Gesundheitsökonomie & Qualitätsmanagement 2015; 20(2): 47-48
DOI: 10.1055/s-0034-1397715
Forum
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

dggö – Nachruf auf Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Oberender (1941–2015)

Further Information

Publication History

Publication Date:
22 May 2015 (online)

Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Oberender, der 1941 in Nürn-berg geboren wur-de, studierte Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Erlangen-Nürnberg und München. Danach war er wissenschaftlicher Assistent von Ernst Heuss (Universität Marburg), bei dem er auch promovierte. Nach einer Dozententätigkeit in Marburg war er 1967 „Guest Scholar“ bei der Brookings Institution in Washington. Im Jahr 1980 habilitierte er bei Ernst Heuss in Marburg und nahm kurz darauf einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftstheorie an der Universität Bayreuth an, die sich seit ihrer Eröffnung im Jahre 1975 noch in den Aufbaujahren befand. In Bayreuth begründete er 1998 den auch international beachteten Studiengang für Gesundheitsökonomie. Zum Wintersemester 2006 / 2007 wurde der Diplomstudiengang durch die Bologna-Struktur abgelöst. Mit dem Wintersemester 2009 / 2010 startete der Masterstudiengang Gesundheitsökonomie, der heute mit über 100 Einschreibungen pro Jahr einer der großen Masterstudiengänge der Universität Bayreuth ist. Peter Oberender erhielt Rufe auf Lehrstühle für Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Witten / Herdecke (1986), Freiburg im Breisgau (1990) sowie der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1992), die er aber zugunsten Bayreuths ablehnte. Er war Gründungsdekan und Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena (1990–1994). Auch nach seiner Emeritierung im Jahr 2007 blieb er Direktor der Forschungsstelle für Sozialrecht und Gesundheitsökonomie an der Universität Bayreuth. Des Weiteren war er Inhaber und Seniorpartner der Unternehmensberatung Oberender & Partner in Bayreuth, ein auf Gesundheitsökonomie und Krankenhausmanagement spezialisiertes Beratungsunternehmen.

Seine Mission als Gestalter des Wandels setzte er nicht nur in seinen wissenschaftlichen Arbeiten um, sondern auch als erfolgreicher Unternehmer. Peter Oberender war zudem auch auf politischem Gebiet ein gefragter Experte, auch wenn die Politik seinen klaren ordnungsökonomischen Analysen und unbequemen Vorschlägen nicht immer folgen konnte oder wollte. Von 1987–1990 gehörte er der Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung des Deutschen Bundestages“ an. Im Jahr 2012 ernannte ihn der damalige bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil zum Beauftragten für die bayerische Gesundheitswirtschaft. Peter Oberender war Mitherausgeber der Zeitschrift ORDO und Gründungspräsident der Wilhelm-Löhe-Hochschule für angewandte Wissenschaften in Fürth. Außerdem war er Mitglied des Wissenschaftsrates, in dessen Arbeitsgruppe Public Private Partnership in der Hochschulmedizin er zuletzt noch Vorsitzender war. Er war Mitglied der bayerischen Bioethik-Kommission, stellvertretender Vorsitzender des Bundesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung und Vorsitzender des Bundesschiedsamtes für die zahntechnische Versorgung. Eine besondere Auszeichnung erhielt er im Jahr 2011, als ihm die Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie für sein Lebenswerk als erstem Preisträger die Gérard-Gäfgen-Medaille verlieh. Im gleichen Jahr wurde Peter Oberender in die Klasse Social Sciences, Law and Economics der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste aufgenommen.

Peter Oberender beeinflusste mit seiner klar auf marktwirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichteten Haltung über Jahrzehnte hinweg das Denken in der deutschen Gesundheitswirtschaft. Nicht nur Ökonomen, sondern auch zahlreiche Mediziner waren fasziniert von seinen Ideen und Konzepten. So stellte er die hälftige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern infrage, da auch der Arbeitgeberanteil ein Bestandteil der Bruttolöhne ist. Er kritisierte die Budgetierungen im Gesundheitswesen als künstliche Eindämmung eines Wachstumsmarkts und sah das Gesundheitswesen nicht nur als Kostenfaktor. Er forderte einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik hin zu mehr Wettbewerb, immer aber unter der Voraussetzung, dass ökonomisch Schwache und chronisch Kranke ausreichend geschützt sein müssten (solidarischer Wettbewerb). Er sprach sich für eine Freigabe des Organhandels unter klaren Bedingungen aus, denn mit Organen werde ohnehin gehandelt, nur gegenwärtig zu menschenunwürdigen Bedingungen. Sein wissen-schaftliches Wirken blieb keinesfalls auf die Gesundheitsökonomie beschränkt. Die Idee der Einheit Europas unterstützte der Ordnungsökonom Oberender ohne Wenn und Aber, bei der Euro-Einführung überwog die Skepsis, insbesondere sah er in der gewählten Konstruktion den klaren Weg in die Transferunion und die gegenwärtigen Entwicklungen scheinbar alternativloser Rettungsbemühungen sprechen nicht gegen ihn.

Wer von Peter Oberender nur gelesen hat, wird vielleicht ein falsches Bild von ihm haben – das Bild eines harten Verfechters der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs. Zwar vertrat Peter Oberender klare Positionen und war ein kluger Sachverwalter seiner ordnungsökonomischen Grundsätze, in erster Linie war er aber ein großer Humanist und ein zutiefst sozialer und mitfühlender Mensch. Fehler und Schwächen konnte er immer verzeihen, er half, wo er konnte. Insbesondere unterstützte er die Studierenden mit Rat und Tat und warb finanzielle Mittel für Stipendien ein. Er machte Mut, er musste nicht laut sein, um gehört zu werden. Peter Oberender hat nicht nur viele wissenschaftliche Fragen gestellt und auch beantwortet, er hat Wissenschaft in einer vorbildhaften Art und Weise gelebt und seine Erkenntnisse sorgsam geordnet, sie zur Grundlage der Ausbildung junger Menschen gemacht, denen seine besondere Aufmerksamkeit galt. Zudem hat Peter Oberender einem neuen Wissenschaftszweig in Deutschland den Weg mitbereitet, für den sein Name auch in Zukunft stehen wird: die Gesundheitsökonomie.

Volker Ulrich, Universität Bayreuth,
im Namen der DGGÖ

Zoom Image