß Medizinprodukteverordnung.


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Aufgaben und Ansätze für die Versorgungsforschung

Eine GuMA sollte im Hinblick auf ihren Nettonutzen eingeschätzt werden, um Über-, Unter- oder etwaige Fehlversorgung feststellen zu können. Dazu bedarf es der Einbeziehung ihrer Auswirkungen auf unterschiedliche, für die Versorgung relevanter Ebenen. Mit Methoden der Versorgungsforschung sind daher Antworten zu finden u. a. auf folgende Fragestellungen:

  • Trägt die GuMA zu einer Verbesserung der Versorgung bei – z. B. im ländlichen Raum?

  • Vereinfacht die GuMA den Zugang zur qualitätsgesicherten, medizinischen Versorgung?

  • Trägt die GuMA dazu bei, den Zugang zu Versorgungsangeboten sowohl für häufige als auch für seltene Erkrankungen zu verbessern, Betroffene und deren Therapeuten zu vernetzen und damit ggfls. Kompetenzen zu bündeln?

  • Verbessert die GuMA die Kommunikation an Schnittstellen innerhalb der Versorgungskette?

  • Trägt die GuMA dazu bei, Ressourcen einzusparen, z. B. Doppeluntersuchungen zu vermeiden?

  • Erlaubt die GuMA ein schnelleres therapeutisches Eingreifen?

  • Verbessert die GuMA bestehende Behandlungsstandards?

  • Verbessert die GuMA Patientensicherheit und oder Arzneimitteltherapiesicherheit?

  • Führt die GuMA zu Kosteneinsparungen?

  • Trägt die GuMA zur gesundheitlichen Chancengerechtigkeit bei?

  • Welcher mögliche Schaden entsteht durch die Nutzung von GuMA? Steigt hierdurch die Frequenz von Arztkonsultationen oder werden diese geringer?

  • Welchen Einfluss haben GuMA auf Überdiagnostik und Übertherapie? Sind GuMAs in der Lage die Gesamtmortalität zu verändern – oder beeinflussen sie nur Surrogatparameter

  • Fördern oder schaden GuMAs der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung? Sind GuMAs in der Lage, den Patienten bei selbstbestimmten Entscheidungen zu unterstützen? Oder tragen sie zur Verunsicherung der Bevölkerung durch die Medikalisierung des Alltags bei?

  • Tragen GuMAs zur Patientenorientierung bei?

Die Feststellung des objektiven Bedarfs und die wissenschaftliche Evaluation des Netto-Nutzens ist Voraussetzung dafür, dass neue digitale Anwendungen in Leitlinienempfehlungen aufgenommen und in Erstattungskatalogen berücksichtigt werden können.

Digitale Angebote, die eine neue Methode gemäß Verfahrensordnung G-BA darstellen, müssen unter den heutigen Rahmenbedingungen zunächst ihren Nutzen nachweisen, um in den gesetzlichen Leistungskatalog aufgenommen zu werden.

Im Hinblick auf die Art der digitalen Innovationen (kurze Releasezyklen), deren Vorgehen bei der Produktentwicklung (agile Methoden) und der Anbieterstruktur (Startups) werden hierfür – insbesondere von Industrievertretern – neue Studiendesigns und neue Methoden der Versorgungsforschung gefordert, um die Nutzeneffekte der digitalen Angebote zeitnah messen und darstellen zu können. Die Aufgabe der Versorgungsforschung wird es sein, im Spannungsfeld von Patientensicherheit und der Forderung nach zeitnahem Zugang von Patienten zu innovativen Versorgungsformen Alternativen zu entwickeln und zu prüfen. Aktuell ist der Nutzennachweis durch Interventionsstudien (RCTs) auf der Basis von Primärdaten der Goldstandard.


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Qualitätssicherungsaspekte

Die AG Digital Health empfiehlt, eine Sammlung von „Best Practice“-Lösungen zu erarbeiten, bzw. zu erheben, wie im Rahmen von App-Studien bereits heute mit der Qualitätssicherung von gesundheitsbezogenen Daten den sog. Patient Generated Health Data (PGHD) umgegangen wird, also Daten, die von Patienten mit Apps und über Sensoren in Fitnessarmbändern und Messgeräten erhoben werden.

Es bedarf einer Bewertungsplattform, auf der Nutzer und Leistungserbringer einfach, übersichtlich und wissenschaftlich gesichert, evidenz-basierte GuMAs zu den unterschiedlichsten Themenfeldern abrufen können.

Plattformen wie:

beschreiten diesen Weg bereits.


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GuMAs als Forschungsressource

Eine gute GuMa bietet die Voraussetzung, dass die vom Probanden mittels App generierten Daten auch zu wissenschaftlichen Zwecken in anonymisierter bzw. pseudonymisierte Form gemäß den aktuellen, rechtlichen Rahmenbedingungen genutzt werden können,

  • sie bietet die entsprechenden technischen Voraussetzungen zum sicheren Datenaustausch,

  • sie berücksichtigt geltende Empfehlungen zu Datenstandards [13],

  • sie setzt die informierte und ausdrückliche Einwilligung des Nutzers als zwingende Notwendigkeit voraus (Bundesdatenschutzgesetz [14], Europäische Datenschutz-Grundverordnung [15], Stellungnahme Deutscher Ethikrat [11].


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Conflict of Interest

Potentielle Interessenskonflikte der Autor / innen (Stand: August 2019): Ursula Kramer U. Kramer betreibt als Unternehmerin die Qualitätsplattform HealthOn, sie hält Vorträge, entwickelt Fortbildungen zu Bedarf, Nutzen und Sicherheit von digitalen Gesundheitsanwendungen für Gesundheitsfachberufe und ist Präsidentin des gleichnamigen Vereins HealthOn. Uirassu Borges Jr. gibt an, keine Interessenskonflikte zu haben. Florian Fischer Sprecher der Nachwuchsgruppe Epidemiologie in der DGEpi Mitgliedschaft in folgenden Fachgesellschaften: DGEpi, GMDS, Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin. Keine Aktien oder anderweitigen finanziellen Konflikte. Wolfgang Hoffmann Stellv. Vorsitzender des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF) e.V. Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der Technologieplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF) e.V. Sprecher des Standortes Rostock/Greifswald des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) e.V. Leiter der Zentralstelle des klinischen Krebsregisters Mecklenburg-Vorpommern Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesärztekammer. Keine finanziellen Interessenkonflikte. Monika Pobiruchin Leiterin der AG Consumer Health Informatics (CHI) der GMDS e.V. Mitgliedschaft in den Fachgesellschaften: GMDS und GI Mitglied im Expertennetzwerk „30 unter 40“ der Bertelsmann Stiftung Horst Christian Vollmar Sprecher der AG Digital Health im DNVF Stellvertretender Sprecher der Sektion Qualitätsförderung der DEGAM und Autor des DEGAM-Positionspapiers zur Digitalisierung Mitgliedschaft in weiteren Fachgesellschaften (GMDS, DGEpi, ISTAART, INTERDEM, EbM-Netzwerk, DGGG, Deutsches Netzwerk Zukunftsforschung, DGLRM…) Ich bin im Besitz sowohl von Aktien aus dem Gesundheitsbereich (z.B. BB Biotech, Medtronic) als auch aus dem IT-Bereich (z.B. IBM, Apple, Amazon), jeweils in kleinen Stückzahlen, dazu kommen Fonds und ETFs, die auch in die Gesundheits- und IT-Branche investieren.


Korrespondenzadresse

Prof. Horst Christian Vollmar
Abteilung für Allgemeinmedizin Ruhr-Universitat Bochum,
Universitätsstraße 150
44801 Bochum